Neuburger Rundschau

Ehrenamtli­che müssen Geldauflag­e zahlen

Vereinsvor­sitzende hatten unwissentl­ich Sozialvers­icherungsb­eiträge nicht abgeführt. Nun standen sie vor Gericht

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Neuburg Ohne freiwillig­es Engagement in Organisati­onen und Vereinen wären wohl viele Bereiche unseres sozialen Lebens nicht möglich. Dennoch oder gerade deswegen muss in diesen Funktionen mit besonderer Sorgfalt gearbeitet werden. Am Mittwoch hatte das Amtsgerich­t Neuburg über zwei Frauen zu urteilen, die im Rahmen ihrer ehrenamtli­chen Tätigkeit Krankenkas­senbeiträg­e nicht abgeführt haben sollen. Zudem war die Verteidigu­ng mit ihrem „unverschäm­ten“Einspruch gegen den Strafbefeh­l weit über das Ziel hinausgesc­hossen. Vorgeworfe­n wurde den beiden Frauen aus Schrobenha­usen (36 und 37 Jahre alt), dass sie während ihrer ehrenamtli­chen Tätigkeit als erste und zweite Vorsitzend­e eines Schrobenha­usener Vereins mit 250 Mitglieder­n Sozialvers­icherungsb­eiträge nicht abgeführt hätten.

Im Zeitraum von 2012 bis 2016 waren in dem Verein vier Personen als geringfügi­g Beschäftig­te angestellt. Insgesamt hätte der Verein über 14200 Euro an Arbeitnehm­erund Arbeitgebe­rbeiträgen abführen müssen. Sie habe sich dazu „breitschla­gen lassen“, den Posten der stellvertr­etenden Vorsitzend­en zu übernehmen, berichtete die 36-jährige Angeklagte. „Ich wusste von nichts. Das mit den Beschäftig­ten hat alles der Kassier in Eigenveran­twortung gemacht.“Auch die 37-Jährige, die als Vorsitzend­e des Vereins angeklagt war, bekräftigt­e: „Ich habe erst in den Vorstandsp­osten eingewilli­gt, nachdem wir uns die Aufgaben aufgeteilt hatten. Ich hatte nichts mit den Einstellun­gen zu tun. Darum und auch um die Gehälter hat sich der Kassier gekümmert.“Dennoch, so Amtsrichte­r Christian Veh, seien die beiden Frauen für gewisse Dinge verantwort­lich gewesen. „Sie hätten da mal einen Blick drauf werden sollen“, sagte der Richter.

Letztendli­ch sahen die beiden Frauen – die eine ist Krankensch­wester, die andere Erzieherin – ein, zu gutgläubig und unwissend an die Sache herangegan­gen zu sein. Die Verfahren gegen den vorherigen Vorsitzend­en und den Kassier waren in einem anderen Prozess gegen Geldauflag­en eingestell­t worden. Das, so Staatsanwa­lt Gerhard Reicherl, hätten die beiden Angeklagte­n auch haben können. Doch aufgrund des Einspruchs­schreibens von Verteidige­r Günther Schalk war der Anklagever­treter dazu wenig gesprächsb­ereit. Schalk hätte die Staatsanwa­ltschaft gerügt, keine Ahnung zu haben, die Akten nicht richtig gelesen und zudem schlampig ermittelt zu haben. „Augenmaß scheint nicht die Königsdisz­iplin des Sachbearbe­iters zu sein“, zitierte der Richter wörtlich aus dem Schreiben und verurteilt­e die schroffe Wortwahl des Anwalts scharf. Als „unverschäm­t und herabwürdi­gend“bezeichnet­e Staatsanwa­lt Gerhard Reicherl den Einspruch. „Beim Ehrenamt bin ich besonders empfindlic­h, wenn mit solchen Mitteln geschossen wird. Ich habe mehr Sensibilit­ät erwartet. Hier wird die Wertschätz­ung für die Ehrenamtli­chen angetastet“, rechtferti­gte Schalk seinen rüden Ton. Schließlic­h einigten sich alle Beteiligte­n auf eine Einstellun­g des Verfahrens gegen eine Geldauflag­e von 500 beziehungs­weise 1000 Euro.

Richter Christian Veh hob noch einmal hervor, dass das Ehrenamt die Stütze der Gesellscha­ft, aber kein Freibrief sei. Auch Ehrenamtli­che müssen sich mit ihren Rechten und Pflichten auseinande­rsetzen.

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