Neuburger Rundschau

Was ist Tradition, was Brauchtum?

Im Armeemuseu­m wird der neue Traditions­erlass der Bundeswehr diskutiert

- VON MANFRED DITTENHOFE­R

Ingolstadt Diese Gelegenhei­t ließen sich einige aktive und noch mehr ehemalige Soldaten und Offiziere nicht entgehen. Denn mit Oberst Dr. Sven Lange war einer der maßgeblich­en Urheber des neuen Traditions­erlasses der Bundeswehr ins Armeemuseu­m nach Ingolstadt gekommen. Der Referatsle­iter im Bundesmini­sterium für Verteidigu­ng, Bereich Führung Streitkräf­te, ist zuständig für den Traditions­erlass, der im März 2018 von Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen unterzeich­net wurde.

Wie einige Ereignisse zeigten, tut sich die Bundeswehr mit dem Begriff Tradition schwer. Und auch der neue Erlass will kein Traditions­katalog sein. Denn, so Oberst Lange, Tradition definiere jeder für sich. Der Traditions­erlass aber schließt explizit die Wehrmacht und die NVA als Institutio­nen aus. Ganz einfach aus dem Grund, weil sie unter Unrechtsre­gimen nicht den heutigen Werten der Bundeswehr und damit dem Grundgeset­z folgten. Und genau das sei Basis für Traditions­würdigkeit, so Lange weiter. Wobei er durchaus einschränk­te, und mit diesem Thema auch Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen zitierte, dass die Bundeswehr und ihre Soldaten ein zwar anschlussf­ähiges aber nicht unbedingt identische­s Traditions­verständni­s zur restlichen Gesellscha­ft haben müssten.

Lange betonte auch, dass ein manchmal sehr gedankenlo­ser Umgang der Truppe mit der Wehrmacht Anlass gewesen sei, einen neuen Traditions­erlass zu formuliere­n. „Der tiefere Grund allerdings waren die tief greifenden Veränderun­gen, die seit dem Inkrafttre­ten des letzten Traditions­erlasses 1982 geschehen sind.“Stichwort: Wiedervere­inigung, Ende des Kalten Krieges, Auslandsei­nsätze. Nach 60 Jahren ihres Bestehens konzentrie­rt sich die Bundeswehr bei der Traditions­pflege nun auf ihre eigene Geschichte.

Was aber ist überhaupt Traditi- on? Selbst unter den fachkundig­en Zuhörern herrschte Uneinigkei­t. Denn die Frage, wieso es einen militärisc­hen Gruß gibt oder woher bestimmte Uniformmer­kmale kommen, hat eigentlich nichts mit Traditions­pflege zu tun. Lange stellte vielmehr klar, dass solche Details vielmehr militärisc­hes Brauchtum seien. Und nur weil die Wehrmacht und die NVA als Institutio­nen nicht traditions­bildend für die Bundeswehr sein dürften, heiße das nicht, dass nicht einzelne Soldaten und Ereignisse durchaus in die Tradition der Bundeswehr aufgenomme­n werden können. Im Gegensatz zu seiner Vorgängerv­erordnung versucht der neue Traditions­erlass nicht, Traditions­würdiges zu definieren. Der Traditions­erlass schließt vielmehr bestimmte Institutio­nen und Sachverhal­te aus und bildet so einen Rahmen. Das Bild aber müssten die Soldaten füllen, allen voran die Vorgesetzt­en, so Lange. Unerlässli­ch für eine angemessen­e Traditions­pflege sei eine fundierte geschichtl­iche Bildung, die, das gestand der Referent ein, in den vergangene­n Jahren vernachläs­sigt worden sei. Nun gehe man sehr aktiv mit unterschie­dlichen Publikatio­nen auf Soldaten und Führungspe­rsonal zu. Denn Traditions­pflege beginnt in jedem militärisc­hen Verband bereits mit dem Kontakt zu Ehemaligen. Und wer die Tradition der vielen aufgelöste­n Verbände pflegt, sei eine weitere Frage, die noch nicht beantworte­t ist.

Oberst Lange war im Rahmen einer Vortragsre­ihe ins Armeemuseu­m eingeladen worden, die sich „Forum Armeemuseu­m“nennt und von der Gedächtnis­stiftung 17. (Bayerische­s) Reiterregi­ment getragen wird. Deren Stiftungsr­atsvorsitz­ender General a. D. Berthold Maria Schenk Graf von Stauffenbe­rg war unter den Zuhörern. Die Stiftung wurde 2003 gegründet und hält ein Regiment im Gedächtnis, das von der Wehrmacht aufgelöst worden war und aus dessen ehemaligen Mitglieder­n viele Widerstand­skämpfer gegen Hitler kamen. Der Bekanntest­e war der Vater von von Stauffenbe­rg.

 ?? Foto: Manfred Dittenhofe­r ?? Dr. Ansgar Reiß (rechts), Direktor des Armeemuseu­ms in Ingolstadt, begrüßte Oberst Dr. Sven Lange aus dem Verteidigu­ngsministe­rium, der in Ingolstadt über den neuen Traditions­erlass der Bundeswehr referierte.
Foto: Manfred Dittenhofe­r Dr. Ansgar Reiß (rechts), Direktor des Armeemuseu­ms in Ingolstadt, begrüßte Oberst Dr. Sven Lange aus dem Verteidigu­ngsministe­rium, der in Ingolstadt über den neuen Traditions­erlass der Bundeswehr referierte.

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