Seehofer bietet Rücktritt an
Innenminister kritisiert Merkels Ergebnisse auf EU-Flüchtlingsgipfel und will alle Ämter abgeben. Parteifreunde wollen ihn umstimmen. CDU und CSU ringen um Zukunft der Union
München/Berlin Der Asylstreit der Union erlebt eine weitere Eskalation: Horst Seehofer hat seinen Rücktritt angeboten – als CSU-Vorsitzender wie auch als Bundesinnenminister. Dies verlautete Sonntagnacht kurz vor 23 Uhr aus der Sitzung des CSU-Vorstands. Es sei, wie es hieß, ein Rücktritt ohne Bedingungen. Wenige Minuten später wurde die Sitzung unterbrochen. Ob es Seehofers letztes Wort ist und ob Vorstandsmitglieder noch versuchen werden, ihn von seinem Schritt abzuhalten, war zu diesem Zeitpunkt unklar.
Acht Stunden hatte die Krisensitzung schon gedauert. Bis zuletzt sah es so aus, als wolle die CSU in der Flüchtlingspolitik ihren Konfrontationskurs gegen die CDU und ihre Vorsitzende, Bundeskanzlerin Angela Merkel, fortsetzen. Nur ganz wenige Vorstandsmitglieder hatten in der Sitzung vor einem CrashKurs und einem möglichen Bruch Koalition gewarnt und Kompromisse mit der CDU gefordert. Zu ihnen gehörten Ex-CSU-Chef Erwin Huber, Bundesentwicklungsminister Gerd Müller und der Chef der konservativen EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, Manfred Weber. Die Mehrheit der CSUGranden aber habe Seehofer ihre Unterstützung versichert. Umso mehr überraschte Seehofers Erklärung, die er sich bis zum Schluss der Sitzung aufgehoben hatte. Wie es hieß, habe Seehofer keinen Ausweg aus dem politischen Dilemma gesehen. „Es geht hier auch um die Glaubwürdigkeit eines Vorsitzenden“, sagte der CSU-Chef laut Teilnehmern. Unmittelbar danach wurde die Sitzung unterbrochen.
Von Alexander Dobrindt, dem Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, hieß es, er wolle Seehofer noch umstimmen. Dobrindt habe einen Rücktritt Seehofers von allen Ämtern abgelehnt. Dies sei, so Dobrindt, „nicht zu akzeptieren“. Aus Teilnehmerkreisen gab es unterschiedliche Signale: Zum einen hieß es, man wolle Seehofer noch mal umstimmen und dass Seehofers Angebot nur taktischer Natur sein könnte. Andererseits hieß es jedoch, dass bereits in der Nacht über eine mögliche Nachfolge diskutiert werden solle.
Zuvor verschärfte Seehofer den Streit mit der CDU nochmals. Er kritisierte laut Teilnehmerangaben Merkels Verhandlungsergebnisse als unzureichend, teils sogar schädlich. Die EU-Beschlüsse seien „nicht wirkungsgleich“mit den von der CSU verlangten Kontrollen und Zurückweisungen an der Grenze, betonte Seehofer, wie unsere Zeitung aus Teilnehmerkreisen erfuhr.
Die CSU-Spitze kämpfte bis tief in die Nacht stundenlang um den Fortbestand der Union aus CDU und CSU. Ministerpräsident Markus Söder soll dabei gesagt haben, er könne sich „einen Kompromiss vorder stellen, aber keine Kapitulation“. Söder äußerte sich dabei laut Teilnehmern sehr skeptisch über Beschlüsse des EU-Gipfels. Diese seien sehr vage, vieles werde nur für die Zukunft geregelt. Er kritisierte unter anderem, dass es Widerspruch aus mehreren Ländern gebe, die laut einem Papier der Kanzlerin zufolge auf politischer Ebene zugesagt hätten, Rückführungsabkommen mit Deutschland abzuschließen.
Das CDU-Präsidium stärkte zuvor der Kanzlerin den Rücken: „Einseitige Zurückweisungen wären unserer Ansicht nach das falsche Signal an unsere europäischen Gesprächspartner“, sagte CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer, ohne auf die Nachricht vom angekündigten Rückzug Seehofers einzugehen. „Die Parteigremien stehen in dieser Frage voll hinter Angela Merkel“, betonte auch EU-Kommissar Günther Oettinger.
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CDU Spitze stellt sich hinter Kanzlerin Merkel