Abschiede – leichte und schwere
Auch der um Objektivität bemühte Sportjournalist verabschiedet sich nicht von jeder Mannschaft mit demselben Gefühl. Es gibt Abschiede, die zerreißen einem das Herz. Andere ziehen kühl vorbei. Die Frage, wie es sich anfühlt, als Vertreter einer grandios gescheiterten Nation Emotionen für andere zu entwickeln, ist den Deutschen in 88 Jahren WM-Geschichte nie vergönnt gewesen. Jetzt haben wir die historische Chance. Ergreifen wir sie mit Gefühl. Besonders geschmerzt haben muss jeden das Ende Nigerias. Die Hoffnung all jener, eine Mannschaft des schwarzen Kontinents würde endlich die europäischen und südamerikanischen Branchenriesen aufmischen, ist im letzten Gruppenspiel zerbröselt. Unser tränenreiches Andenken gilt auch dem Senegal.
Wie die Nigerianer sind es kraftvolle Burschen, die katzenhaft den Ball umgarnen, Taktik, Spieldisziplin und Strategie aber für vernachlässigbare Übel halten. Am Ende sind sie an Kolumbien gescheitert. Für neutrale Beobachter ein kleiner Trost. Beschert er Fußball-Ästheten doch noch einen Besichtigungstermin für den aktuell großartigen James Rodriguez. Leichten Herzens verabschieden wir uns dagegen von Argentinien. Der K. o. des Vize-Weltmeisters lindert den Frust über das eigene Desaster. Darüber hinaus erspart er uns zukünftig den peinigenden Anblick göttlichen Verfalls. Diego Maradona, einer der wenigen Menschen, die den Ball wie einen dressierten Hamster um ihren Körper laufen lassen konnten, entwickelt sich gerade vor den Augen der Welt ins Vorschulalter zurück. In Cristiano Ronaldo bleibt uns zukünftig ein anderer genauso genialer wie selbstgefälliger Spieler erspart. Damit sind fürs Erste diverse Weichteile des portugiesischen Egomanen geschützt, die er in Vorbereitung eines Freistoßes gerne mit den Hosenbeinen in Richtung Bauchnabel hochgezogen hat.
Anderen hätten wir noch einige Runden mehr gegönnt. Den Isländer beispielsweise, die ein Vorbild für alle sind, die es in kleiner Zahl mit wenig Talent und in rauem Klima im Leben weit bringen wollen. Auch die Australier hätten wir gerne noch länger gesehen. Obwohl sie zu vielen Dingen geboren sind, aber nicht zum Fußball, spielen sie mit großer Hingabe. Australier verlieren nie ganz. Panamesen dagegen schon. War noch schlechter als die Deutschen.
Dafür haben sie ihre Null-Punkte Heimkehrer wie Weltmeister gefeiert. Weil Fußball-Fans weit über den Tellerrand hinausschauen, hat uns Irans Ausscheiden am härtesten getroffen. Ob sie es wollten oder nicht – die Iraner haben für ihre Frauen zu Hause gespielt, die erstmals wieder in einem Stadion Fußball schauen durften. Wer weiß, was ein Achtelfinaleinzug der hingebungsvoll kämpfenden Männer aus dem Land gemacht hätte.