CSU Basis steht hinter Horst Seehofer
Während Parteifreunde es schätzen, dass Seehofer das Thema angeschoben hat, sieht ein anderer nur Verlierer
Neuburg/Ingolstadt In letzter Minute haben sich Kanzlerin Angela Merkel und Bundesinnenminister Horst Seehofer am Montagabend auf einen Kompromiss im Asylstreit einigen können. Demnach sollen in Transitzentren an der deutsch-österreichischen Grenze Menschen auf der Flucht zunächst untergebracht und dann dorthin zurückgewiesen werden, wo sie erstmals europäischen Boden betreten haben und registriert wurden. Der Einigung der Schwesterparteien ging ein erbittert geführter Streit zwischen Merkel und Seehofer voraus. Wir haben uns an der Parteibasis umgehört, wie dieser Machtkampf vor Ort beurteilt wird.
Matthias Enghuber: Der Neuburger Ortsvorsitzende und Landtagskandidat der CSU, Matthias Enghuber, sagt, dass beide, Merkel und Seehofer, recht haben. Die Kanzlerin mit der Aussage, dass das Flüchtlingsproblem nur europaweit, „ich würde sogar sagen, weltweit“, gelöst werden kann. Der Innenminister, weil er nach immer wieder gescheiterten Gipfelgesprächen, bei denen andere europäische Staaten keinerlei Interesse an einer gemeinsamen Lösung gezeigt hätten, den Druck von Deutschland aus erhöht hat. Jetzt sei hoffentlich der Weg gefunden, der auch die EU dazu bewegt, dem Thema oberste Priorität einzuräumen. Denn das Asylthema beschäftigt die Menschen wie kein anderes, weiß Enghuber aus den Gesprächen mit den Bürgern. Und Bayern sei nun einmal anders davon betroffen als die meisten anderen Regionen in Deutschland. Deshalb glaubt er auch nicht, dass sich der Konflikt negativ für die CSU im Freistaat auswirken wird. Streit auf Dauer sei zwar nie gut, weil die Menschen sehen wollen, dass die Politiker lösungsorientiert arbeiten. Aber nachdem man drei Jahre lang nicht den Eindruck gewinnen konnte, dass es in dieser Sache gemeinsam vorwärtsgeht, sei die konsequente Reaktion Seehofers das richtige Signal gewesen. „Ich habe Respekt, dass er den Druck ausgehalten hat. Im Ergebnis bringt’s uns alle nach vorne“, sagt Enghuber.
Rüdiger Vogt: CSU-Mitglied und 2. Bürgermeister der Stadt Neuburg, Rüdiger Vogt, ist gespalten, wie er die vergangenen 14 Tage einordnen soll. Einerseits findet er es richtig, dass Seehofer sich nicht alles bieten lässt, andererseits wäre es wohl ein zu hoher Preis gewesen, wenn aufgrund des Asylstreits die Regierung geplatzt wäre. Offen ist für ihn, wie sich die Auseinandersetzung auf die Landtagswahl in Bayern auswirkt. Für den Landtagskandidaten, der wohl eher als Persönlichkeit beurteilt wird, spielt sie wohl eher keine Rolle, aber möglicherweise, wenn es um das Kreuz für eine Partei geht. Vogt meint auch, dass der Machtkampf Merkel contra Seehofer der wachsenden Politikverdrossenheit im Volk weitere Nahrung gegeben und möglicherweise gar der AfD in die Hände gespielt hat. Trotz der harten Auseinandersetzung spricht für Vogt nichts gegen eine weitere, sachliche Zusammenarbeit von Kanzlerin und Innenminister.
Werner Widuckel: In diesem Streit, sagt der SPD-Kreisvorsitzende, gibt es nur Verlierer. Das ist nicht mal ein Burgfrieden. Was Merkel und Seehofer zusammen hält, sind Zwänge des Machterhalts. Mir ist überhaupt nicht klar, wie diese Bundesregierung weiter arbeiten will. Es gibt viele Fragen zu den Transitzentren. Man hat ein Konstrukt gewählt, wo man nicht einreist, auch wenn man schon im Land ist. Es darf aber andererseits nicht so sein, dass niemand mehr einen Asylantrag stellen kann. Das ist mit Artikel 16 des Grundgesetzes kaum vereinbar. Zudem werden jetzt die Österreicher nervös, weil sie sich fragen, was passiert, wenn Deutschland alle zurückweist? Armin Laschet ( Anm. d. Red.: Ministerpräsident Nordrhein-Westfalen) hat gesagt, Transitzentren an der Grenze zu Belgien und den Niederlanden wird es nicht geben. Wir, die SPD, haben uns gegen Transitzentren ausgesprochen, weil das dazu führt, dass niemand mehr einen Asylantrag in Deutschland stellen kann. Und nun sollen wir einer Idee zustimmen, die die SPD 2015 mit großer Geste abgelehnt hat. Die Transitzentren werden einfach auf den Tisch geknallt von den sogenannten Koalitionspartnern, die der SPD nur die Wahl lassen, alles zu schlucken oder die Regierung platzen zu lassen. Vollkommen unglaubwürdig ist für mich, dass Horst Seehofer glaubt, weiter Innenminister bleiben zu können, bei dem, was er über Merkel gesagt hat. Er zeigt mit jeder Pore, dass er der Kanzlerin die Führung der Bundesregierung nicht zutraut. Ich frage mich, was verstehen manche dieser Akteure unter politischer Verantwortung? Ich hatte hochgradige Achtung vor Herrn Seehofer 2003, als er nach Differenzen mit Frau Merkel den stellvertretenden Unionsfraktionsvorsitz aufgegeben hat. Da hat ein Sozialpolitiker gehandelt. Jetzt scheint es mir viel mehr um persönliche Eitelkeiten zu gehen. Das erklärt auch, warum er eine Volte nach der anderen schlägt. Die Laufzeit der Regierung hängt sehr davon ab, wie sich die handelnden Personen weiter verhalten.
Alfred Lengler: Der CSU-Kreisvorsitzende und Bürgermeister Gachenbachs sagt, dass es keine Sieger geben darf, sonst geht der Streit weiter. Es ist das Wesen der Politik, dass es Konflikte gibt und man nach Kompromissen suchen muss. So ist das in einer Demokratie. Wenn ich das nicht aushalte, muss ich nach Nordkorea gehen. In dem Punkteplan steht jetzt das drin, was man haben wollte. Alle beteiligten Politi- ker sind sich ihrer Verantwortung in letzter Sekunde bewusst geworden. Der kolportierte Rechtsruck in der CSU ist ein Blödsinn. Ich hab’ nirgends mehr hingehen können, ohne dass die Leute mich wegen des Themas Asyl angesprochen haben. Es ist allgegenwärtig und man musste das jetzt wegräumen. Der Druck aus der Bevölkerung war so immens groß, dass es geregelt werden musste. Es ist Horst Seehofer zu verdanken, dass das diskutiert worden ist. Er hat das schon 2015 gesagt und jetzt hat er die Faxen dick gehabt. Stellen Sie sich vor, er kommt als Innenminister nach Berlin und das Erste, was auf ihn wartet, ist der Mist mit dem BAMF. Er kam da hin und musste abräumen, was andere ihm eingebrockt hatten. Und das hat er gemacht, so wie jetzt. So tickt er, ich kenne ihn. Ich glaube nicht, dass die Auseinadersetzung das Verhältnis zur Kanzlerin beschädigt hat. Im politischen Geschäft darf nichts Persönliches hängen bleiben. Das sind Profis genug, dass sie das verarbeiten. Die Regierung bleibt bis 2021. Davon war ich schon überzeugt, als sie zusammengekommen sind.
Stefan Kumpf: Als Bürgermeister muss ich generell sagen, dass das Asylthema mein Leben und das meiner Bürger in Karlskron nicht verschlechtert hat. Daher ist die Vereinbarung, die jetzt getroffen wurde, für mich nicht die entscheidendste. Wenngleich es mich freut, dass ein Bemühen um eine europäische Lösung Fahrt aufgenommen hat – das ist gerade mit Blick auf die Zukunft wichtig. Die harte Linie, die Seehofer gefahren hat, empfinde ich als absolut richtig. Das konnte nur einer machen, der nichts mehr zu verlieren hat und nicht ständig auf seine Karriere schielen muss. Letztlich ist es auch erst dadurch zu einer Bewegung innerhalb der Bundesregierung gekommen. Darum bin ich der Meinung, dass dieses Vorgehen der CSU nicht im Geringsten schadet.
Michael Braßler: Horst Seehofer hat Wind in die Asyldebatte gebracht, findet Ehekirchens Ortsvorsitzender. Erst auf Druck der CSU ist eine europaweite Einigung erzielt worden. Und das ist das einzig Richtige – denn es kann in dieser Frage keine deutsche oder gar bayerische Lösung geben. Wenn es auf dem Weg dahin einen Dominoeffekt quer durch Europa braucht, dann ist das so – besser als der Stillstand in den vergangenen drei Jahren, da ist nämlich gar nichts passiert. Dem Ansehen der CSU hat des Vorgehen Seehofers meiner Einschätzung nach nicht geschadet. Ob es was bringt, wird sich jedoch erst bei der Landtagswahl zeigen. Das Ziel muss sein, zu gewinnen. Alles jenseits von 40 Prozent ist gut, alles jenseits von 45 Prozent wäre sensationell. Die AfD mit ihren zehn plus x Prozent dagegen hat meiner Einschätzung zufolge keine stimmige Lösung für die Asyldebatte parat. Und die, die sie hat, mag ich mir erst gar nicht ausmalen.