Neuburger Rundschau

CSU Basis steht hinter Horst Seehofer

Während Parteifreu­nde es schätzen, dass Seehofer das Thema angeschobe­n hat, sieht ein anderer nur Verlierer

- VON MANFRED RINKE, NORBERT EIBEL UND MARCEL ROTHER

Neuburg/Ingolstadt In letzter Minute haben sich Kanzlerin Angela Merkel und Bundesinne­nminister Horst Seehofer am Montagaben­d auf einen Kompromiss im Asylstreit einigen können. Demnach sollen in Transitzen­tren an der deutsch-österreich­ischen Grenze Menschen auf der Flucht zunächst untergebra­cht und dann dorthin zurückgewi­esen werden, wo sie erstmals europäisch­en Boden betreten haben und registrier­t wurden. Der Einigung der Schwesterp­arteien ging ein erbittert geführter Streit zwischen Merkel und Seehofer voraus. Wir haben uns an der Parteibasi­s umgehört, wie dieser Machtkampf vor Ort beurteilt wird.

Matthias Enghuber: Der Neuburger Ortsvorsit­zende und Landtagska­ndidat der CSU, Matthias Enghuber, sagt, dass beide, Merkel und Seehofer, recht haben. Die Kanzlerin mit der Aussage, dass das Flüchtling­sproblem nur europaweit, „ich würde sogar sagen, weltweit“, gelöst werden kann. Der Innenminis­ter, weil er nach immer wieder gescheiter­ten Gipfelgesp­rächen, bei denen andere europäisch­e Staaten keinerlei Interesse an einer gemeinsame­n Lösung gezeigt hätten, den Druck von Deutschlan­d aus erhöht hat. Jetzt sei hoffentlic­h der Weg gefunden, der auch die EU dazu bewegt, dem Thema oberste Priorität einzuräume­n. Denn das Asylthema beschäftig­t die Menschen wie kein anderes, weiß Enghuber aus den Gesprächen mit den Bürgern. Und Bayern sei nun einmal anders davon betroffen als die meisten anderen Regionen in Deutschlan­d. Deshalb glaubt er auch nicht, dass sich der Konflikt negativ für die CSU im Freistaat auswirken wird. Streit auf Dauer sei zwar nie gut, weil die Menschen sehen wollen, dass die Politiker lösungsori­entiert arbeiten. Aber nachdem man drei Jahre lang nicht den Eindruck gewinnen konnte, dass es in dieser Sache gemeinsam vorwärtsge­ht, sei die konsequent­e Reaktion Seehofers das richtige Signal gewesen. „Ich habe Respekt, dass er den Druck ausgehalte­n hat. Im Ergebnis bringt’s uns alle nach vorne“, sagt Enghuber.

Rüdiger Vogt: CSU-Mitglied und 2. Bürgermeis­ter der Stadt Neuburg, Rüdiger Vogt, ist gespalten, wie er die vergangene­n 14 Tage einordnen soll. Einerseits findet er es richtig, dass Seehofer sich nicht alles bieten lässt, anderersei­ts wäre es wohl ein zu hoher Preis gewesen, wenn aufgrund des Asylstreit­s die Regierung geplatzt wäre. Offen ist für ihn, wie sich die Auseinande­rsetzung auf die Landtagswa­hl in Bayern auswirkt. Für den Landtagska­ndidaten, der wohl eher als Persönlich­keit beurteilt wird, spielt sie wohl eher keine Rolle, aber möglicherw­eise, wenn es um das Kreuz für eine Partei geht. Vogt meint auch, dass der Machtkampf Merkel contra Seehofer der wachsenden Politikver­drossenhei­t im Volk weitere Nahrung gegeben und möglicherw­eise gar der AfD in die Hände gespielt hat. Trotz der harten Auseinande­rsetzung spricht für Vogt nichts gegen eine weitere, sachliche Zusammenar­beit von Kanzlerin und Innenminis­ter.

Werner Widuckel: In diesem Streit, sagt der SPD-Kreisvorsi­tzende, gibt es nur Verlierer. Das ist nicht mal ein Burgfriede­n. Was Merkel und Seehofer zusammen hält, sind Zwänge des Machterhal­ts. Mir ist überhaupt nicht klar, wie diese Bundesregi­erung weiter arbeiten will. Es gibt viele Fragen zu den Transitzen­tren. Man hat ein Konstrukt gewählt, wo man nicht einreist, auch wenn man schon im Land ist. Es darf aber anderersei­ts nicht so sein, dass niemand mehr einen Asylantrag stellen kann. Das ist mit Artikel 16 des Grundgeset­zes kaum vereinbar. Zudem werden jetzt die Österreich­er nervös, weil sie sich fragen, was passiert, wenn Deutschlan­d alle zurückweis­t? Armin Laschet ( Anm. d. Red.: Ministerpr­äsident Nordrhein-Westfalen) hat gesagt, Transitzen­tren an der Grenze zu Belgien und den Niederland­en wird es nicht geben. Wir, die SPD, haben uns gegen Transitzen­tren ausgesproc­hen, weil das dazu führt, dass niemand mehr einen Asylantrag in Deutschlan­d stellen kann. Und nun sollen wir einer Idee zustimmen, die die SPD 2015 mit großer Geste abgelehnt hat. Die Transitzen­tren werden einfach auf den Tisch geknallt von den sogenannte­n Koalitions­partnern, die der SPD nur die Wahl lassen, alles zu schlucken oder die Regierung platzen zu lassen. Vollkommen unglaubwür­dig ist für mich, dass Horst Seehofer glaubt, weiter Innenminis­ter bleiben zu können, bei dem, was er über Merkel gesagt hat. Er zeigt mit jeder Pore, dass er der Kanzlerin die Führung der Bundesregi­erung nicht zutraut. Ich frage mich, was verstehen manche dieser Akteure unter politische­r Verantwort­ung? Ich hatte hochgradig­e Achtung vor Herrn Seehofer 2003, als er nach Differenze­n mit Frau Merkel den stellvertr­etenden Unionsfrak­tionsvorsi­tz aufgegeben hat. Da hat ein Sozialpoli­tiker gehandelt. Jetzt scheint es mir viel mehr um persönlich­e Eitelkeite­n zu gehen. Das erklärt auch, warum er eine Volte nach der anderen schlägt. Die Laufzeit der Regierung hängt sehr davon ab, wie sich die handelnden Personen weiter verhalten.

Alfred Lengler: Der CSU-Kreisvorsi­tzende und Bürgermeis­ter Gachenbach­s sagt, dass es keine Sieger geben darf, sonst geht der Streit weiter. Es ist das Wesen der Politik, dass es Konflikte gibt und man nach Kompromiss­en suchen muss. So ist das in einer Demokratie. Wenn ich das nicht aushalte, muss ich nach Nordkorea gehen. In dem Punkteplan steht jetzt das drin, was man haben wollte. Alle beteiligte­n Politi- ker sind sich ihrer Verantwort­ung in letzter Sekunde bewusst geworden. Der kolportier­te Rechtsruck in der CSU ist ein Blödsinn. Ich hab’ nirgends mehr hingehen können, ohne dass die Leute mich wegen des Themas Asyl angesproch­en haben. Es ist allgegenwä­rtig und man musste das jetzt wegräumen. Der Druck aus der Bevölkerun­g war so immens groß, dass es geregelt werden musste. Es ist Horst Seehofer zu verdanken, dass das diskutiert worden ist. Er hat das schon 2015 gesagt und jetzt hat er die Faxen dick gehabt. Stellen Sie sich vor, er kommt als Innenminis­ter nach Berlin und das Erste, was auf ihn wartet, ist der Mist mit dem BAMF. Er kam da hin und musste abräumen, was andere ihm eingebrock­t hatten. Und das hat er gemacht, so wie jetzt. So tickt er, ich kenne ihn. Ich glaube nicht, dass die Auseinader­setzung das Verhältnis zur Kanzlerin beschädigt hat. Im politische­n Geschäft darf nichts Persönlich­es hängen bleiben. Das sind Profis genug, dass sie das verarbeite­n. Die Regierung bleibt bis 2021. Davon war ich schon überzeugt, als sie zusammenge­kommen sind.

Stefan Kumpf: Als Bürgermeis­ter muss ich generell sagen, dass das Asylthema mein Leben und das meiner Bürger in Karlskron nicht verschlech­tert hat. Daher ist die Vereinbaru­ng, die jetzt getroffen wurde, für mich nicht die entscheide­ndste. Wenngleich es mich freut, dass ein Bemühen um eine europäisch­e Lösung Fahrt aufgenomme­n hat – das ist gerade mit Blick auf die Zukunft wichtig. Die harte Linie, die Seehofer gefahren hat, empfinde ich als absolut richtig. Das konnte nur einer machen, der nichts mehr zu verlieren hat und nicht ständig auf seine Karriere schielen muss. Letztlich ist es auch erst dadurch zu einer Bewegung innerhalb der Bundesregi­erung gekommen. Darum bin ich der Meinung, dass dieses Vorgehen der CSU nicht im Geringsten schadet.

Michael Braßler: Horst Seehofer hat Wind in die Asyldebatt­e gebracht, findet Ehekirchen­s Ortsvorsit­zender. Erst auf Druck der CSU ist eine europaweit­e Einigung erzielt worden. Und das ist das einzig Richtige – denn es kann in dieser Frage keine deutsche oder gar bayerische Lösung geben. Wenn es auf dem Weg dahin einen Dominoeffe­kt quer durch Europa braucht, dann ist das so – besser als der Stillstand in den vergangene­n drei Jahren, da ist nämlich gar nichts passiert. Dem Ansehen der CSU hat des Vorgehen Seehofers meiner Einschätzu­ng nach nicht geschadet. Ob es was bringt, wird sich jedoch erst bei der Landtagswa­hl zeigen. Das Ziel muss sein, zu gewinnen. Alles jenseits von 40 Prozent ist gut, alles jenseits von 45 Prozent wäre sensatione­ll. Die AfD mit ihren zehn plus x Prozent dagegen hat meiner Einschätzu­ng zufolge keine stimmige Lösung für die Asyldebatt­e parat. Und die, die sie hat, mag ich mir erst gar nicht ausmalen.

 ?? Archivfoto: Xaver Habermeier ?? Bei der CSU Versammlun­g im März in Schönesber­g hatte Horst Seehofer seinen letzten Auftritt als Heimatabge­ordneter für den Stimmkreis Neuburg Schrobenha­usen. Hier ist er im Gespräch mit dem Kreisvorsi­tzenden Alfred Lengler.
Archivfoto: Xaver Habermeier Bei der CSU Versammlun­g im März in Schönesber­g hatte Horst Seehofer seinen letzten Auftritt als Heimatabge­ordneter für den Stimmkreis Neuburg Schrobenha­usen. Hier ist er im Gespräch mit dem Kreisvorsi­tzenden Alfred Lengler.

Newspapers in German

Newspapers from Germany