Kulinarisches Lob für die Kantine
Im Betriebsrestaurant der Neuburger Maschinenringe arbeiten Spitzenköche mit Integra-Klienten zusammen. Nun hat die Großküche eine Art „Michelin-Stern“bekommen
Neuburg Leidet ein Mensch dauerhaft an einer psychischen Erkrankung, bringt das nicht nur endlose Schleifen an Therapien mit sich. Sondern auch Isolation, Abkapselung und Vereinsamung. Diesen Menschen wieder auf die Beine zu helfen, das hat sich Integra zur Aufgabe gemacht. Ein Kooperationsprojekt, das der Sozialdienstleister zusammen mit den Neuburger Maschinenringen (MR) forciert, hat nun eine ganz besondere Auszeichnung erhalten: Das Betriebsrestaurant der MR führt seit dieser Woche drei von insgesamt fünf goldenen Kesseln – ein kulinarisches Lob, das in etwa mit Michelin-Sternen für Großküchen vergleichbar ist.
Susanne Hartl ist Hauswirtschaftsleiterin des MR-Restaurants, sie kümmert sich um die Ausbildung und die Auswahl der Küchenkräfte vor Ort. Wie sie erklärt, sind es derzeit sechs Klienten der Integra, die mit dem Hintergrund einer Sucht oder einer psychischen Erkrankung in der gemeinschaftlichen Projektküche arbeiten und sich so einen Zuverdienst sichern. Neben zwei Küchenmeistern, einem Hauswirtschaftsbetriebsleiter und zwei weiteren Küchenhilfen unterstützen sie täglich bei der Zubereitung von gut 120 Essen. Dabei habe jeder spezielle Arbeitsfelder. Eine Dame, erläu- tert Hartl, sei beispielsweise für die Ausgabe der Speisen verantwortlich, ein Herr für das Salatbuffet, ein anderer erledige den Spüldienst. Gerade diese Schwerpunkte seien es, die den Menschen Sicherheit und Halt geben, betont die Hauswirtschaftsleiterin. „Sie wissen, was sie zu tun haben, wenn sie morgens hereinkommen.“Oberstes Ziel sei es schließlich, den Betroffenen eine Tagesstruktur, Routine, eine Aufgabe zu geben. „In der Küche werden sie gebraucht und wertgeschätzt. Das motiviert sie“, sagt sie und nickt bekräftigend mit dem Kopf. Bemerkenswert dabei: Seit Projektbeginn im September 2016 ist keiner der Klienten in irgendeiner Weise rückfällig geworden.
Hierzu zählt auch Alexander Rose. Seit September vergangenen Jahres unterstützt er die Küche hier im Neuburger Westen. Die Arbeit helfe ihm im Alltag, sagt der Mann mit einer Aufmerksamkeitsdefizitund Hyperaktivitätsstörung, kurz ADHS. „Mit ADHS kann man sich schwieriger konzentrieren als vielleicht der Otto-Normalverbraucher“, räumt er ein. Doch gebe ihm das Projekt ein Gefühl von Dazugehörigkeit und Verantwortung. Gleichzeitig, sagt er, fördere es Selbstbestätigungsprozesse und Teamfähigkeit. „Wir geben uns viel Mühe, arbeiten schnell und reinlich. Es liegt allen sehr viel daran.“
Bis zu 15 Stunden in der Woche arbeiten Klienten im MR-Restaurant. „Mehr trägt der Bezirk Schwaben als Kostenträger nicht“, erklärt Integra-Geschäftsführerin Marianne Schlamp. Ohnehin sei Finanzielles in diesem Zusammenhang eher zweitrangig zu beurteilen. Vielmehr, sagt Schlamp, komme es auf die soziale Bedeutung des Projekts an: „Es ist gelebte Inklusion“, sagt die Integra-Geschäftsführerin über das Restaurant-Konzept. „Wenn unsere Mitarbeiter morgens durch die Tür der Maschinenringe hereinkommen, dann weiß niemand, ob sie tatsächlich Klient, Geschäftsmann oder doch der Küchenchef sind.“
In Anbetracht dessen scheint die Zertifizierung der Kantine mit drei goldenen Kesseln umso wichtiger für das Team. „Es ist wirklich etwas Besonderes“, sagt Hartl als Hauswirtschaftsleiterin. Zwar höre man täglich, das Essen sei gut. Durch die Auszeichnung habe man Qualität und Wirtschaftlichkeit des Konzepts allerdings bestätigt bekommen. „Wir wissen, wo wir stehen. Das Projekt geht auf.“
Hinter der Auszeichnung steckt das Dienstleistungsunternehmen MyKessel, das auf Basis eines Vergleichsmaßstabs die Beurteilung von Großküchen ermöglicht. Rolf Maninger ist dort Qualitätsmanager. Der 69-Jährige ist es auch, der die Kantine der MR vor rund drei Mo- naten besucht hat. „Wie die Gastronomie den Michelin-Stern hat, haben Großküchen den goldenen Kessel“, erklärt er sein System. Verteilt werden könnten bis zu fünf goldene Kessel, wobei die Höchstzahl nur schwer zu erreichen sei. Weiter sagt er, dass ihm die MR-Küche positiv aufgefallen sei. „Es gibt gute Teamarbeit, der Umgangston ist normal.“Weder Dachboden noch Keller hätten böse Überraschungen in Form von Fertigprodukten offenbart. Vielfalt, Speisekarte und ein regionales Angebot hätten sich ebenfalls gut auf die Bewertung ausgewirkt. „Der vierte Punkt ist nicht mehr weit weg“, lässt er hoffen.
Auch Köche der MR-Kantine, wie Jürgen Wittmann, freuen sich über den Erfolg. Freilich, sagt er, gestalte sich die Arbeit mit Klienten etwas anders als in normalen Küchen. „Wir müssen Arbeit verteilen, anleiten und zum Teil auch überwachen.“Der Vorteil aber: „Wir haben viele Hände.“Und eine gute Gemeinschaft. Kollege Max Sparhuber glaubt, dass es ohne die Klienten überhaupt keine Auszeichnung, ja gar keine Kantine geben würde. Man nehme sich diese Auszeichnung als Ansporn, um besser zu werden, vielleicht andere Geschäftsfelder auszubauen und am Ende die beste Kantine Deutschlands zu werden. „Das ist nicht unrealistisch“, sagt Wittmann.