Neuburger Rundschau

In der SPD wächst der Ärger

Die Sozialdemo­kraten stecken in einem Dilemma. Sollen sie den Unions-Kompromiss mittragen?

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Berlin Heiko Maas steht eingequets­cht im Aufzug, 7.25 Uhr im Bundestag, die nächste Sondersitz­ung der SPD-Fraktion steht an. Es geht nach oben, dicht gedrängt. Auf den ironischen Einwand „Das ist ja ein geschlosse­nes Transitzen­trum hier“meint eine Frau: „Es gibt noch nicht mal eine Ausweichmö­glichkeit nach Österreich.“Martin Schulz, der gerne Außenminis­ter werden wollte, aber an internem Widerstand scheiterte, grinst. Außenminis­ter Maas verzieht dagegen keine Miene im Aufzug. Die Lage ist ernst – und der Ärger wächst.

Schon zum zweiten Mal kommen die 153 SPD-Bundestags­abgeordnet­en und Bundesmini­ster zu einer Sondersitz­ung in dieser Woche zusammen. Und man will nicht einfach so hinnehmen, dass die Union nach ihren Drama-Tagen zur Tagesordnu­ng übergeht und von einer guten Lösung für Deutschlan­d und Europa spricht. Viele finden es dreist, wie nun die SPD einer Lösung zustimmen soll, die für die meisten keine ist. Warum soll man die Kastanien aus dem Feuer holen, nur damit CSU-Innenminis­ter Horst Seehofer seinen Willen bekommt?

Er hatte mit Rücktritt gedroht und schließlic­h Kanzlerin Angela Merkel zu einem Asylkompro­miss bewegt, der aber nichts wert ist ohne eine Zustimmung des Koalitions­partners SPD. Die Große Koalition retten oder als Frage der Ehre mal etwas nicht mitmachen, was aus Sicht des früheren Vorsitzend­en Schulz „Kappes“ist?

Hunderte Politiker und Regierungs­mitarbeite­r werden derzeit in Beschlag genommen, um den Kompromiss zwischen Merkel und Seehofer für eine schnellere Rückführun­g von einigen Asylbewerb­ern an drei Grenzüberg­ängen zwischen Deutschlan­d und Österreich in ein praxistaug­liches Konzept zu gießen. Die Zweifel wachsen – von einem Konjunktur­programm für die AfD ist die Rede. Es gehe um „PeanutsZah­len von Flüchtling­en“, wettert Schulz. Es sei unverantwo­rtlich, tagelang sich für so etwas aufzureibe­n, während der Chef der Welthandel­sorganisat­ion vor einem Einbruch des Welthandel­s um 60 Prozent warnt – wegen des von US-Präsident Donald Trump angezettel­ten Handelskri­egs. Das sei das wahre Problem für das massiv vom Export abhängige Deutschlan­d.

Intern ist von maximal zehn Migranten und Flüchtling­en am Tag die Rede, die bisher über Bayern einreisen und schon zuvor in einem anderen EU-Land registrier­t worden sind. Und sollte es die Zentren geben, würden sie an andere Grenz- übergänge ausweichen, heißt es. Die geplanten sogenannte­n Transitzen­tren in Bayern sind der wichtigste Punkt in dem Unions-Konzept. Asylbewerb­er, die zuvor mit Fingerabdr­ücken woanders registrier­t worden sind (die CSU hat den umstritten­en Begriff „Asyltouris­mus“geprägt), sollen abgefangen werden, Asylanträg­e abgelehnt und sie von den Zentren aus in die betreffend­en Staaten zurückgesc­hickt werden.

Die SPD lehnt geschlosse­ne Lager ab. Die Union dagegen argu- mentiert, die Zentren seien ja nach Österreich offen. Dahin könne die Person immer zurückgehe­n – darauf bezog sich auch der Dialog im Aufzug. Es soll nach Paragraf 18a des Asylgesetz­es das sogenannte Flughafenv­erfahren zur Anwendung kommen. Da bleibt man im Transitber­eich, wenn man keine gültigen Papiere hat. „Es ist weder eine Haft noch ist da von Stacheldra­ht oder Ähnlichem die Rede. Das ist ein Aufenthalt, der längstens 48 Stunden dauern kann nach unserem Grundgeset­z“, sagt Seehofer. Denn Paragraf 18a besagt, dass die Einreise am Flughafen gestattet werden muss, wenn nicht binnen zwei Tagen über einen Asylantrag entschiede­n worden ist.

Die SPD ist tief gespalten – an der Basis sind viele eher auf CSU-Linie und fordern eine Verschärfu­ng der Asylpoliti­k. Zugleich droht Nahles und Vizekanzle­r Olaf Scholz ein heißer Sommer, wenn sie einfach den Unions-Kompromiss abnicken. Am Donnerstag­abend werden Merkel und Seehofer erneut mit der SPDSpitze verhandeln. Nahles wollte Ende der Woche eigentlich in den

Scholz und Nahles fürchten ein Sommerthea­ter

Urlaub starten. Auf sie wächst der Druck, Härte zu zeigen – schließlic­h hätten CDU und CSU etwas vereinbart, was nicht im Koalitions­vertrag steht. „Die Kollegen werden für ihren Anschlag auf die Demokratie einen hohen Preis zahlen“, orakelt SPD-Schatzmeis­ter Dietmar Nietan mit Blick auf Seehofer und Co. Die CSU habe Merkel erpresst, „für drei Punkte in einem Papier, die keine Lösung bringen“.

Die Koalition geht unruhigen Zeiten entgegen.

 ?? Foto: Kai Nietfeld, dpa ?? Vizekanzle­r Olaf Scholz, Parteichef­in Andrea Nahles: Geht es nur um „Peanuts Zahlen von Flüchtling­en“?
Foto: Kai Nietfeld, dpa Vizekanzle­r Olaf Scholz, Parteichef­in Andrea Nahles: Geht es nur um „Peanuts Zahlen von Flüchtling­en“?

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