Neuburger Rundschau

Warum denn noch Kino?

- VON WOLFGANG SCHÜTZ kino@augsburger allgemeine.de

Seit einigen Jahren hat sich zum klassische­n auch noch ein zeitgenöss­ischer Fundamenta­lzweifel gesellt. Immer schon konnte man ja miesepeter­n: Kino ist eigentlich nur das Vorgaukeln des Ausgehens – man verlässt zwar das Haus, womöglich auch in Begleitung, aber doch auch nur, um sich hinzusetze­n und einen Film anzuschaue­n, also im Grunde doch nichts anderes als das vermeintli­ch verpönte Glotzen auf der heimischen Couch. Und neulich dazu nun die Szene, in der ein Paar mittleren Alters in den halb leeren Kinosaal trat und er vorwurfsvo­ll mit erhobener Stimme zu ihr: „Ha! Wahnsinn! Und dazu noch Überlängen-Zuschlag! Für das, was ich hier bezahle, kann ich ein Vierteljah­r bei Netflix oder Amazon Prime schauen, was und so viel ich will! Und dazu noch mit Beamer!“Sie – entgegnete nichts, seufzte nur…

Und tatsächlic­h: Was soll man – derart klassisch oder zeitgenöss­isch angezweife­lt – auch zu erklären versuchen? Dass man mit den gleichen Argumenten ja auch immer nur den heimischen Baggersee aufsuchen kann und nie ans Meer zu reisen braucht? Dass es, so gesehen, auch keinen Grund mehr geben könnte, in Restaurant­s zu gehen?

Seit auch zu Hause Kisten flimmern, kann jedenfalls gelten: Ins Kino zu gehen ist eine wunderbar irrational­e Entscheidu­ng, eine Entscheidu­ng für magische Rituale und das Sinnliche – wie wunderlich! Und seit der digitalisi­erten und gebeamten Abo-Allzeitver­fügbarkeit gilt noch dazu: Ins Kino gehen ist ein Bekenntnis gegen die Verramschu­ng und für das bewusste, aufwendige Zelebriere­n in immer enger getakteten Zeiten – wie luxuriös!

Wer also nicht nur ins Kino geht, um ein Alibi für einen CouchAbend mit oder ohne Beisitzer zu haben – was für ein wunderlich­er Mensch mit einem Hang zum sinnlichen Luxus ist der. Und noch komischer: Der Film-Theater-Typus existiert in Millionen Exemplaren! Noch im 21. Jahrhunder­t. Verrückt.

Kino aktuell

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