Rolle rückwärts am Gymnasium
Im Neuburger Descartes bereitet man sich derzeit auf die Reform der Reform vor. Zum Schuljahresbeginn 2018/19 im September wird die Rückkehr zum G9 formell vollzogen
Neuburg Als Turbo-Abi wurde das vor 14 Jahren beinahe handstreichartig eingeführte achtjährige Gymnasium in Bayern verballhornt, die Kritik daran wurde im Laufe der Jahre immer lauter. Gegner gab es in Reihen der Eltern, aber auch der Lehrer. Nur die CSU verteidigte ihre Schulreform lange vehement, ehe man vergangenes Jahr die Rolle rückwärts zurück zum G9 schlug. Beifall gibt es dafür von allen Seiten. „Am Ende war es eine Abstimmung mit den Füßen“, spielt Peter Seyberth, Schulleiter am Descartes-Gymnasium, auf den enormen Zuspruch des Pilotprojekts Mittelstufe plus an, dem freiwilligen, neunten Wahlschuljahr – nicht nur in Neuburg.
Ab September werden künftig wieder alle neu übergetretenen Gymnasiasten an seiner Schule neun Jahre lang die Schulbank drücken ( Die Novelle bezeichnet der Oberstudiendirektor als „sinnvoll“. Zuletzt hätten sich drei Viertel der vor der Wahl stehenden Siebtklässler für die zusätzliche Klasse 9 puls entschieden. Und alle 47 Pilotschulen in Bayern hätten ähnliche Erfahrungen gemacht. „Die ursprüngliche Idee war nicht für die Mehrzahl der Schüler gedacht, es sollte zweigleisig laufen.“Dass es anders kam, sei zunehmend problematisch, weil personell nicht zu stemmen gewesen.
So sieht das auch die ElternbeiratsVorsitzende Franziska Hildebrandt. „Ich bin sehr froh, dass es so gekommen ist. Wir sind auch Mitglied im Landeselternbeirat, die Stimmung ist überall gleich.“Die Belastung im G8 sei für die Kinder relativ hoch, auch weil schon sehr früh der Nachmittagsunterricht einsetze. „Im G9 kann man wieder entspannter ins Gymnasium reinkommen. Ich hoffe deshalb, dass der Lehrplan angepasst und der Stoff auf neun Jahre ausweitet und nicht aufgebläht wird. Es wird also auch darauf ankommen, wie das am Ende ausgestaltet wird.“Zumindest was die Nachmittagsstunden angeht, könne man auf die Schulleitung zählen, sagt Peter Seyberth. „Wir haben den Eltern versprochen, dass es in der Unterstufe künftig keinen Nachmittagsunterricht mehr geben wird. Und das halten wir auch.“
Fakt ist auch, die Umstellung auf das G9 wird ab September fast unmerklich über die Bühne gehen. So gehört der aktuelle Fünftklassjahrgang schon zum neunstufigen Gymnasium, er wird sukzessive ins G9-System überführt. Ein erhöhter Bedarf an Lehrkräften und Unter- richtsräumen entsteht erst später, wenn es de facto 13 Klassen an der Schule gibt. Statt der aktuell knapp 80 Lehrkräfte werden dann 80 bis 90 Lehrer etwa 1100 Schüler unterrichten. „Dafür ist die Schule auch ausgelegt“, sagt der Schulleiter. Derzeit besuchen 935 Jugendliche das Descartes.
Bis es so weit ist, wird sich baulich einiges tun müssen am Seminarweg. Die Modernisierung des naturwissenschaftlichen Traktes hat der Landkreis als Träger längst beschlossen. Doch Sanierungsbedarf ist auch andernorts vorhanden. Derzeit werde eine Machbarkeitsstudie erstellt, verrät Peter Seyberth. Auf dem Prüfstand steht wegen des Brandschutzes der ganze Schulkomplex. Selbst ein kompletter Neubau auf der grünen Wiese sei deshalb nicht ausgeschlossen. Startschuss der Bautätigkeiten soll 2021 sein.
Momentan arbeitet die Schulleitung an den neuen Stundentafeln. Der überarbeitete Lehrplan bis zur Jahrgangsstufe 10 soll bis zum September stehen, so die Verlautbarung aus dem Kultusministerium in München. Eine Rückkehr zu den früheren Leistungskursen wird es aber wohl nicht geben, schätzt Peter Seyberth. Von der Unter- über die Mit- tel- bis zur Oberstufe gibt es künftig wieder je drei Jahrgänge mit Fixpunkten in den Jahrgangsstufen 6 (zweite Fremdsprache), 8 (Beginn Ausbildungsrichtungen, also mathematisch-naturwissenschaftlich oder neusprachlich), 10 (Mittlerer Abschluss), 11 (Einführungsphase mit digitaler und politischer Bildung, projektorientiertes Arbeiten, Studien- und Berufsorientierung) sowie 12 und 13 (Qualifikationsphase). Die sogenannten Intensivierungsstunden werden beibehalten, doch statt fünf fester und fünf flexibler wie im G8 gibt es künftig drei verpflichtende in der Unterstufe und sechs freiwillige Intensivierungen bis zur Elften. Dem G8 hinterhertrauern wird vermutlich kaum jemand, glaubt Peter Seyberth. „Die Reform damals hat sehr darunter gelitten, dass es eine sehr übereilte Entscheidung war.“Die Konstruktionsfehler seien immanent gewesen, „und dann hat man versucht, sie wieder auszumerzen.“Was am Ende nicht gelungen ist.