Ein Messerstich und seine Folgen
Ein Nigerianer muss sich für einen Angriff auf seine Ex-Freundin verantworten. Muss er überhaupt ins Gefängnis? Heute entscheidet das Gericht
Neuburg/Ingolstadt Soll der Mann, der seine ehemalige Lebensgefährtin im vergangenen Jahr in der Neuburger Asylunterkunft mit einem Messer niedergestochen hat, für fünfeinhalb Jahre ins Gefängnis? Oder soll er nach mehr als einem halben Jahr in Untersuchungshaft schon bald wieder ein freier Mensch sein und seine Strafe nur zur Bewährung ausgesetzt werden? Während Staatsanwalt Nicolas Kaczynski für den heute 45-Jährigen eine mehrjährige Gefängnisstrafe fordert, sieht Verteidiger Stefan Roeder für seinen Mandanten die Tat mit einer zweijährigen Bewährungsstrafe gesühnt. Entscheiden wird das Ingolstädter Landgericht heute um 10 Uhr.
Vier Tage lang hat sich die Kammer ein Bild von der Tat machen können, die sich im vergangenen November an der Donauwörther Straße ereignet hat. An einem Sonntagvormittag war es zum Streit zwischen dem Mann und seiner ExPartnerin gekommen. Der Angeklagte, der ebenso wie die 38-jährige Mutter seiner Tochter aus Nigeria stammt, lebte und arbeitete seit 2011 den Großteil des Jahres in Italien. Alle paar Monate war er nach Neuburg gekommen, hatte dort seine Frau und die beiden Töchter (die jüngere soll nach Auskunft der Frau jedoch einen anderen Vater haben) besucht. Auch soll er in den Zeiten dazwischen regelmäßig Geld an die Familie überwiesen haben. Doch bei diesem Besuch im November soll vieles anders gewesen sein. Seine Frau hätte sich verändert gehabt, gab der Mann vor Gericht an, und dann sei ihm auch noch zu Ohren gekommen, dass sie einen anderen Freund habe. Offenbar hatte sich der Streit in den Tagen, an denen der 45-Jährige bei ihr und den beiden Mädchen im Zimmer in der Unterkunft lebte, immer mehr zugespitzt. Am Vorabend der Tat hatte der Mann bei einer Feier einem Freund gegenüber sogar geäußert: Ich werden sie töten und dann zurück nach Nigeria gehen. Danach hatte der Freund die beiden allerdings noch zurück in die Unterkunft gefahren – zusammen. Dass der Nigerianer seinen Worten Taten folgen lassen würde, hatte er offenbar nicht befürchtet.
Doch am Morgen dann war der Streit in der Unterkunft eskaliert. Es war nicht nur wieder um den neuen Mann an der Seite der 38-Jährigen gegangen, über den die Frau gegenüber dem Angeklagten stets geschwiegen hatte. Diesmal ging es noch dazu auch um Geld. Er sah sich von ihr zu Unrecht als Dieb hingestellt. Irgendwann brüllten sie sich nur noch an, er nahm ein großes Küchenmesser und stach es ihr einmal in die Schulter, zehn Zentimeter tief. Gerade dann, als sie sich offenbar über die kleine, dreijährige Tochter gebeugt hatte. Auch die große Tochter war bei der Tat im Zimmer. Eine akute Lebensgefahr hatte für die Frau allerdings nie bestanden. Erst weitere Bewohner der Unterkunft konnten dem Mann das Messer wegnehmen, einer erlitt dabei selbst eine kleine Schnittverletzung.