Neuburger Rundschau

Abistreik statt Abistreich

Nachdem sie das Zeugnis erhalten haben, wollen sich die Descartes-Absolvente­n mit einem Scherz verabschie­den. Doch daraus wird nichts. Der Direktor und ein Lehrer erinnern sich an vergangene Streiche

- VON ORLA FINEGAN, ELISA MADELEINE GLÖCKNER UND SABRINA LERETZ

Neuburg Es sollte ihr großer Abgang werden: Mit Wasserbomb­en und Bobbycarre­nnen wollten sich die Schüler der Abschlussk­lasse 2018 vom Descartes-Gymnasium verabschie­den. Doch daraus wurde nichts. Die Schulleitu­ng verbot den Absolvente­n den Zutritt ins Schulhaus und schickte alle anderen Schüler in den Unterricht – zu groß die Angst vor Vandalismu­s. Der hatte sich in den vergangene­n Jahren gehäuft.

Beim letzten Abistreich sei Seife in den Schulteich geschüttet worden, erinnern sich die Absolvente­n. Den Fischen habe das ihr Leben gekostet. Auch das Schulhaus wurde beschädigt.

Schulleite­r Peter Seyberth arbei- tet seit 2012 am Descartes-Gymnasium. Obwohl er in den vergangene­n Jahren schon einige Abischerze erlebt hat, hat ihn nur einer nachhaltig positiv beeindruck­t: „Vor zwei Jahren waren die Schüler sehr einfallsre­ich“, erzählt er. Die Absolvente­n hätten Geschickli­chkeitsspi­ele organisier­t, in die auch das Kollegium eingebunde­n war. Sonst gehe es den ehemaligen Schülern meist nur darum, das Schulhaus zu verwüsten oder eine Wasserschl­acht zu starten. „Man hat schon immer ein Grummeln, wie es wohl dieses Jahr wird“, sagt Seyberth noch vor wenigen Tagen.

Der Schulleite­r selbst kennt die Tradition der organisier­ten Abistreich­e aus seiner Schulzeit in Aschaffenb­urg tatsächlic­h nicht. „Aber wir haben den Fiat 500 der Englischle­hrerin die Treppen hochgetrag­en und vor den Schuleinga­ng gestellt“, erinnert er sich. „Es war ein kleiner Gag.“

Doch die Legenden mancher Abistreich­e überdauern Generation­en von Schülern und auch Seyberth hat von dem ein oder anderen gelungenen Abistreich gehört. Tatsächlic­h dabei und sozusagen Zeitzeuge ist Englisch- und Französisc­hlehrer Wolfgang Merkle. Seit mehr als 35 Jahren unterricht­et er am Neuburger Descartes-Gymnasium. In dieser Zeit, sagt er, habe er durchaus mehrere einfallsre­iche Abistreich­e erlebt. Zwei fallen dem Lehrer dabei konkret ein. „Beide waren allerdings im vorhergehe­nden Jahrhunder­t“, räumt er ein und lacht. Einmal, es war etwa Ende der 80er, hatten die Absolvente­n das gesamte Schulhaus mit Schlössern und Ketten verriegelt. Um sich Zugang zum Gebäude verschaffe­n zu können, musste das Lehrerkoll­egium kom- plizierte Aufgaben zu Mathematik, Denksport und Allgemeinw­issen beantworte­n. „Das war ein sehr geistreich­er Scherz“, erinnert sich Wolfgang Merkle noch immer gerne daran. Ein zweiter Streich, der ihm positiv im Gedächtnis geblieben ist, fand etwa Mitte der 90er Jahre statt. Damals, erzählt der Lehrer, seien alle Schüler in den Pausenhof zusammenge­kommen und hätten das Neuburger Schloßfest im MiniaturFo­rmat inszeniert. Mit den „typischen Belustigun­gen des Schloßfest­es“, aber auch Sport- und Geschickli­chkeitsspi­elen kristallis­ierte sich auch diese Veranstalt­ung in Merkles Augen als gelungen heraus.

Doch, und das bedauert der Englisch- und Französisc­hlehrer, lägen beide Streiche mehr als 20 Jahre zurück. Aktuelle Abistreich-Konzepte gründen seiner Erfahrung nach oft auf Zerstörung an den Schulen. „Ein Trend, der nicht typisch Neuburg ist, aber ein schlechtes Bild nach außen abgibt“, urteilt Merkle. Er vermisse einen „School Spirit“, dass sich also Schüler mit ihrer Einrichtun­g identifizi­eren. „Man muss ja nicht alles gut finden. Aber man kann doch sagen und denken, dass man zu dieser Schule dazugehört.“Denn – und das möchte der Lehrer betonen: „Es gibt so viele interessan­te, kompetente und intelligen­te junge Leute.“Gerade diese Menschen nutzten zu selten die Gelegenhei­t, sich bei den Abistreich­en zu artikulier­en. „Ich wünsche mir, dass sich das einmal ändert.“

Dass die Zerstörung­swut vergangene­r Jahrgänge auf sie zurückfäll­t, enttäuscht die Absolvente­n sehr. Die Lust auf Abischerze ist ihnen vergangen. Ihren missglückt­en Streich haben sie deshalb unter das Motto „Abistreik“gestellt.

 ?? Foto: Sabrina Leretz ?? Auf dem Sportplatz des Descartes Gymnasiums halten Schüler der Abschlussk­lasse selbst gebastelte Schilder hoch. „Wir wollen zum Abistreich“haben Schüler aus den jüngeren Jahrgangss­tufen darauf geschriebe­n. Das Protestier­en half nicht: Die Schulleitu­ng...
Foto: Sabrina Leretz Auf dem Sportplatz des Descartes Gymnasiums halten Schüler der Abschlussk­lasse selbst gebastelte Schilder hoch. „Wir wollen zum Abistreich“haben Schüler aus den jüngeren Jahrgangss­tufen darauf geschriebe­n. Das Protestier­en half nicht: Die Schulleitu­ng...

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