Medikamenten Panscher muss in Haft
Apotheker Peter S. ist nach Ansicht der Richter für einen der größten Medizinskandale Deutschlands verantwortlich. Er streckte jahrelang lebenswichtige Infusionen für Krebspatienten
Essen Krebsmedikamente gepanscht, Millionen kassiert: Im Prozess um gestreckte Infusionen für Krebspatienten ist der Apotheker Peter S. aus Bottrop am Freitag zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden. Außerdem wurde ein lebenslanges Berufsverbot verhängt. Die Betroffenen und deren Angehörige reagierten erleichtert: „Wir haben gekämpft, jetzt können wir endlich zur Ruhe kommen“, sagten sie. Das Urteil fiel genau am 48. Geburtstag des Angeklagten.
Richter Johannes Hidding hatte ihm zuvor ins Gewissen geredet, endlich sein Schweigen zu brechen: „Tausende Patienten haben aus Ihrer Hand Krebsmedikamente erhalten. Sie wollen wissen, was wirklich geschehen ist. Und zwar nicht vom Gericht. Sondern von Ihnen.“Peter S. zeigte keine Reaktion. Die Richter sind überzeugt, dass in der Bottroper Apotheke des Angeklagten zwischen 2012 und 2016 mindestens 14 500 Krebsmedikamente gestreckt worden sind. Welche Patienten unterdosierte Chemotherapien erhalten haben und welche ordnungsgemäß hergestellte? Darauf gibt es bis heute keine umfassende Antwort.
Dafür gibt es Schilderungen der Betroffenen und ihrer Angehörigen: „Meine Tochter hat damals im Radio von der Festnahme des Apothekers erfahren“, sagte eine 67-Jährige nach der Urteilsverkündung. „Da wusste sie, warum es ihr so schlecht geht. Da hat sie sich aufgegeben.“Richter Hidding hatte zuvor selbst an das Schicksal einer Frau erinnert, die von Peter S. insgesamt 98 Infusionen erhielt. Vermutlich häufig ohne Wirkstoff. „Am
26. September 2018 hätte sie ihren
30. Geburtstag gefeiert“, sagte Hidding mit ernster Stimme. Im Gerichtssaal war es in diesem Moment still. Die Frau ist schon im vergangenen Jahr gestorben. Der Angeklagte habe es in der Hand gehabt, für die Rettung seiner Patienten zu sorgen. Genau das habe er jedoch nicht getan. „Aus purer Habgier, spielten für ihn eine große Rolle“, erklärte Hidding. Die Millionenvilla mit Wasserrutsche zum Beispiel, der eigene Gärtner, aber auch seine Funktion als Gönner und Mäzen in seiner Heimatstadt. Dadurch habe er sich Ansehen und Anerkennung verschafft.
Peter S. war zudem immer wieder dabei beobachtet worden, wie er sein Labor in Straßenkleidung betrat. „Dabei ist Hygiene gerade für immungeschwächte Krebspatienten immens wichtig“, heißt es im Urteil.
Dass der Medikamentenskandal überhaupt aufgedeckt wurde, sei besonders mutigen Menschen zu verdanken. Einer von ihnen ist Martin Porwoll, Ex-Mitarbeiter des An- geklagten. Er war 2016 zur Polizei gegangen und für seine Enthüllungen später mit dem Deutschen Whistleblower-Preis ausgezeichnet worden. Wären er und eine weitere Mitarbeiterin nicht gewesen, hätte Peter S. möglicherweise immer weitergemacht. Davon sind die Richter überzeugt.
„Die Geschichte dieses Kriminalfalls ist nämlich auch eine Geschichte des Behördenversagens“, sagte Hidding. In der gesamten Zeit seien die individuell hergestellten Infusionslösungen kein einziges Mal kontrolliert worden. Die Zahl von mindestens 14500 unterdosierten Infusionslösungen ist das Ergebnis einer akribischen Berechnung. Die RichLuxusgüter ter haben den Wareneingang mit den abgerechneten Mengen verglichen und sind auf gewaltige Differenzen gestoßen. In einem Fall seien zum Beispiel nur 16 Prozent der abgerechneten Wirkstoffmenge auch tatsächlich eingekauft worden. Der Schaden für die Krankenkassen beläuft sich laut Urteil auf rund 17 Millionen Euro. Dieser Betrag soll nun aus dem Vermögen des Angeklagten eingezogen werden.
Ob Peter S. die unterdosierten Arzneien in jedem Fall selber hergestellt hat, ist unklar. In Betracht kommen auch Mitarbeiter. Sie verweigerten vor Gericht die Aussage.