Harmlos, oder?
Invasive Mückenarten machen sich bei uns breit. Ein Bürger-Projekt behält sie genau im Auge
Auf Doreen Walthers Schreibtisch stapeln sich mal wieder die Briefe. Post aus ganz Deutschland, alle mit dem gleichen Inhalt: Stechmücken. Zwischen 80 und 150 Insekten landen im Schnitt täglich bei der Biologin. Sie betrachtet jede einzelne – den Körper, die Flügel, die dünnen Beinchen. Eine morphologische Untersuchung, um die Art zu bestimmen. Walther ist Leiterin eines wissenschaftlichen Projekts am Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (Zalf), an dem jeder mitmachen kann: Ein Mückenatlas, der Arten von Stechmücken in ganz Deutschland kartografiert. Seit 2012 läuft das Projekt. Und es zeigt: Invasive Arten, Stechmücken aus dem Ausland, siedeln sich in immer größeren Gebieten an. Einige von ihnen gelten als Überträger gefährlicher Krankheitserreger.
Die Asiatische Buschmücke fühlt sich in Deutschland inzwischen richtig heimisch. Von 2012 bis 2016 hat sie sich rapide ausgebreitet, etwa in Nordrhein-Westfalen, RheinlandPfalz und Baden-Württemberg. Aber auch in Bayern und vor allem in Schwaben. In Augsburg und den Landkreisen Neu-Ulm, Günzburg und Dillingen wurde die Mücke nachgewiesen. „Schwaben ist ein spannender Ort für unsere Arbeit – die Voraussetzungen für Mücken sind dort optimal“, sagt Walther. Konkrete Gefahr herrsche bisher aber nicht. In Deutschland sind die Krankheitserreger, die von Buschmücken übertragen werden, nicht verbreitet. Es handelt sich etwa um Erreger des West-Nil-Fiebers, einer Virenerkrankung, die ähnlich einer Grippe verläuft, allerdings auch Entzündungen der Hirnhaut oder des Gehirns auslösen kann.
Allerdings: Je mehr Überträger in Deutschland leben, umso schneller könnte sich eine eingeschleppte Krankheit ausbreiten. Daher hat das Zalf auch die Asiatische Tigermücke im Auge – sie gilt als Überträger verschiedener Krankheitserreger, darunter den Erreger des Zika-Virus. Das dadurch ausgelöste Zika-Fieber kann Föten schädigen. Der MückenAtlas hat vier Populationen der Asiatischen Tigermücke ausgemacht – eine davon im bayerischen Erding. „Gütertransporte oder Autos schleppen die Insekten bei uns ein“, sagt Walther. Das kann schnell passieren – bei einem Urlaub in Südeuropa schlüpft eine Mücke unbemerkt ins Auto, in Deutschland wird sie wieder freigelassen – und fängt nach kurzer Zeit an, sich zu vermehren.
Lange wurde angenommen, dass die Asiatische Tigermücke sich nördlich der Alpen kaum ansiedeln kann. Der Biologin Walther zufolge ist diese Ansicht inzwischen überholt. Labortests hätten gezeigt, dass sich die Mücken an kälteres Klima anpassen. Der Klimawandel tut sein Übriges, damit sich die Tigermücke in Deutschland wohlfühlt. Auch die Asiatische Buschmücke hat keine Probleme mit kühlerem Klima – sie übersteht Frost von minus 25 Grad. „Die lacht über die Temperaturverhältnisse hier in Deutschland“, sagt Walther.
Für Laien sind die verschiedenen Mückenarten kaum auseinanderzuhalten. Selbst die Biologin stößt dabei manchmal an ihre Grenzen. Wenn die morphologische Bestimmung nicht gelingt, landet die Mücke beim Friedrich-Loeffler-Institut, das die DNA des Insekts untersucht. Dadurch wird sichergestellt, dass der Eintrag im Mückenatlas korrekt ist – so werden auch die Bestände der Tiere kontrolliert. Wenn sich an einem Ort eine bedenkliche Menge von Asiatischen Tigermücken ansiedelt, schreiten die Behörden ein. Zunächst werden Flyer verteilt, um die Bevölkerung zu informieren. Darin stehen Tipps, was man gegen die Insekten unternehmen kann – etwa Wassergefäße abdecken, damit die Mücken dort keine Eier ablegen können. Sollte das nicht helfen, geht es den Tierchen an den Kragen. „Man geht dann mit einem Bakterien-Toxin vor“, sagt Walther. Dabei handle es sich um „Bacillus thuringiensis“, es tötet die Larven der Insekten ab.
Jeder, der Doreen Walther einen Brief schickt, bekommt auch eine Antwort zurück. Darin erfährt er, welche Mückenart er eingesendet hat. Die Biologin nimmt sich für jede Mücke Zeit – stapeln sich auch noch so viele auf ihrem Schreibtisch.
Fremde Mückenarten passen sich an das Klima in Deutschland an