Neuburger Rundschau

„Trump verwischt seine deutschen Wurzeln“

US-Autorin Gwenda Blair sagt, warum der Präsident die Heimat der Großeltern nicht mag

- Interview: Karl Doemens

Frau Blair, US-Präsident Donald Trump hat deutsche Wurzeln. Seine Großeltern väterliche­rseits stammten aus Kallstadt in der Pfalz. Doch darüber spricht Trump nie. Stattdesse­n hat er sich auf Deutschlan­d eingeschos­sen. Gibt es da einen Zusammenha­ng? Gwenda Blair: Das weiß ich nicht. Ich kann nur sagen, dass das Verschweig­en des deutschen Hintergrun­ds in der Familie Tradition hat. Donald Trumps Großvater Friedrich, der 1885 in die Vereinigte­n Staaten ausgewande­rt war, hat während des Ersten Weltkriegs die antideutsc­he Stimmung im Land erfahren. Sein Sohn Fred, Donalds Vaters, begann noch vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zu erzählen, dass er schwedisch­e Vorfahren habe.

Und mit dieser Legende ist Donald großgeword­en?

Blair: Ja. Aber seine Großmutter lebte in New York auf der anderen Straßensei­te, hatte einen starken deutschen Akzent und ist erst Anfang der 1960er Jahre gestorben. Donald wusste also sehr gut, wo seine Familie herkam. Trotzdem hat auch er in seiner Biografie „The Art of the Deal“behauptet, seine Vorfahren seien schwedisch. Weshalb verleugnet­e er seine deutsche Herkunft?

Blair: Darüber kann ich nur spekuliere­n. Ich glaube, er wuchs einerseits mit gewissen Stereotype­n auf, in denen die Deutschen alle Nazis und böse waren. Und er spürte gleichzeit­ig, dass in den USA nach dem Zweiten Weltkrieg gewisse Vorbehalte gegen Deutsche herrschten. Zudem war das Immobilien­geschäft in New York stark von Juden geprägt. Da wäre es nicht unbedingt hilfreich gewesen, sich als Deutscher zu präsentier­en. Also verwischte er seine Wurzeln. Das war eine klare Geschäftss­trategie. Donald Trumps Großmutter fühlte sich in den USA nicht wohl. Deshalb versuchten die Großeltern 1904, nach Deutschlan­d zurückzuke­hren. Doch wurde ihnen im damaligen Bayern die Wiedereinb­ürgerung verweigert, weil der Großvater keinen Militärdie­nst geleistet hatte. Sie wurden regelrecht in die USA abgeschobe­n, wo kurz darauf Donald Trumps Vater geboren wurde. Könnte das die ständigen Attacken des Präsidente­n auf Deutschlan­d erklären?

Blair: Möglich ist das. Er ist sehr nachtragen­d, wenn es um tatsächlic­he oder vermeintli­che persönlich­e Verletzung­en geht. Insofern könnte das eine Rolle spielen. Einerseits. Aber anderersei­ts liegt das mehr als hundert Jahre zurück und Trump ist absolut ahistorisc­h. Als ich ihn für mein Buch interviewt­e, konnte ich ihm nichts über seine Familienge­schichte entlocken. Er verhielt sich nach dem Motto: Warum interessie­rt Sie das? Das ist alt. Damit kann man kein Geld machen. Insofern glaube ich, sein Verhältnis zu Deutschlan­d hängt wesentlich eher von den Umständen ab: Würde die AfD bei einer Bundestags­wahl die Mehrheit gewinnen, könnte er seine deutschen Wurzeln schnell wiederentd­ecken. Hat er überhaupt irgendwelc­he Sentimenta­litäten gegenüber der Heimat seiner Vorfahren?

Blair: Falls das so ist, verbirgt er sie gut. Sein größtes Interesse gilt seinem Geschäft. Da ist er komplett utilitaris­tisch: Wenn etwas nicht nützlich für ihn ist, macht er es nicht. Er hat auch die schottisch­e Herkunft seiner Mutter erst öffentlich gemacht, als er einen Golfplatz in Schottland eröffnen wollte. Wenn er einen Golfplatz in Deutschlan­d aufmachen wollte, könnte etwas Ähnliches passieren.

Sollte man Trump zur Entkrampfu­ng des deutsch-amerikanis­chen Verhältnis­ses zu einem Besuch nach Kallstadt einladen?

Blair: Warum nicht? Schaden kann es nicht. Aber, wie gesagt, er handelt stets aus Nützlichke­itserwägun­gen. Insofern würde es bestimmt mehr bringen, wenn Mercedes ein neues Modell „Donald Trump“nennt.

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Foto: dpa
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Gwenda Blair, 75, ist Au torin und Hochschull­eh rerin in Chicago. Sie hat be reits im Jahr 2000 eine Trump Biografie verfasst.

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