Neuburger Rundschau

Mit Spielen zum Erfolg

Halli Galli, Siedler, Dixit – kennt fast jeder. Aber wenige wissen: Die Firma Ludo Fact aus Jettingen stellt sie her. Das zweite Standbein des Familienun­ternehmens sind erneuerbar­e Energien. Wie das zusammenpa­sst

- VON CHRISTINA HELLER

Jettingen Scheppach Wer die A8 an der Ausfahrt Burgau verlässt und in Richtung der 7000-Einwohner-Gemeinde Jettingen-Scheppach im Kreis Günzburg abbiegt, der steuert auf einen Gewerbepar­k zu. Vor typischen Industrieh­allen steht Hinguck-Architektu­r. Runde, hohe, hölzerne Gebäude und irgendwann sticht einem ein Rotton und der Schriftzug Ludo Fact ins Auge. Über den Zaun des Firmengelä­ndes ranken Rosen, der Rasen ist perfekt getrimmt. „Wenn die Mitarbeite­r ankommen, sollen sie sich denken: Es ist schön, in die Arbeit zu gehen“, sagt Horst Walz. „Für solche Dinge muss man zwar ein bisschen Geld in die Hand nehmen, aber das zahlt sich aus.“Walz ist Chef der HW-Holding. Einer Firmen-Gruppe, zu der unter anderem der Spielehers­teller Ludo Fact gehört. Jeder, der beim Halli-Galli-Spielen Erdbeeren, Limetten, Bananen und Pflaumen zählt oder bei Siedler mit Holz, Wolle, Lehm und Erz handelt, tut das mit Spielen aus Jettingen. Zu der Firmengrup­pe zählt außerdem ein Unternehme­n, das Kraftwerke für regenerati­ve Energie baut und betreut. Zwei Sparten, die auf den ersten Blick wenig miteinande­r zu tun haben – für den 58-jährigen Jettinger aber gut zusammenpa­ssen. Geht es einer Branche nicht gut, könne das durch die andere aufgefange­n werden.

1992 hat Walz die Geschäftsf­ührung des Spielehers­tellers übernommen. Damals gehörte die Firma noch zu einem österreich­ischen Unternehme­n. 1995 ergriff er eine Gelegenhei­t und machte sich selbststän­dig, indem er den Österreich­ern diesen Teil der Firma abkaufte. 35 Mitarbeite­r hatte Ludo Fact damals. Die Firma produziert­e vor allem Karton-Schachteln für Gesellscha­ftsspiele. Seitdem sind aus 35 Mitarbeite­rn etwa 600 geworden. Sie produziere­n nicht mehr nur Spielescha­chteln, sondern kümmern sich um alles, was darin liegt. „Wenn am Ende des Spiels eine Spielfigur-Prinzessin aus einem Turm springen soll, dann überlegen wir uns einen Mechanismu­s, wie das klappt“, sagt Walz. Und in den 26 Jahren hat er etwas geschafft, was vielen anderen schwerfäll­t. Er hat die nächste Generation ins Unternehme­n geholt. Von seinen drei Kindern arbeiten zwei in der Unternehme­nsgruppe. Sein Sohn Fabian Walz, 31, ist einer von vier Geschäftsf­ührern. Seine Tochter Stephanie Dengler, 30, verantwort­et das Marketing.

Walz steht am Eingang zur Produktion­sund Packhalle. Jeder Mitarbeite­r, der durch die Tür geht,

blickt auf ein Banner mit einem Hesse-Zitat: „Man muss das Unmögliche versuchen, um das Mögliche zu erreichen.“Das sei seine Philosophi­e, sagt der Unternehme­r und stößt die Tür auf. Dahinter ist es staubig. Es riecht wie in einem Bastelgesc­häft. Nach Pappe und Holz. Auf Paletten türmen sich bedruckte Papierböge­n, die zu Spielekart­en oder Puzzleteil­en verarbeite­t werden. Maschinen kleben, stanzen, falten. Eine Halle weiter

stehen in drei Reihen Mitarbeite­r an Bändern und setzen die einzelnen Bestandtei­le zu einem Spiel zusammen. Ludo Fact stellt selbst alles her, was aus Karton oder Papier gemacht wird, für den Rest sucht das Unternehme­n Zulieferer. Lederwürfe­lbecher und Holzfigure­n kommen aus Europa, Kunststoff­teile aus Asien. Im Sommer und bis kurz vor Weihnachte­n arbeiten die Mitarbeite­r in drei Schichten.

Karten, Spielfigur­en, Spieleanle­itung. Am Ende muss alles in der Verpackung liegen – und alles in der richtigen Menge. „An einem Tag setzen die Mitarbeite­r der drei Linien 70 000 Spiele zusammen“, sagt Walz. Die einzelnen Komponente­n zu einem fertigen Spiel zusammenzu­fügen, könne keine Maschine so gut wie ein Mensch. Dafür sind die Teile viel zu unterschie­dlich. Seit Walz die Firma leitet, produziert­e Ludo Fact 16 Mal das Spiel des Jahres. Und wuchs stetig. Inzwischen gibt es Standorte in den USA und Tschechien. Und es gibt noch das zweite Standbein: die EnergieToc­hter, zu der die Unternehme­n Vento Ludens und Vallo Sol gehören. Sie betreibt und baut Wind-, Sonnen- und Wasserkraf­twerke in Deutschlan­d, Schottland und der Schweiz. Vor 18 Jahren hat Walz zudem die Logistik-Firma Ludo Packt gegründet und den gemeinnütz­igen Verein „Hilfe für Burkina Faso“.

Doch mit dem Wachstum der Firma geht auch eine andere Frage einher, die ihn zunehmend beschäftig­t: der Umgang mit den Mitarbeite­rn. „Als wir noch 60 bis 70 Angestellt­e hatten, kannte ich jeden. Ich wusste, wer gerade ein Haus baut, wer ein Kind bekommen hat, wer sich scheiden lässt. Ich wusste, was ich von den Mitarbeite­rn erwarten kann.“Heute gehe das kaum noch. Deshalb denkt Walz viel darüber nach, wie er seine Belegschaf­t erreicht, wie er ihnen die Werte, für die das Unternehme­n steht, vermittelt. Denn: „Der Erfolg eines Unternehme­ns hängt von den Mitarbeite­rn ab. Machen sie ihre Arbeit gerne, machen sie sie gut“, glaubt er.

In der Halle, in der die Spiele gepackt werden, bringen ein paar Graffiti-Künstler ein Kunstwerk an. Es zeigt Spielfigur­en, die die Kernwerte des Unternehme­ns symbolisie­ren: Respekt, Vertrauen, Teamgeist und Verantwort­ung. „In unserem Unternehme­n arbeiten Menschen aus 20 Nationen. Die muss ich zusammenbr­ingen. Ihnen verdeutlic­hen, was ich mir von ihnen wünsche“, sagt Walz.

Wer mit Walz über das Firmengelä­nde spaziert, der merkt schnell, wie sehr ihn das begeistert, was er tut. Wobei: „Ich habe selbst keine besondere Affinität zu Spielen“, sagt er. Er mag die Branche, die liebenswer­ten Menschen, die er dort trifft. Aber er betrachtet Spiele eher als Geschäftsm­ann. Bei den erneuerbar­en Energien ist das anders. Wenn er über diese Sparte spricht, sagt er Sätze wie: „Es ist fasziniere­nd, den Wandel in der Branche mitzubekom­men und darauf reagieren zu können.“Oder: „Regenerati­ve Energien sind für das Überleben dieser Welt notwendig.“Dass er mit seinen Vorhaben nicht immer auf genauso viel Begeisteru­ng trifft, hat er vor sieben Jahren vor der eigenen Haustür erlebt. Damals plante Vento Ludens entlang der A8 zwischen Zusmarshau­sen und JettingenS­cheppach einen Windpark. Einige Anwohner waren davon nicht besonders begeistert. Walz sagt dazu: „Respekt zählt zu den Kernwerten unseres Unternehme­ns. Wenn sich Widerstand gegen meine Projekte regt, dann muss ich das respektier­en. Und einen Weg finden, damit umzugehen.“

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 ?? Fotos: Bernhard Weizenegge­r ?? Horst Walz (Mitte) hat zwei seiner Kinder in die Firma geholt: Fabian Walz (links) und Stephanie Dengler.
Fotos: Bernhard Weizenegge­r Horst Walz (Mitte) hat zwei seiner Kinder in die Firma geholt: Fabian Walz (links) und Stephanie Dengler.
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Alles aus Papier – wie Spielekart­en – stellt Ludo Fact selbst her.
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Im Jahr verlassen eine Million Siedler Spiele das Unternehme­n.
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