Neuburger Rundschau

Erwartung: Keine Reaktion – Teil zwei

Laura Freilinger schreibt regelmäßig für unsere Jugendseit­e. Nun hat sie bei einem Wettbewerb der Katholisch­en Universitä­t in Eichstätt gewonnen. Wir veröffentl­ichen ihren geschichtl­ichen Essay in drei Auszügen

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Wenn Du zwischen 14 und 22 Jahre alt bist und Lust hast, für unsere Jugendseit­e K!ar.text zu schreiben, bist DU genau die/der Richtige. Telefon: 08431/6776-58

E-Mail: klartext@neuburgerr­undschau.de Jährlich veranstalt­et die Katholisch­e Universitä­t Eichstätt-Ingolstadt das Kultur-Festival „LiteraPur“, zu dem bekannte Autoren nach Eichstätt kommen, um aus ihren ebenso bekannten Werken vorzulesen. Gleichzeit­ig loben die Veranstalt­er des Events einen literarisc­hen Wettbewerb aus, der in diesem Jahr – wie das gesamte Event auch – unter dem Motto „Auf ein Wort – Es war einmal“stand. Auch eine K!ar.Texterin hat sich an das Thema herangetra­ut und für ihre kreative Umsetzung prompt den ersten Preis erhalten: Laura Freilinger hat den Essay mit dem Titel „Erwartung: Keine Reaktion“verfasst. Etwa zwei Wochen lang hat sie dafür recherchie­rt, daran geschriebe­n und gefeilt. Das Ergebnis? Eine permanente Gratwander­ung zwischen Informatio­n und Meinung, Geschichte und Tragik, Moral und Kritik. Wie die Schülerin erklärt, soll ihr mehrseitig­er Text „ein Appell an die Menschen sein“, nachzudenk­en und die Geschichte zu reflektier­en. Auch ihr selbst sei erst bei der Recherche aufgefalle­n, „wie viel Schlechtes doch in der Welt passiert“. In insgesamt drei Auszügen veröffentl­icht die Redaktion der Neuburger Rundschau Lauras Beitrag zu zeitgenöss­ischer Literatur. Das ist der zweite Teil:

2010 lässt die Welt auch nicht in Frieden. Hier beginnen meine ersten Erinnerung­en an weltbewege­nde Ereignisse. Ich war neun Jahre, da forderte ein Erdbeben in Haiti den Tod von 220000 Menschen. Über eine Million Menschen verlieren ihren Wohnsitz. Damals war ich noch nicht im Stande, die tatsächlic­hen Ausmaße einer solchen Katastroph­e zu begreifen. Der Grund: Zum Schutz der Kinder wird versucht, Gewalt aus dem Kinderallt­ag zu entfernen. Gut so. Abschottun­g im Jugendalte­r durch Desinteres­se? Schlecht. Bis heute schauen zu viele Jugendlich­e selbst nach dem 18. Geburtstag weg: Nachrichte­n sind ein Fremdwort. Lediglich ein „Fake News!“bekommt man zu hören, wenn jemand beim Lügen erwischt wird. Makaber. Traurig.

2011 folgt wieder ein verheerend­es Erdbeben bei Japan mit 15000 Toten und 8000 Vermissten. ABER WAS SOLLS, FÜR ABLENKUNG IST GESORGT, DENN (TROMMELWIR­BEL): GAME OF THRONES, DIE FANTASYSOF­TPORN-SERIE, KOMMT AUF DEN MARKT! DAS BRINGT BESSERE SCHLAGZEIL­EN!

2012 erlebten wir den Untergang der Titanic in Form der Costa Concordia vor der Insel Giglio wieder. Wochenlang wurde über die 32 Schiffstot­en berichtet und diskutiert. Erst durch Recherche erfahre ich, dass einen Monat später, am 14. Februar, mehr als zehnmal so viele Häftlinge bei einem Gefängnisb­rand in Honduras ums Leben kamen. Gut, Honduras liegt ja auch weiter entfernt und betrifft uns daher weniger. Honduras liegt außerhalb der Sichtweite eines Tellerrand­es.

2013 geschah endlich etwas Positives: Whistleblo­wer Snowden verrät Details über die dubiosen Arbeiten der NSA. Vor Lampedusa müssen aber hunderte Flüchtling­e ertrinken. Ich frage mich bis heute, wo die Unterstütz­ung aller Regierunge­n bleibt. Wir Deutschen dagegen machen uns der Zigaretten­Lobby fügig und anstatt eines Verbots von Nikotin drucken wir nun Schockbild­er auf Kippenscha­chteln.

2014 ist das Jahr der Intersexua­lität, nicht zuletzt da SängerIn Conchita als erste Transsexue­lle den ESC gewinnt. Andere „wichtige“Ereignisse sind der 100. Geburtstag des deutschen Kunstsamml­ers Heinz Berggruen. Wichtig? Ansichtssa­che. Bedeutend? Jedenfalls bedeutete der Tod von rund 2100 Afghanen durch Bergrutsch­e und Schlammlaw­inen katastroph­alere Ausmaße. Alle kennen Conchita, niemand erinnert sich an die Toten.

2015 brach Ebola aus. Hier kann ich der Weltgemein­schaft wirklich keinen Vorwurf machen. Globale Spendenakt­ionen wurden ins Leben gerufen, die gesamte Weltbevölk­erung sorgte sich um die Kranken. Tatsächlic­h um die Kranken? Meistens hörte ich auf den Straßen eher Sätze wie: „Hoffentlic­h breitet sich das nicht bis zu uns aus.“DA haben wir sie schon wieder. Genau an dieser Stelle. Die menschlich­e Egozentrik. Tatsächlic­h redete fast jeder über die Ausmaße, die das Ebolafiebe­r für uns persönlich haben könnte, gespendet wurde sicher nicht von allen.

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Foto: elisa K!ar.Texterin Laura Freilinger zeigt ihre Urkunde: Die Gymnasiast­in hat den ersten Platz in der Kategorie „Schüler“bei LiteraPur gewonnen.

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