Ein Chance im Beruf
Menschen mit Beeinträchtigungen haben es schwer auf dem Arbeitsmarkt – nicht mehr lange
Auch Träume fangen klein an. Als eine Idee um die Welt besser zu machen. In Märchen geht das alles immer ganz einfach. In der Realität scheitern Träume an Geldfragen oder wer überhaupt anpackt. In Augsburg erleben Mitglieder eines Vereins ein richtiges Sommermärchen. Ihr Traum dreht sich um ein Inklusionshotel, um denen zu helfen, die sich selbst nicht helfen können.
„einsmehr“heißt das Hotel und auch die Initiative, die sich vor 18 Jahren als Selbsthilfegruppe gegründet hat. Die Teilnehmer waren Eltern von Kindern mit Downsyndrom. Heute gehören 130 Familien zum Verein. Sie alle erleben immer wieder mit, dass sich die jungen Erwachsenen mit geistiger Beeinträchtigung schwertun auf dem Arbeitsmarkt. „Wir fragten uns, wo gibt es Bedarf, etwas zu ändern?“, sagt Jochen Mack vom Verein. Bei einem Ausflug sei den Mitgliedern die Idee gekommen. Schnell war eine Arbeitsgruppe gebildet. Doch: „Wir hatten keine Ahnung vom Hotelwesen oder was wir an Kapital brauchen“, ergänzt Karin Lange, die Vorsitzende von „einsmehr“. Dann begann das Märchen.
Im Augsburger Westen soll ein großes Multifunktionshaus entstehen. „Westhouse“nennt sich das Projekt an der Neusässer Straße gegenüber des Klinikums. Im Gebäude sind Tagungsräume, ein Bistro und eine Turnhalle geplant. „Wir haben dem Bauträger unsere Idee präsentiert und er war angetan“, erzählt Mack. Zwei Businessberater haben ihre Hotel-Idee geprüft und entschieden, dass es in Augsburg möglich sei. Ein Jahr pausierte das Projekt dann. Über dem Bauplatz stand ein großes Fragezeichen, das der Bauträger erst endgültig abklären musste. Als er grünes Licht bekommen hat, ging die Planung in die nächste Phase. Das war im Oktober 2017.
„Wir begannen Spenden zu sammeln und wurden total überrascht“, sagt Lange. Bisher seien es schon einige hunderttausend Euro. Vom Bezirk Schwaben und dem Inklusionsamt Bayern gebe es weitere hohe Zuschüsse. „Es läuft“, sagt Mack. Und Lange schwärmt: „Immer wieder lernten wir neue Leute über andere Bekannte kennen, die uns bei bestimmten Sachen helfen konnten.“So erstellt eine renommierte Internetagentur aus München dem Verein eine kostenlose Homepage. „Die machen das sonst für BMW oder Lufthansa, so was hätten wir uns nie leisten können“, staunt Lange. Trotz all der eingegangenen Spenden hofft der Verein auf weitere Gelder. Denn: Insgesamt braucht es 1,5 Millionen Euro.
Das Hotel selbst soll 2020 eröffnet werden und 73 Zimmer haben. Von den 24 Angestellten wird die Hälfte eine Beeinträchtigung haben. Das Team will der Verein im kommenden Jahr langsam aufbauen – auch eine pädagogische Fachkraft wird gesucht. „Wir wollen eine gute Mischung finden und gleichzeitig früh die Mitarbeiter schulen“, erklärt Mack. Die Menschen mit Beeinträchtigung können im Hotel je nach Fähigkeiten arbeiten. „Einer will eher weniger Kontakt zu den Gästen, dann hilft er eben hinter den Kulissen mit“, sagt Lange. Ziel sei es am Ende, den Menschen erste Berufserfahrungen zu ermöglichen und sie an andere Firmen oder Unternehmen weiterzuvermitteln. „Die Zeit und die Gesellschaft sind reif für ein solches Projekt“, sagt Lange. Und vielleicht folgen andere Gewerbe ihrem Beispiel.