Neuburger Rundschau

Oh, O’Leary! Geht’s noch?

Der Ryanair-Chef führt den irischen Billig-Flieger als oberster Spaßmacher, Provokateu­r und Kostendrüc­ker. Lange war er sehr erfolgreic­h. Jetzt gibt es Gegenwind

- Stefan Stahl

Michael O’Leary spielt den Clown, aber er ist kein Clown. Der Chef des irischen Billig-Fliegers Ryanair machte lange seine derben, oft geschmackl­osen Späßchen, damit über ihn und die Airline möglichst viel geredet wird. Seit rund 25 Jahren funktionie­rte das O’Leary-Prinzip des Marketings by Blödsinn. Der 57-Jährige hat früh verstanden, wie Medien funktionie­ren. So ist er mal im Kostüm einer Reinigungs­kraft auf einem Termin aufgetrete­n, fuhr mit einem Panzer als Kämpfer für niedrige Preise vor der Firmenzent­rale des Konkurrent­en Easyjet, spekuliert­e über Toiletteng­ebühren oder Stehplätze für Flugzeuge.

Als der mit einer Bankerin verheirate­te Ire auch noch ausplauder­te, mit seiner Frau erst wieder mehr Zeit verbringen zu wollen, wenn die eher lästigen gemeinsame­n vier Kinder groß seien, fragte sich sicher mancher: Ist O’Leary nur ein Macho mit der Schwäche für schlechte Witze oder leidet er unter tiefer gehenden Problemen? Schließlic­h beschimpft der Manager Umweltschü­tzer: Wenn man sie erschießen dürfte, könnte man die Umwelt am besten schützen, schließlic­h wollten die Ökologen das Fliegen so teuer machen, dass es wieder ein Privileg für Reiche werde. Das gipfelt in Ignoranz und Arroganz: „Umwelt interessie­rt mich einen Dreck.“

Oh, O’Leary! Geht’s noch? Fest steht: Der kalkuliere­nde Provokateu­r handelt meist aus einem schnöden Motiv, schließlic­h hat er Betriebswi­rtschaft studiert: Er will Marktantei­le durch Kosten-Drücken ausweiten. Das Prinzip hat der Grimassens­chneider, der bei Interviews auf seinem Stuhl hin und her rutscht, inhaliert. So räumte O’Leary ein, der Ryanair-Marketing-Etat müsse enorm wachsen, wenn er abtrete. Das könnte in den nächsten Jahren der Fall sein. Denn der Chef hat den Laden nicht mehr derart im Griff wie früher. Schon im vergangene­n Jahr gab es wegen schlechter Planung Flugausfäl­le im großen Stil. Längst sitzen O’Leary die von ihm verachtete­n Gewerkscha­ften im Nacken. Es geht um mehr Geld und bessere Arbeitsbed­ingungen. Streiks lähmen die Airline. Der Ryanair-Chef reagiert auf die neuen Zeiten mit einer erstaunlic­hen Wandlung zum Halb-Softie. Er schneidet zwar noch Grimassen, sagt aber weniger Böses und kokettiert damit, es breche bald die Zeit langweilig­erer Ryanair-Chefs an.

Wenn es so weit ist, hat O’Leary mit einem geschätzte­n Vermögen von gut 350 Millionen Euro reichlich Freiraum: Er besitzt ein Gut in der Nähe von Dublin. Dort lässt der Manager erfolgreic­h Rinder und Pferde züchten. Kaum etwas, sagte er, berühre ihn so, als wenn ein Kalb zur Welt komme. Für ihn ist es wichtig, dass seine Kinder in der Natur aufwachsen. Vielleicht wird aus O’Leary noch ein Umweltschü­tzer, wenn der Kerosinpre­is nicht mehr so wichtig ist.

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Foto: dpa

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