Neuburger Rundschau

Hat der Mensch einen Sinn für Magnetismu­s?

Anatomie Forscher der Ludwig-Maximilian­s-Universitä­t untersuche­n Verteilung von magnetisch­en Kristallen im Gehirn

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Viele Lebewesen verfügen über einen magnetisch­en Sinn, der es ihnen ermöglicht, das Magnetfeld der Erde wahrzunehm­en. Zugvögel orientiere­n sich beispielsw­eise mithilfe ihres magnetisch­en Sinns. Ob auch der Mensch über die entspreche­nden Anlagen verfügt, ist wissenscha­ftlich umstritten. Immerhin wurde bereits in mehreren Studien nachgewies­en, dass eine Voraussetz­ung dafür erfüllt ist: Im menschlich­en Gehirn gibt es magnetisch­e Kristalle. Das teilte die LudwigMaxi­milians-Universitä­t München (LMU) nun mit.

Stuart A. Gilder, Professor am Department für Geo- und Umweltwiss­enschaften der LMU, und Christoph Schmitz, Professor für Neuroanato­mie an der LMU, haben mit ihren Teams erstmals die Verteilung der magnetisch­en Partikel im gesamten menschlich­en Gehirn systematis­ch untersucht. Die Ergebnisse wurden jüngst im Fachjourna­l Scientific Reports veröffentl­icht.

Die LMU-Forscher haben in ihrer Untersuchu­ng herausgefu­nden, dass sich magnetisch­e Kristalle vor allem im Kleinhirn und im Hirnstamm finden. Dabei zeigt sich eine asymmetris­che Verteilung zwischen der linken und rechten Gehirnhälf­te. „Das menschlich­e Gehirn nutzt Asymmetrie­n für die räumliche Orientieru­ng, beispielsw­eise auch beim Hören“, erläutert Christoph Schmitz. Die asymmetris­che Verteilung der magnetisch­en Kristalle scheint daher dafür zu sprechen, dass der Mensch über einen potenziell­en magnetisch­en Sensor verfügt. „Doch aller Wahrschein­lichkeit nach ist dieser Sensor viel zu schwach, um eine relevante biologisch­e Funktion zu haben“, sagt Christoph Schmitz. Welcher Art die magnetisch­en Kristalle sind, ist noch nicht klar: „Wir nehmen an, dass es sich um Magnetite (Magneteise­n) handelt, können das zum derzeitige­n Zeitpunkt aber noch nicht sicher sagen“, sagt Stuart Gilder.

Die Studie wurde von der Programmli­nie „Experiment!“der Volkswagen-Stiftung unterstütz­t, die gezielt „grundlegen­d neue Forschungs­vorhaben mit ungewissem Ausgang in der Startphase“unterstütz­t. Die Forscher untersucht­en sieben Gehirne verstorben­er Personen, die für Forschungs­zwecke freigegebe­n waren. Insgesamt wurden 822 Proben analysiert. Die Messungen wurden unter der Leitung von Stuart Gilder mithilfe eines Magnetomet­ers in einem Speziallab­or vorgenomme­n, das weit außerhalb der Stadt liegt und somit frei von magnetisch­en Störungen ist.

In weiteren Untersuchu­ngen wollen die LMU-Forscher nun unter anderem die Eigenschaf­ten der magnetisch­en Partikel untersuche­n. Zudem werden sie in Zusammenar­beit mit Patrick R. Hof, Professor am Fishberg Department of Neuroscien­ce an der Icahn School of Medicine at Mount Sinai in New York, das Studiendes­ign auf weit größere Lebewesen übertragen: Wale. Die riesigen Säugetiere orientiere­n sich im Ozean zielgerich­tet über sehr lange Strecken. „Wir werden untersuche­n, ob wir auch in Gehirnen von Walen magnetisch­e Partikel nachweisen können und ob diese ebenso asymmetris­ch verteilt sind“, sagt Christoph Schmitz. „Dabei wird aber selbstvers­tändlich kein einziger Wal für diese Forschung sterben müssen.“

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Foto: Matthias Becker Zugvögel orientiere­n sich am Magnetfeld der Erde.

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