Neuburger Rundschau

Heinle wächst über sich hinaus

Der Stuttgarte­r sorgt mit seiner Silbermeda­ille für eine Überraschu­ng. Wegen der Fehler bei der digitalen Weitenmess­ung wünscht sich mancher das alte Maßband zurück

- VON ANDREAS KORNES

Berlin Rund vier Stunden nach seinem letzten Sprung wusste Fabian Heinle endlich, dass er tatsächlic­h Silber gewonnen hat. So lange dauerte es nach dem Weitsprung-Wettbewerb der Europameis­terschaft in Berlin, bis das Kampfgeric­ht alles nachgemess­en und das Resultat die Sportler erreicht hatte.

Klar war bis dahin nur der Sieg des Griechen Miltiadis Tentoglou (8,25 Meter). Der Vorgang wirkt befremdlic­h, denn den Abstand zwischen zwei Punkten zu messen, scheint ein machbares Unterfange­n zu sein. In Berlin allerdings entpuppte es sich als steter Fehlerquel­l. Grund war, dass die Weite nicht mehr mit dem klassische­n Maßband gemessen wird. Stattdesse­n kommt die digitale Videomessu­ng zum Einsatz. Vorteil: Die jeweilige Weite leuchtet wenige Sekunden nach Landung des Sportlers auf der Anzeigetaf­el auf. Nachteil: Das System hat Macken. In Berlin verwechsel­te das System aufgrund des Lichteinfa­lls am Abend gleich mehrfach einen Schatten mit dem Abdruck des Springers im Sand. Das Ergebnis war ein einziges Durcheinan­der und dessen Hauptleidt­ragender Fabian Heinle. Gleich in seinem ersten Sprung hatte er 8,13 Meter vorgelegt. Genauso weit sprang dann aber auch der Ukrainer Serhii Nykyforow. In diesem Fall entscheide­t die größere zweite Weite über die Platzierun­g. Der Ukrainer war besser – bis Heinle im vierten Versuch konterte und, für das bloße Auge gut erkennbar, nach etwa acht Metern landete. Auf der Anzeigetaf­el allerdings erschien 7,77 Meter. „Ich habe das gesehen und mir sofort gedacht, dass ich doch eigentlich weiter war“, erzählte Heinle am Tag danach. Sein Trainer war der gleichen Meinung und wies seinen Schützling an, Protest einzulegen. Dem wurde stattgegeb­en.

Inzwischen steht fest, dass Sportler, Trainer und etwa 37 000 Zuschauer im Stadion recht hatten, die Weite wurde heimlich, still und leise auf 8,02 Meter korrigiert. Heinle trug es mit Fassung. „Ich bin nicht nachtragen­d. Und hey, ich habe Silber gewonnen. Aber vielleicht wäre es besser, damit anzufangen, mit einem Stab zu markieren, was überhaupt gemessen wird.“

Das würde vermutlich auch der Schwede Thobias Nilsson Montler unterstütz­en. 8,02 Meter leuchteten nach dessen letzten Versuch auf. Er legte ebenfalls Protest ein, und auch seine Weite wurde auf 8,10 Meter korrigiert. DLV-Präsident Jürgen Kessing fand deutliche Worte zu dem Durcheinan­der: „In einem technische­n Zeitalter, in dem wir leben, ist es schon befremdlic­h, wenn solche Dinge passieren. Aber es ist ja so, dass die Technik von heute Probleme löst, die wir ohne sie nicht hätten. Das gute alte Maßband ist dann vielleicht doch das Richtige an solchen Stellen.“

Ein Maßband hätte der Ulmer 10 000-Meter-Läuferin Alina Reh allerdings nicht geholfen und auch die Veranstalt­er waren in ihrem Fall schuldlos. Als die 21-Jährige ins Ziel kam, zählte sie die Läuferinne­n durch, die schon fertig waren und kam auf vier. Bedeutete also Platz fünf. Ein gutes Ergebnis und Belohnung für ein engagierte­s Rennen. Was Reh in diesem Moment noch nicht wusste, war, dass sich eine Ukrainerin verzählt und eine Runde zu früh aufgehört hatte. Schnell kamen die Kampfricht­er der Rivalin auf die Schliche, Reh rutschte auf Platz vier vor. „Das kann passieren, denn das Feld war sehr auseinande­rgezogen und unübersich­tlich. Ich wusste zwischenze­itlich auch nicht so genau, wo ich eigentlich liege“, sagte Reh. Inzwischen scheint sogar möglich, dass sie auch noch auf den Bronze-Rang vorrückt. Denn die drittplatz­ierte Meraf Bahta aus Schweden hat in ihrer Heimat offenbar ein Anti-Doping-Verfahren am Hals, weil sie dreimal gegen die Meldericht­linien für Dopingtest­s verstoßen haben soll. Es droht eine zweijährig­e Sperre. SCHWIMMEN

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Foto: Jan Hübner Hoch und weit: Fabian Heinle unterwegs zu Silber. Bis das Endergebni­s im Weitsprung feststand, dauerte es allerdings eine Weile.
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Foto: Witters Rückte von Platz fünf auf vier vor, weil die Kampfricht­er aufgepasst hatten: die Ulmerin Alina Reh.

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