Fürchten kann abhängig machen
Das ist doch der reinste Horror, flüstert der Grantler leise. Er blickt um sich, die rechte Braue nach oben gezogen. Überall sind sie, diese Smartphone-Zombies, Digital-Gestalten und Laptop-Fratzen. Die Visage starr auf den Bildschirm gerichtet, tippen sie den lieben langen Tag in die unzähligen Messenger- und Mailing-Dienste dieser Welt. „Verdammich“, urteilt der Mittfünfziger und sieht beleidigt weg. Wie es sich für einen Mann seines Wesens ziemt, oder auch nicht, lässt er sich auf einem Stein vor dem Bücherturm nieder. Er guckt bedröppelt und knurrt: „Diese Gesellschaft ist doch zum Fürchten.“
Jaja, der Grantler liebt das Fürchten. Es bietet dem muffeligen Bayern eben jene Plattform, die es ihm erlaubt, sich aufzuregen und über Dinge zu echauffieren, die er eh nicht ändern kann. Gewissermaßen ist er in dieser Hinsicht ein Junkie. Als ihm dieser Gedanke kommt, muss er fast ein bisschen grinsen – ein Gesichtsausdruck, der sein Umfeld zum Schaudern bringen kann. Jedenfalls schlägt der Mann das eine Bein über das andere, zückt sein Smartphone und beginnt, „gruseln“und „Junkie“zu googeln. Es dauert nicht lange, bis die Suchmaschine das Wort Angstlust ausspuckt; ein ambivalentes Phänomen, das die Menschen dazu treibt, den Grusel absichtlich zu suchen. „Wie eine Droge“, stößt es dem Grantler hoch.
Diese Nische hat die Unterhaltungsindustrie schon vor langer Zeit entdeckt. Persönlichkeiten wie Alfred Hitchcock und Steven King haben sie mit den absurdesten Geschichten gefüllt. Doch nur beim Gedanken daran stellen sich beim Grantler die dunklen Armhaare auf, um dann im windigen Schatten des Bücherturms zu zittern. Das geht jetzt dann doch zu weit, brummt der Mann in sich hinein – und bleibt künftig lieber abstinent.
Unweit des Grantlerecks hat sich übrigens auch die Redaktion der
Neuburger Rundschau Gedanken zum Gruseln gemacht. Sie hat Archive, Bücher und Dokumente der Region durchstöbert, nach sagenträchtigen Geschichten gesucht – und sie schließlich auch gefunden. Um welche es sich dabei handelt, das erfahren Sie in den kommenden Wochen in unserer Zeitung.