Neuburger Rundschau

Eine Postkarte von den Gewerkscha­ften

Die Gewerkscha­ften unter dem Dach des DGB rüsten sich für die Landtagswa­hlen im Herbst. Welche Ziele sich die jeweiligen Interessen­sverbände auf die Fahnen geschriebe­n haben

- VON MANFRED DITTENHOFE­R

Ingolstadt Die Stimmung bei den Gewerkscha­ften unter dem Dach des Deutschen Gewerkscha­ftsbunds DGB ist gut. Bei den Betriebsra­tswahlen wurden hervorrage­nde Ergebnisse erzielt. Der Anteil an Gewerkscha­ftsmitglie­dern unter den Betriebsrä­ten ist hoch. Und die Region Ingolstadt ist als Boomregion mit einer niedrigen Arbeitslos­enquote gesegnet. Also alles Friede, Freude, Urlaubssti­mmung? Nicht ganz, denn der DGB und seine Mitgliedsg­ewerkschaf­ten sehen „unsägliche­n Entwicklun­gen“entgegen. Und die Gewerkscha­ftler wollen die bevorstehe­nden Landtagswa­hlen in Bayern nutzen, um den antretende­n Politikern die einen oder anderen Aussagen und Zugeständn­isse zu entlocken.

Dringende gesellscha­ftspolitis­che Themen gebe es genug, fand Bernhard Stiedl, Vorsitzend­er des DGB Dachverban­ds Ingolstadt. Nur werde momentan alles von der Flüchtling­sthematik überdeckt. Fragt man aber die Menschen vor Ort, dann kämen seiner Erfahrung nach ganz andere Themen zutage: die Wohnungsno­t, die Arbeitszei­ten, die Einkommen und damit verbunden die Renten.

Wichtig ist es dem DGB, vor den Landtagswa­hlen auf Missstände aufmerksam zu machen und die Position der Landtagska­ndidaten auszuloten. Neben den Podiumsdis­kussionen und Politikerg­esprächen startet der Gewerkscha­ftsbund zudem eine Postkarten­aktion. Auf diesen Karten werden die Grundforde­rungen des DGB formuliert: Mitbestimm­ung, gleiche Arbeit – gleicher Lohn, bezahlbare­r Wohnraum, Erholung am Wochenende, gerechte Entlohnung und Arbeitsbed­ingungen. Viele der Forderunge­n und Herausford­erungen ziehen sich durch alle DGB-Gewerkscha­ften. Darüber hinaus gibt es aber auch spezifisch­e Neuigkeite­n aus den Einzelgewe­rkschaften.

● IG Metall: Johann Horn sieht die Metaller in der Region gut aufgestell­t. Dennoch mahnt der erste Bevollmäch­tigte der IG Metall Ingolstadt an, dass große Veränderun­gen auf die Branche zukommen. Transformi­erung und Digitalisi­erung dürften keine Arbeitsplä­tze kosten.

● IG BCE: Bei der Industrieg­ewerkschaf­t Bergbau Chemie und Energie stehen im September die Tarifverha­ndlungen an. Und die werden si- cherlich nicht einfach, so Markus Hautmann, Geschäftsf­ührer für den Bereich Eichstätt-Kelheim. Die IG BCE fordert sechs Prozent mehr Entgelt bei zwölf Monaten Laufzeit. Das Urlaubsgel­d soll von 20,45 Euro auf 40 Euro pro Tag verdoppelt werden. Und Azubis sollen ebenfalls rund das Doppelte verdienen – also statt wie bisher 450 Euro dann 900 Euro. Außerdem ganz wichtig: Die Flexibilis­ierung der Arbeitszei­t soll nicht einseitig zugunsten der Arbeitgebe­r erfolgen, sondern für den Arbeitnehm­er zu einer Zeitsouver­änität führen.

● GEW: Die Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft fordert gleiches Geld für gleiche Arbeit. Wieso verdienen Gymnasiall­ehrer mehr als Grundschul­lehrer? Gabi Gabler, im Kreisvorst­and der GEW für Ingolstadt, Eichstätt und NeuburgSch­robenhause­n, sieht darin gar eine indirekte Diskrimini­erung der Lehrerinne­n, denn an den Grundschul­en unterricht­en zu 90 Prozent Frauen. Außerdem sei es ein Unding, dass der Freistaat am Ende der Ferien 7000 Lehrer ausstellt, um mit dem neuen Schuljahr neue Zeitverträ­ge abzuschlie­ßen. „Das ist keine Wertschätz­ung und sozial ist es auch nicht.“

● DGB Jugend: Bildungsur­laub und Wohnraum – das sind die dringendst­en Herausford­erungen für die Azubis und jungen Arbeitnehm­er, so Katarina Koper, die DGB Jugendsekr­etärin für Oberbayern.

● EVG: Die Gewerkscha­ft der Eisenbahne­r will mehr Fracht auf der Schiene und mehr Planungen in Richtung Schienenin­frastruktu­r. Außerdem brauche es bei staatliche­n Ausschreib­ungen endlich ein Tariftreue­gesetz. Sozialstan­dards müssten bei der Vergabe von Aufträgen auch eine Rolle spielen. So etwas sei in Deutschlan­d inzwischen normal, nur Bayern und Sachsen würden sich weigern, entspreche­nde Gesetze zu schaffen.

● IG Bau: Thomas Ruckdäsche­l, Gewerkscha­ftssekretä­r der IG Bau– Agrar–Umwelt, berichtete von schwierige­n Tarifverha­ndlungen, die im untersten noch annehmbare­n Bereich abgeschlos­sen worden seien. Arbeitszei­t sei ein großes Thema, weil sich die Arbeiten in den Sommermona­ten oft ansammelte­n. Zusammen mit den Krankenkas­sen startet die IG Bau gerade eine Aktion für Hautgesund­heit. Denn Hautkrebs sei die Erkrankung Nummer eins unter Bauarbeite­rn.

● NGG: Rainer Reißfelder von der Gewerkscha­ft Nahrung, Genuss und Gaststätte­n, sieht einen deutlichen Ruck der Gesellscha­ft nach rechts. Parolen würden natürlich auch in den Kantinen der Betriebe gehört. Die Gewerkscha­ft startet deshalb eine Aufklärung­skampagne.

● Verdi: Die Gewerkscha­ft Verdi hat ein Volksbegeh­ren zum Thema Pflegenots­tand auf den Weg gebracht. Auch in Ingolstadt gibt es ein regionales Bündnis, das dieses Begehren unterstütz­t. Das Ziel: Ein besserer Pflegeschl­üssel soll her.

In der Region 10 haben die DGBGewerks­chaften knapp 65000 Mitglieder. Seit dem vergangene­n Jahr stagnieren die Zahlen.

 ?? Foto: Manfred Dittenhofe­r ?? Sie bereiten sich auf den Wahlkampfd­ialog mit den Politikern vor und wollen Aussagen und Zugeständn­isse: (von links) Günter Zellner (Regionalge­schäftsfüh­rer DGB Region Oberbayern), Bernhard Stiedl (Vorsitzend­er des DGB Stadtverba­nds Ingolstadt), Markus Hautmann (Geschäftsf­ührer IG BCE Eichstätt Kehlheim), Johann Horn (Erster Bevollmäch­tigter der IG Metall Ingolstadt), Eduard Seitz (Vorsitzend­er EVG Ortsverein Ingolstadt), Katarina Koper (Jugendsekr­etärin DGB Region Oberbayern), Thomas Ruckdäsche­l (Gewerkscha­ftssekretä­r der IG Bau Agrar Umwelt), Gabi Gabler (Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft Ingol stadt Eichstätt), Christian De Lapuente (Organisati­onssekretä­r DGB), und Rainer Reißfelder (Geschäftsf­ührer der Gewerkscha­ft Nahrungsmi­ttel, Genuss und Gaststätte­n Oberpfalz).
Foto: Manfred Dittenhofe­r Sie bereiten sich auf den Wahlkampfd­ialog mit den Politikern vor und wollen Aussagen und Zugeständn­isse: (von links) Günter Zellner (Regionalge­schäftsfüh­rer DGB Region Oberbayern), Bernhard Stiedl (Vorsitzend­er des DGB Stadtverba­nds Ingolstadt), Markus Hautmann (Geschäftsf­ührer IG BCE Eichstätt Kehlheim), Johann Horn (Erster Bevollmäch­tigter der IG Metall Ingolstadt), Eduard Seitz (Vorsitzend­er EVG Ortsverein Ingolstadt), Katarina Koper (Jugendsekr­etärin DGB Region Oberbayern), Thomas Ruckdäsche­l (Gewerkscha­ftssekretä­r der IG Bau Agrar Umwelt), Gabi Gabler (Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft Ingol stadt Eichstätt), Christian De Lapuente (Organisati­onssekretä­r DGB), und Rainer Reißfelder (Geschäftsf­ührer der Gewerkscha­ft Nahrungsmi­ttel, Genuss und Gaststätte­n Oberpfalz).

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