Eine Postkarte von den Gewerkschaften
Die Gewerkschaften unter dem Dach des DGB rüsten sich für die Landtagswahlen im Herbst. Welche Ziele sich die jeweiligen Interessensverbände auf die Fahnen geschrieben haben
Ingolstadt Die Stimmung bei den Gewerkschaften unter dem Dach des Deutschen Gewerkschaftsbunds DGB ist gut. Bei den Betriebsratswahlen wurden hervorragende Ergebnisse erzielt. Der Anteil an Gewerkschaftsmitgliedern unter den Betriebsräten ist hoch. Und die Region Ingolstadt ist als Boomregion mit einer niedrigen Arbeitslosenquote gesegnet. Also alles Friede, Freude, Urlaubsstimmung? Nicht ganz, denn der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften sehen „unsäglichen Entwicklungen“entgegen. Und die Gewerkschaftler wollen die bevorstehenden Landtagswahlen in Bayern nutzen, um den antretenden Politikern die einen oder anderen Aussagen und Zugeständnisse zu entlocken.
Dringende gesellschaftspolitische Themen gebe es genug, fand Bernhard Stiedl, Vorsitzender des DGB Dachverbands Ingolstadt. Nur werde momentan alles von der Flüchtlingsthematik überdeckt. Fragt man aber die Menschen vor Ort, dann kämen seiner Erfahrung nach ganz andere Themen zutage: die Wohnungsnot, die Arbeitszeiten, die Einkommen und damit verbunden die Renten.
Wichtig ist es dem DGB, vor den Landtagswahlen auf Missstände aufmerksam zu machen und die Position der Landtagskandidaten auszuloten. Neben den Podiumsdiskussionen und Politikergesprächen startet der Gewerkschaftsbund zudem eine Postkartenaktion. Auf diesen Karten werden die Grundforderungen des DGB formuliert: Mitbestimmung, gleiche Arbeit – gleicher Lohn, bezahlbarer Wohnraum, Erholung am Wochenende, gerechte Entlohnung und Arbeitsbedingungen. Viele der Forderungen und Herausforderungen ziehen sich durch alle DGB-Gewerkschaften. Darüber hinaus gibt es aber auch spezifische Neuigkeiten aus den Einzelgewerkschaften.
● IG Metall: Johann Horn sieht die Metaller in der Region gut aufgestellt. Dennoch mahnt der erste Bevollmächtigte der IG Metall Ingolstadt an, dass große Veränderungen auf die Branche zukommen. Transformierung und Digitalisierung dürften keine Arbeitsplätze kosten.
● IG BCE: Bei der Industriegewerkschaft Bergbau Chemie und Energie stehen im September die Tarifverhandlungen an. Und die werden si- cherlich nicht einfach, so Markus Hautmann, Geschäftsführer für den Bereich Eichstätt-Kelheim. Die IG BCE fordert sechs Prozent mehr Entgelt bei zwölf Monaten Laufzeit. Das Urlaubsgeld soll von 20,45 Euro auf 40 Euro pro Tag verdoppelt werden. Und Azubis sollen ebenfalls rund das Doppelte verdienen – also statt wie bisher 450 Euro dann 900 Euro. Außerdem ganz wichtig: Die Flexibilisierung der Arbeitszeit soll nicht einseitig zugunsten der Arbeitgeber erfolgen, sondern für den Arbeitnehmer zu einer Zeitsouveränität führen.
● GEW: Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft fordert gleiches Geld für gleiche Arbeit. Wieso verdienen Gymnasiallehrer mehr als Grundschullehrer? Gabi Gabler, im Kreisvorstand der GEW für Ingolstadt, Eichstätt und NeuburgSchrobenhausen, sieht darin gar eine indirekte Diskriminierung der Lehrerinnen, denn an den Grundschulen unterrichten zu 90 Prozent Frauen. Außerdem sei es ein Unding, dass der Freistaat am Ende der Ferien 7000 Lehrer ausstellt, um mit dem neuen Schuljahr neue Zeitverträge abzuschließen. „Das ist keine Wertschätzung und sozial ist es auch nicht.“
● DGB Jugend: Bildungsurlaub und Wohnraum – das sind die dringendsten Herausforderungen für die Azubis und jungen Arbeitnehmer, so Katarina Koper, die DGB Jugendsekretärin für Oberbayern.
● EVG: Die Gewerkschaft der Eisenbahner will mehr Fracht auf der Schiene und mehr Planungen in Richtung Schieneninfrastruktur. Außerdem brauche es bei staatlichen Ausschreibungen endlich ein Tariftreuegesetz. Sozialstandards müssten bei der Vergabe von Aufträgen auch eine Rolle spielen. So etwas sei in Deutschland inzwischen normal, nur Bayern und Sachsen würden sich weigern, entsprechende Gesetze zu schaffen.
● IG Bau: Thomas Ruckdäschel, Gewerkschaftssekretär der IG Bau– Agrar–Umwelt, berichtete von schwierigen Tarifverhandlungen, die im untersten noch annehmbaren Bereich abgeschlossen worden seien. Arbeitszeit sei ein großes Thema, weil sich die Arbeiten in den Sommermonaten oft ansammelten. Zusammen mit den Krankenkassen startet die IG Bau gerade eine Aktion für Hautgesundheit. Denn Hautkrebs sei die Erkrankung Nummer eins unter Bauarbeitern.
● NGG: Rainer Reißfelder von der Gewerkschaft Nahrung, Genuss und Gaststätten, sieht einen deutlichen Ruck der Gesellschaft nach rechts. Parolen würden natürlich auch in den Kantinen der Betriebe gehört. Die Gewerkschaft startet deshalb eine Aufklärungskampagne.
● Verdi: Die Gewerkschaft Verdi hat ein Volksbegehren zum Thema Pflegenotstand auf den Weg gebracht. Auch in Ingolstadt gibt es ein regionales Bündnis, das dieses Begehren unterstützt. Das Ziel: Ein besserer Pflegeschlüssel soll her.
In der Region 10 haben die DGBGewerkschaften knapp 65000 Mitglieder. Seit dem vergangenen Jahr stagnieren die Zahlen.