Ein Knochenjob
Biotonnenleeren mit einem Team der Landkreisbetriebe im Neuburger Schwalbanger. Warum die Müllmänner eigentlich Saubermänner heißen müssten
Unterwegs mit einem Team beim Leeren der Biotonnen im Schwalbanger. Warum die Müllmänner eigentlich Saubermänner heißen müssten. »
Neuburg Man liest so was in der Zeitung, unter Vermischtes: In Neapel streikt mal wieder die Müllabfuhr, manchmal auch in Palermo. Was das bedeutet, kann man sich trotz der aktuellen Hitzewelle hierzulande nicht wirklich vorstellen. Benedikt Fehringer schon, er hat täglich mit stinkendem Müll zu tun. Der 25-Jährige ist Lader bei den Landkreisbetrieben. Während sein Kollegen Stefan Kügler, der Fahrer, den weißen 15-Tonner mit den bunten Logos vorne steuert, leert er hinten die Biomülltonnen. Ein Knochenjob, nicht nur in diesen Wochen. Diese Arbeit stinkt im Wortsinn zum Himmel.
„Willst du’s ganz ehrlich wissen?“, nimmt er in einer kurzen Pause kein Blatt vor den Mund. „Das ist ein echter Scheißjob. Und wegen dem Geld machst du das auch nicht.“Doch jede Medaille hat ihre zwei Seiten, die Landkreisbetriebe seien ein guter Arbeitgeber. „Öffentlicher Dienst, das ist eine sichere Sache. Und Müll gibt’s immer. Überhaupt, am Bandl bei der Audi stehen, das macht auch keinen Spaß“, sagt der Jüngere. Den ganzen Tag draußen sein, für einen mit Bürojob vielleicht ein Traum. „Bestimmt nicht wegen der guten Luft“, scherzt der 48-jährige Kügler über seine Berufung.
Jetzt im Hochsommer kommt der Tonneninhalt bisweilen in Bewegung. Nahrungsreste ziehen Fliegen an wie das Licht die Motten. Das Ergebnis, das den Unvorbereiteten beim Öffnen des Deckels unwillkürlich zurückfahren lässt: Maden. Und die riecht man auch. Benedikt Fehringer öffnet alle Tonnen, zur Kontrolle. Nach der Schüttung überzeugt er sich, ob sie auch komplett entleert sind und vorher wird stichprobenartig der Inhalt überprüft. „Man bekommt da ein Gefühl dafür, ob was drin ist, was nicht rein soll“, sagt Stefan Kügler. Plastik ist ein großes Problem. Die organischen Abfälle landen am Ende schließlich in der Biogasanlage. „Manche Leute schmeißen einfach alles rein, denen ist das wurscht, Hauptsache das Zeug ist weg.“In der Stadt passiere das häufiger als auf dem Land. Und besonders oft finden die Müllmänner Sauereien in den Tonnen vor den großen Blocks. Die Anonymität dieser Wohnanlagen möge diese Untugend wohl verstärken, meint der Fahrer. Hat der Lader einen Fehlwurf entdeckt, wird der dokumentiert, die Tonne bleibt ungeleert. Drauf kommt ein Aufkleber, auf dem der Besitzer nachlesen kann, warum. Die Landkreisbetriebe erhoffen sich einen erzieherischen Effekt, die Müllmänner dagegen müssen bisweilen mit aufgebrachten Anliegern diskutieren. Stefan Kügler zuckt die Schultern. Ihn bringt nichts aus der Ruhe. Immerhin macht er den Job seit 16 Jahren.
Der Selbstversuch: Der Lader bugsiert die Tonnen mit traumwandlerischer Routine: Am Griff packen, nachschleifen, mit Schwung um 180 Grad drehen, in den Lifter einhängen. Und zurückstellen. Weiter geht’s. Sieht so leicht aus, ist es aber nicht. Der Anfänger kann jede Menge Fehler machen. Erstens: Die Tonnen antippen, hochwuchten und auf den beiden Rädchen hinter sich herziehen. Eine wackelige Sache, die schnell kippen kann, weil die Dinger verdammt schwer sein können. Unter dem Deckel steht am Rand das Fassungsvermögen in Litern und das entsprechende Gewicht in Kilo. Beim 240 Liter-Monstrum können das 110 Kilo sein. Die StandardTonne fasst nur 40 Liter, doch der Profi bugsiert immer zwei davon zur Schüttung. Zweitens: So schnell die Tonnen oben sind, sind sie wieder unten. Also, am Lifter immer einen Schritt zurücktreten. Drittens: Wir befinden uns mitten auf der Straße. Für die anderen Verkehrsteilnehmer sind wir nur ein lästiges Hindernis, das es möglichst schnell zu umkurven gilt. Bedeutet, Augen auf, wer nicht unter die Räder kommen will.
Zum Glück sitzt vorne in der Kabine Stefan Kügler, ein Meister am Steuer. Über Rückspiegel und mehrere Kameras hat er Straße und Kollegen immer im Blick. „Ein guter Fahrer vergisst nie, dass da hinten einer drauf steht.“Und er hilft dem Kollegen selbstredend auch mal beim Leeren, wo sich im Quartier die Tonnen am Straßenrand stapeln. Lader ist ein Knochenjob. Das ständige Aufund Abspringen geht auf die Knie und Bänder. „Man muss sich fragen, wie lange man das machen kann“, sagt Stefan Kügler. Gelernt hat er Maschinenschlosser, dann am Heck eines Lasters in der Müllbranche angefangen. Dank eines Führerscheins Klasse C ist er schon nach wenigen Jahren auf den Fahrersitz gewechselt.
Mit Fingerspitzengefühl lenkt er den Mercedeslaster durch das Wohngebiet im Neuburger Osten. Manchmal ist das Zentimeterarbeit, wenn Anwohner ihre Autos kreuz und quer abgestellt haben. Dann kommt es vor, dass Stefan Kügler seine Route ändern muss, später nochmals kommt oder von der anderen Seite in eine Straße einfährt. Das kostet Zeit und zieht die Acht-Stunden-Schicht in die Länge. „An einem schlechten Tag hast du Baustellen, Falschparker, viel Verkehr. Und auf die Radler musst du ganz besonders aufpassen, die fahren links und rechts vorbei.“Doch es sind Ferien und weniger Leute unterwegs. Heute ist ein guter Tag. Es ist kurz vor 10 Uhr, die Männer sind jetzt seit drei Stunden unterwegs, dann eine kleine Kaffeepause. Noch fünf Stunden liegen vor ihnen. Wenn die Büro- oder Fabrikarbeiter am späten Nachmittag oder abends nach Hause kommen, sind die Tonnen längst geleert, nichts türmt sich vor den Häusern und in den Straßen und gammelt vor sich hin. Die Müllmänner sind eigentlich Saubermänner. Sie halten jeden Tag die Knochen hin und unsere Wohlstandsgesellschaft am Laufen.