Neuburger Rundschau

Kann das auch bei uns passieren?

Rund 5000 Brücken weisen erhebliche Mängel auf. Die Bundesregi­erung spricht von Milliarden­investitio­nen zur Sanierung. Opposition kritisiert: Zu lange von Substanz gelebt

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Nach dem Brückenung­lück in Genua lautet die bange Frage: Kann das in Deutschlan­d auch passieren? Viele Experten sehen keine Gefahr. Doch auch hierzuland­e brauchen viele ältere Konstrukti­onen eine Rundumerne­uerung – das kostet.

Wie viele Brücken gibt es in Deutschlan­d an Bundesfern­straßen und wie alt sind diese?

Auf Bundesstra­ßen und Autobahnen gibt es nach Angaben der Bundesanst­alt für Straßenwes­en (BASt) knapp 40 000 Brücken. Bei der Konstrukti­onsweise überwiegen sogenannte Spannbeton­brücken mit rund 70 Prozent. Ein Großteil der Brücken ist demnach mehr als 40 Jahre alt. In den westlichen Bundesländ­ern wurden zahlreiche Brücken zwischen 1960 und 1985 gebaut. In den östlichen Bundesländ­ern kam es nach der Wiedervere­inigung zu zahlreiche­n Neubauten.

In welchem Zustand befinden sich diese Brücken?

Rund elf Prozent der Brücken befinden sich laut BASt in einem „nicht ausreichen­den“, zwei Prozent sogar in einem „ungenügend­en“Zustand. So ergibt sich eine Gesamtzahl von mehr als 5000 Brücken in Deutschlan­d, die als marode gelten können. Wie das Bundesverk­ehrsminist­erium auf Anfrage unserer Zeitung mitteilt, geben diese Noten die Grundlage für die Erhaltungs­planung, aber keinen Aufschluss über mögliche Schäden. Die Note „ungenügend“besage also nicht, dass die Brücke einsturzge­fährdet sei. Sie könne bedeuten, dass bei der Brücke im Geländer Stäbe fehlen oder Beton auf der Fahrbahn abgeplatzt ist. Über zwölf Prozent der Brücken befinden sich in einem guten oder sehr guten Zustand. Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer hält einen Vergleich von deutschen und ausländisc­hen Brücken zudem für unpassend. „Was in Deutschlan­d als marode oder nicht ausreichen­d gilt, ist anderswo in einem guten Zustand eingestuft“, sagte der CSU-Politiker. Unfälle sind aber auch in Deutschlan­d möglich, wie der Teileinstu­rz einer Autobahnbr­ücke in Franken 2016 mit einem Toten zeigte. Die Brücke war allerdings ein Neubau und noch nicht in Betrieb.

Wie werden die Brücken kontrollie­rt?

Die Straßen- und Autobahnme­isterei muss jede Brücke zweimal jährlich auf Schäden überprüfen. Darüber hinaus gibt es eine Art „Brücken-TÜV“: Alle sechs Jahre erfolgt eine „fachkundig­e Hauptprüfu­ng“, jeweils drei Jahre danach folgt eine einfache Prüfung. Die Pflicht zur Brückenprü­fung gilt auch auf Strecken, die im Rahmen von öffentlich-privaten Partnersch­aften betrieben werden.

Was setzt den Brücken so zu?

Der Zahn der Zeit erklärt die massiven Brückensch­äden nur zum Teil. Experten sehen die extreme Zunahme des Güterverke­hrs als einen entscheide­nden Faktor. Viele Brücken sind ursprüngli­ch nur für einen Bruchteil der Belastunge­n konstruier­t, die sie heute aushalten müssen. So geht es in vielen Fällen nicht nur um einen reinen Erhalt der Substanz, sondern um eine Ertüchtigu­ng der Brücke für heutige Anforderun­gen.

Was tut die Bundesregi­erung? Nach Angaben des Verkehrsmi­nisteriums wurden die Investitio­nen für die Erhaltung der Bundesfern­straßen (Strecke und Brücke) in den letzten Jahren kräftig aufgestock­t. Für das Jahr 2018 stehen demnach 3,9 Milliarden Euro (davon 1,4 Milliarden Euro für die Brückenerh­altung) bereit, bis 2022 soll der Betrag auf rund 4,4 Milliarden Euro anwachsen. Im Rahmen des Sonderprog­ramms stehen 2018 bis 2022 weitere 4,1 Milliarden Euro bereit.

Was sagt die Opposition?

Michael Theurer, Vizechef der FDP-Fraktion im Bundestag, übt scharfe Kritik an der Regierung: „Im Bereich der Verkehrsin­frastruktu­r erleben wir eine Dysfunktio­nalität staatliche­n Handelns, die dringend beseitigt werden muss. In der Vergangenh­eit wurde zu lange von der Substanz gelebt, jetzt schaffen wir es nicht, die Mittel auch zu verbauen.“Als Gegenmaßna­hme fordert Theurer ein „Planungsbe­schleunigu­ngsgesetz wie nach der deutschen Einheit“.

Und die Autofahrer?

Hierzuland­e fühlt sich das Gros auf deutschen Autobahnbr­ücken sicher. In einer Umfrage der Online-Medien der Funke-Mediengrup­pe in Zusammenar­beit mit dem Institut Civey gaben rund 78 Prozent der Befragten an, sich „sehr sicher“(30 Prozent) oder „sicher“(48 Prozent) zu fühlen. Lediglich 11 Prozent wähnten sich in Gefahr. (mit dpa)

 ?? Foto: Karl Josef Hildenbran­d, dpa ?? Die Situation ist nicht mit Italien vergleichb­ar, doch auch deutsche Brücken brachen schon ein, wie hier im Juni 2016. Damals stürzten Teile der Talbrücke Schraudenb­ach an der Autobahn A7 bei Werneck (Franken) herab. Grund war ein Konstrukti­onsfehler.
Foto: Karl Josef Hildenbran­d, dpa Die Situation ist nicht mit Italien vergleichb­ar, doch auch deutsche Brücken brachen schon ein, wie hier im Juni 2016. Damals stürzten Teile der Talbrücke Schraudenb­ach an der Autobahn A7 bei Werneck (Franken) herab. Grund war ein Konstrukti­onsfehler.

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