Meerjungfrauen in Not
Seekühe sollen der Ursprung für die Sagengestalten sein. Wie sie ihr Leben im Amazonas verbringen
Augsburg Mit Muschelbikini und langem Fischschwanz rekelt sich die Meerjungfrau auf einem Felsen, der mitten aus dem Meer ragt. Die orangerote Abendsonne glitzert dabei im Wasser.
Der Weg von den grau-braunen und dicklichen, langsam im Wasser treibenden Seekühen zum oben beschriebenen Bild ist weit. Dennoch gelten die Seekühe oder Manatis als Ursprung der Meerjungfrauenlegende. Es waren wohl die etwa auf Brusthöhe der Tiere stehenden Zitzen, die die Seefahrer an Frauenbrüste erinnert haben. Selbst der botanische Name der Tiere, Sirenia, weist auf die Legende hin. Er ist angelehnt an die Sirenen aus der griechischen Mythologie, die Seefahrer mit ihrem betörenden Gesang in die Falle locken.
Während von den Seekühen für Matrosen tatsächlich keine Gefahr ausgeht, gelten inzwischen alle Manati-Arten als bedroht. Auch die Amazonas-Seekuh, die, wie der Name verrät, nur im weitläufigen Flusssystem des Amazonas vorkommt. Darunter auch in einigen Zuflüssen in Peru, Ecuador und Kolumbien. Die Flussseekuh zählt zur Familie der Rundschwanzseekühe, auch Manatis genannt. Daneben gibt es noch Gabelschwanzseekühe (Dugongs). Die Amazonas-Seekuh ist die einzige Manati-Art, die ausschließlich im Süßwasser lebt.
Die dicken grauen Tiere verbringen ihr ganzes Leben im Wasser. Wie Wale und Delfine müssen die Seekühe zum Atmen auftauchen. Das machen sie in der Regel mehrmals pro Minute, können aber auch bis zu 15 Minuten unter Wasser bleiben. Ihre Nahrung finden die Amazonas-Manatis demzufolge unter Wasser. Sie ernähren sich ausschließlich von Wasserpflanzen. Angaben des WWF (World Wildlife Fund) zufolge müssen die Tiere täglich zwischen acht und 15 Prozent ihres Körpergewichts fressen. Dabei bringt die Amazonas-Seekuh als kleinste Manati-Art immer noch zwischen 350 und 500 Kilogramm auf die Waage. Ausgewachsene Tiere sind im Schnitt zwischen 250 und 300 Zentimeter lang.
Hungerperioden, etwa wenn in der Trockenzeit nur wenige Wasserpflanzen wachsen können, überstehen die Tiere dank einer dicken Fettschicht, dem sogenannten Blubber. Im Extremfall überleben die behäbigen Säugetiere bis zu sechs Monate ohne Nahrung. Trotz dieser beeindruckenden Leistung und der Tatsache, dass sie kaum natürliche Feinde haben, zählen die Amazonas-Seekühe zu den bedrohten Arten. Eine genaue Schätzung der Bestandsgröße ist jedoch schwer zu erstellen, da das Amazonasgebiet, in dem sie leben, sehr groß und gleichzeitig sehr unwegsam ist.
Es ist vor allem der Mensch, der den Tieren zusetzt. Das Fleisch und Fett der langsamen, friedfertigen und daher leicht zu jagenden Tiere war über Jahrhunderte sehr begehrt. Heute ist die größte Gefahr für die Fluss-Manatis die Rodung des Amazonas-Regenwalds für Plantagen, Tierweiden, Bergbau und Holzproduktion. Dadurch wird ihr Lebensraum immer kleiner.
Der Name Seekuh führt übrigens auf eine falsche Fährte. Die nächsten Verwandten der Tiere an Land sind nicht Kühe, sondern Elefanten.