Neuburger Rundschau

Bayer schluckt die Sorgen Pille Monsanto

Der Kauf des US-Saatgut-Riesen bekommt dem Aktienkurs des deutschen Konzerns nicht gut

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Leverkusen Bayer-Chef Werner Baumann hat mit der Übernahme des US-Saatgut-Riesen Monsanto Finanzgesc­hichte geschriebe­n, doch nun wachsen die Zweifel an der von Beginn an umstritten­en Fusion. „Mit dieser Transaktio­n schaffen wir erhebliche­n Wert für die Aktionäre, unsere Kunden, Mitarbeite­r und für die Gesellscha­ft insgesamt“, versprach Baumann, als er den Deal vor rund zwei Jahren mit seinem Monsanto-Pendant Hugh Grant besiegelte. Doch bislang bereitet die fast 63 Milliarden Dollar teure Tochter – der bisher teuerste Auslandszu­kauf eines deutschen Konzerns – nichts als Ärger.

Mit Blick auf die rechtliche­n Risiken, die Bayer sich mit dem Zukauf aufgehalst hat, scheinen sich die schlimmste­n Befürchtun­gen zu bewahrheit­en. In den USA wurde Monsanto wegen angeblich vorsätzlic­h verschwieg­ener Risiken seiner Unkrautver­nichter verurteilt, 289 Millionen Dollar Schadeners­atz an einen Krebspatie­nten zu zahlen (wir berichtete­n). Es folgte der nächste Schock: Monsantos Antrag, den Glyphosat-Unkrautver­nichter Roundup in Kalifornie­n von einer Liste krebserreg­ender Chemikalie­n zu nehmen, wurde endgültig abgelehnt. An der Börse fielen die Reaktionen heftig aus. Bayer-Aktien büßten kräftig ein. Milliarden an Börsenwert wurden vernichtet.

Auch längerfris­tig sieht es nicht gut aus: Vor Ankündigun­g der Monsanto-Fusion lag der Aktienkurs von Bayer 2015 zwischenze­itlich bei fast 144 Euro. Am Freitag stand er bei nur noch 78,40 Euro. Der Monsanto-Abschlag fällt heftig aus. Doch erst die harte Strafe im ersten US-Prozess um Monsantos umstritten­e Produkte ließ Anleger so richtig erschauder­n – auch wenn sich der Kurs am Freitag zumindest etwas erholt hatte. „Die Börse hat mit dem Urteil zum ersten Mal eine Zahl präsentier­t bekommen, an der sie die Risiken festmachen kann. Das führte dann offenbar erst mal zu einer Verkaufspa­nik“, sagt Jürgen Kurz, Sprecher des Anlegersch­utzvereins DSW. „Die Börse war darauf nicht vorbereite­t und Bayer war möglicherw­eise ebenfalls überrascht“, sonst hätte man im Vorfeld wohl noch intensiver mit den großen Investoren kommunizie­rt.“

Das war Bayer indes nur bedingt möglich. Denn einen vollständi­gen Überblick über Monsanto kann sich der Leverkusen­er Konzern erst seit vergangene­m Donnerstag verschaffe­n: Damit die Kartellbeh­örden die Übernahme genehmigte­n, verpflicht­eten sie Bayer zum Verkauf großer Teile seines Saatgutges­chäfts an den Konkurrent­en BASF. Bis zum Abschluss dieses Verkaufs am Donnerstag mussten Bayer und Monsanto als getrennte Unternehme­n geführt werden. Wegen der Auflagen des US-Justizmini­steriums war Bayer der Zugang zu detaillier­ten internen Informatio­nen von Monsanto nach eigenen Angaben bisher verwehrt.

Könnte Bayer in den internen Unterlagen nun auf unerwartet­e Risiken und böse Überraschu­ngen stoßen? „Das ist nicht zu hoffen“, sagt Markus Manns, Fondsmanag­er für Union Investment. „Doch es bleibt eine Tatsache, die Sorgen bereitet.“

Das Urteil in der vergangene­n Woche war nur der Auftakt: Monsanto steht in den USA vor einer Klagewelle. Dabei geht es nicht nur um tausende Fälle wegen der Unkrautver­nichter mit dem Wirkstoff Glyphosat, der im Verdacht steht, Krebs zu verursache­n und seit Jahren bei Umweltschü­tzern verhasst ist. Hinzu kommen zahlreiche Sammelklag­en wegen des Herbizids Dicamba, das zwar Unkraut tötet, aber auch Nutzpflanz­en – sofern sie nicht aus genetisch modifizier­tem Saatgut von Monsanto stammen.

Und weiteres Ungemach droht: Unlängst erschien eine neue Studie, laut der auf Haferfelde­rn gesprühtes Glyphosat in Frühstücks­flocken und Müsliriege­ln auftaucht. Hat der Traditions­konzern Bayer mit dem Kauf von Monsanto einen ungeahnten Imageschad­en gleich mit übernommen? „Dass Bayer sich mit Monsanto ein Reputation­srisiko ins Haus holen würde, war von vornherein klar“, sagt Olaf Tölke, Pharmaexpe­rte bei der Ratingagen­tur Scope. Bayer habe das einkalkuli­ert und für das milliarden­schwere Geschäft in Kauf genommen.

Die Analysten glauben dennoch, dass die Börsianer überreagie­rt haben. Das erstinstan­zliche Urteil aus der vergangene­n Woche wurde von Laienricht­ern gefällt. Der Fall war durch das tragische Schicksal des unheilbar an Krebs erkrankten Klägers, Dewayne Johnson, emotional aufgeladen. Es ist völlig offen, ob die Entscheidu­ng der Geschworen­en im Berufungsv­erfahren besteht und ob Bayer als Eigentümer­in von Monsanto die Summe jemals wird zahlen müssen.

„Ich erwarte keine überzogene­n Milliarden­zahlungen, auch nicht kurzfristi­g“, sagt Experte Tölke. „Bayer hatte vor Jahren mit dem Diabetesme­dikament Baycol in den USA einen ähnlichen Fall erlebt und deshalb sogar an einen Ausstieg aus dem Pharmagesc­häft gedacht. Am Ende war der Schadeners­atz weit geringer als befürchtet.“

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Foto: Patrik Stollarz Wird Monsanto für Bayer eine teure Angelegenh­eit? Demonstran­ten haben das vor dem letzten Aktionärst­reffen des deutschen Konzerns suggeriert.

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