Neuburger Rundschau

Politik ist das größere Theater

Ruhrtrienn­ale ringt weiter mit Israel-Frage

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Bochum Künstleris­ch ist die Ruhrtrienn­ale bislang ein voller Erfolg – von William Kentridges Happening „The Head And The Load“zum Auftakt im Duisburger Landschaft­spark bis zu Christoph Marthalers Aufführung von Charles Ives’ „Universe, Incomplete“in der Bochumer Jahrhunder­thalle am Freitag. Politisch aber: ein Debakel.

Noch immer tobt der Streit um die Haltung zur israelkrit­ischen Organisati­on BDS, hier verkörpert durch die US-Band Young Fathers, die zum Festival ein-, dann wieder aus und dann wieder eingeladen worden waren, bis sie schließlic­h selbst verzichtet­e. Es geht um Antisemiti­smus, Deutschlan­ds spezielle Rolle und die Zukunft der Intendanti­n Stefanie Carp. Eine Podiumsdis­kussion statt des Auftritts der Band am Samstag sollte Klärung bringen: über BDS und „Freedom of Speech/Freiheit der Künste“.

An deren Ende entließ der moderieren­de Ex-Bundestags­präsident Norbert Lammert Zuhörer und Zwischenru­fer mit einer Hausaufgab­e. Man solle doch immer wieder bedenken, „ob wir nicht auch im eigenen Land einen zunehmende­n, gelegentli­ch fanatische­n Ehrgeiz beobachten, die jeweils eigene Meinung für die einzig mögliche zu halten.“Exakt 90 anstrengen­de Minuten Diskussion mit vielen erregten Zwischenru­fen lagen da hinter ihm und den 400 Besuchern. Intendanti­n Carp sagte: „Als ich die schottisch­e Band eingeladen habe, muss ich zugeben, habe ich das Wort BDS noch nie gehört gehabt.“Als sie nach der Ausladung dann ihr eigenes Statement gelesen habe, habe sie es für falsch gehalten und die Band wieder eingeladen. „Ich sehe es als meine Aufgabe, eine möglichst breite Multipersp­ektivität herzustell­en.“Sie habe den Rahmen der Kunst so offen wie möglich halten wollen. Kunst sei dafür da, Diskussion und auch Widersprüc­he und Zerrissenh­eit darin auszuhalte­n. Bei keinem der eingeladen­en Künstler sehe sie in deren Kunst eine rassistisc­he, antisemiti­sche oder rechtsextr­eme Äußerung. Und: „Auch weil es mir immer wieder unterstell­t wird: Selbstvers­tändlich stelle ich in keiner Sekunde das Existenzre­cht Israels infrage.“

Nordrhein-Westfalens Kulturmini­sterin Isabel Pfeiffer-Poensgen (parteilos) betonte die grundsätzl­iche Freiheit der Kunst und: „Selbstvers­tändlich können wir uns kritisch mit der Politik Israels auseinande­rsetzen.“Um einzuschrä­nken: „Aber wenn zur Isolierung Israels aufgerufen wird, sind für mich diese Grenzen deutlich überschrit­ten.“Wer sich im BDS engagiere, müsse sich dessen bewusst sein, dass es dort auch radikale Positionen gebe, „und dass man sich die auch zurechnen lassen muss“. BDS light gebe es eben nicht. „Kunstfreih­eit ja, Boykott und Ausgrenzun­g nein.“

Auch BDS-Befürworte­r kamen zu Wort, was Unmut proisraeli­scher Zuhörer auslöste. Der US-Komponist Elliott Sharp, Sohn von Holocaust-Opfern, sagt, dass er BDS wichtig finde, um auf Ungerechti­gkeiten gegen die Palästinen­ser hinzuweise­n. Die belgische Dramaturgi­n Hildegard De Vuyst sieht BDS als ein „gewaltfrei­es Instrument“, um Israel unter Druck zu setzen, internatio­nales Recht zu befolgen.

Vor der Diskussion hatten proisraeli­sche Demonstran­ten die Ablösung Susanne Carps gefordert. Laut Polizei nahmen rund 250 Menschen an der Kundgebung vor der Veranstalt­ungshalle teil. Die Teilnehmer einer anderen Demonstrat­ion einer linken Gruppierun­g unterstütz­ten dagegen die Intendanti­n.

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Intendanti­n Carp

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