Die Rettung der Akten
700 Jahre alt sind die ältesten Urkunden der Stadt Ingolstadt. Ihnen setzen Licht, Ungeziefer und vor allem Schimmel zu. Wie die Papiere gerettet werden sollen
Ingolstadt Vorsichtig fasst Martina Pohl die alten Blätter an. Passt sie nicht auf, könnten wichtige Dokumente aus der Geschichte Ingolstadts für immer verloren sein. Die Mitarbeiterin des Stadtarchivs, das im Stadtmuseum An der Schanz untergebracht ist, nimmt sämtliche Dokumente des Archivs, die sich immerhin auf einer Länge von sechseinhalb Kilometern reihen, unter die Lupe und schaut nach, ob sie womöglich so stark beschädigt sind, dass sie restauriert werden müssen. Und das sind jede Menge, haben die Mitarbeiter entdeckt. Vor allem Schimmel setzt vielen Objekten zu. Der Grund dafür dürfte 100 Jahre zurückliegen.
Beim Rathaussturm 1918 wurde eine Brandfackel in die Registratur der Stadtverwaltung geworfen. Dort lagerten damals all die Archivalien, die zum Teil über 700 Jahre alt sind. Der Brand war zwar schnell gelöscht, doch die Schäden, die vor allem durch das Löschwasser angerichtet worden sind, halten die Restauratoren noch heute auf Trab. Denn in den Jahren danach wurden die Dokumente lange Zeit nicht fachgerecht gelagert, waren in muffligen Kellern untergebracht oder Licht und Schädlingen ausgesetzt. Und so konnte sich in vielen Bereichen vor allem Schimmel breitmachen. Der muss jetzt aufwendig entfernt werden. Aber auch Bindungen haben sich gelöst, einzelne Seiten sind gerissen, das Papier ist porös geworden. Oder aber Silberfischchen haben sich buchstäblich als Aktenfresser erwiesen. Auf diese Weise wurde zum Beispiel ein Bauplan aus dem Jahr 1906 beschädigt. Er zeigt verschiedene Ansichten der Marienapotheke an der Ingolstädter Kupferstraße. Eine Restauratorin musste die schadhaften Stellen wieder mit angefasertem Papier unterfüttern. Das Objekt soll auf diese Weise zwar vor einem weiteren Verfall bewahrt bleiben, allerdings sollen die ausgebesserten Stellen auch nicht unsichtbar werden, sondern durchaus als restauriert erkennbar bleiben, betont Martina Pohl.
In den Händen einer Restauratorin lag auch eine Urkunde aus dem 18. Jahrhundert. Durch das Löschwasser beim Rathaussturm war das gefaltete Dokument zusammengeklebt, die Mitarbeiter des Archivs wagten es nicht mehr, das Papier auseinanderzufalten. Mit einer ausgeklügelten Technik, bei der die Luftfeuchtigkeit schrittweise erhöht und dann wieder heruntergefahren wurde, konnte das Schreiben wieder lesbar gemacht werden. Zu sehen ist nun eine reich mit Orangenbäumchen und anderen Pflanzen verzierte Urkunde, in der dem Johann Martin Bayrlein bescheinigt wird, als Lustund Blumengärtner arbeiten zu dürfen. Sie ist, bis auf eine kaputte und nicht mehr wiederherstellbare Stelle, wieder vollständig lesbar. Allerdings haben sich Falten und Flecken nicht vollständig entfernen lassen.
Damit sich der Verfall der papierenen Dokumente in Grenzen hält, setzt das Stadtarchiv verstärkt auf Prävention und spricht von einer „Bestandserhaltungsoffensive“. Die Temperatur und Luftfeuchtigkeit in den Räumen wird kontrolliert, genauso wie der Lichteinfall auf empfindliche Materialien. Darüber hinaus wird der Bestand immer wieder auf Schädlinge überprüft und Verpackungen und Lagerstätten werden bei Bedarf ausgetauscht.