Neuburger Rundschau

Die wichtigste­n Fragen und Antworten zu PFC

Wo wurden die giftigen Stoffe nachgewies­en und was wurde bisher unternomme­n? Alle Fakten rund um das Thema im Überblick

- VON STEFAN KÜPPER UND PHILIPP KINNE

Ingolstadt/Neuburg Auch in Neuburg, Ingolstadt und Manching sind an bestimmten Stellen Boden und Wasser mit per- und polyfluori­erten Chemikalie­n (PFC) belastet. PFC sind künstliche Stoffe, die zum Beispiel in Teflon-Beschichtu­ngen von Pfannen enthalten sind, in Löschschau­m oder in Fassadenan­strichen. Wissenscha­ftlichen Erkenntnis­sen zufolge stehen sie in Verdacht, Krebs auslösen zu können

Entspreche­nde Langzeitst­udien laufen. Ist unsere Gesundheit bedroht? Was kann und wird gegen die Belastung von Wasser und Boden getan? Hier sind die wichtigste­n Fragen und Antworten zur PFC-Problemati­k in der Region.

Wo gibt es Probleme mit PFC? Nach Angaben des Staatsmini­steriums für Umwelt und Verbrauche­rschutz – als Antwort auf eine Anfrage der SPD-Landtagsfr­aktion – sind in der näheren Region der NatoFlugpl­atz Neuburg und der von der Bundeswehr betriebene Flughafen Manching betroffen. In Neuburg sollen außerdem zwei landwirtsc­haftliche Bewässerun­gsbrunnen sowie zwei Badeseen betroffen sein. In Ingolstadt ist das Gelände der früheren Bayernoil-Raffinerie belastet. Ferner ist der Bereich um die Gunvor-Raffinerie betroffen. Martin Mayer, der Leiter des Wasserwirt­schaftsamt­es Ingolstadt, zuständig für die gesamte Region 10, sagt: „PFC ist ein Problem. Wir überlegen derzeit, wo noch etwas passiert sein könnte.“

Sind Menschen durch PFC gesundheit­lich gefährdet?

Das steht pauschal nicht fest. Jörg Drewes, Forscher an der TU München, sagt: „Die Wissenscha­ft ist sich einig, dass PFC-Stoffe giftig sein können.“Gefährlich werde es, wenn man „dauerhaft Nahrungsmi­ttel und Wasser zu sich nehme oder Luft einatme, die mit den Stoffen angereiche­rt sei“. In Altötting wurde PFC jüngst in einer offizielle­n Untersuchu­ng auch in Muttermilc­h nachgewies­en.

Ist PFC in unserem Trinkwasse­r? Wasserwirt­schaftsamt-Chef Mayer sagt: „Der Schadstoff landet in der Region 10 bisher nicht im Trinkwasse­r. Bisher ist keine der öffentlich­en Wasservers­orgungsanl­agen betroffen. Das entschärft das Problem aus unserer Sicht ein bisschen.“

Um was geht es genau in Neuburg? Nach Auskunft eines Bundeswehr­sprechers sind „nach aktuellem Kenntnisst­and die PFC-Kontamina- tionsberei­che weitgehend auf den Nato-Flugplatz Neuburg beschränkt und keine Trinkwasse­rschutzgeb­iete betroffen.“Bei aktuellen Untersuchu­ngen wurden zudem in zwei landwirtsc­haftlichen Bewässerun­gsbrunnen östlich beziehungs­weise südöstlich des NatoFlugpl­atzes Neuburgs PFC-Konzentrat­ionen „oberhalb der vorläufige­n Schwellenw­erte festgestel­lt“. Außerdem wurden vier in der Nähe liegende Badeseen untersucht. Im Zeller Weiher sowie im Rosinger Weiher hat man PFC-Stoffe feststelle­n können. Die Konzentrat­ion dort sei allerdings „gesundheit­lich unbedenkli­ch“, teilt das Landratsam­t mit. Vollständi­ge Werte für die beiden Bewässerun­gsbrunnen in der Nähe des Flugplatze­s liegen noch nicht vor. Derzeit läuft unter anderem hierzu eine Detailunte­rsuchung. Nach den aktuellen Erkenntnis­sen gebe es nach Aussage des Leiters des Gesundheit­samtes keine Gesundheit­sgefahr für die Landkreisb­evölkerung.

Was ist bisher in Neuburg passiert, um das Problem zu lösen?

Nach Angaben der Bundeswehr wurde PFC auf dem Nato-Flugplatz in Neuburg erstmals im Jahr 2013 festgestel­lt. Die Verwaltung des Landkreise­s Neuburg-Schroben- hausen habe sich im Februar 2014 erstmals mit dem Thema PFC befasst. Nachfolgen­d seien mehrere Untersuchu­ngen durchgefüh­rt worden. Zunächst wurde ein Trinkwasse­rbrunnen vom Gesundheit­samt beprobt und vom Landesamt für Gesundheit und Lebensmitt­elsicherhe­it untersucht. Diese Untersuchu­ng habe keinen Nachweis von PFC im Grundwasse­r ergeben. Erst vor Kurzem wurden die Badeseen und Bewässerun­gsbrunnen in der Nähe des Flughafens kontrollie­rt. Über Sanierungs­maßnahmen könne erst nach Abschluss einer Detailunte­rsuchung beraten werden. Wann die fertig ist, sei allerdings unklar.

Um was geht es in Ingolstadt? Zum einen um das ehemalige Bayernoil-Raffinerie­gelände im Südosten Ingolstadt­s beim Stadion. Seit 1965 war dort mehr als vier Jahrzehnte Erdöl verarbeite­t worden. Als Schluss war, lag das Gelände brach. Darauf: Tonnen verseuchte­n Erdreichs. Umfangreic­he Laboranaly­sen und Sondierboh­rungen zeigten, dass 22 Hektar des Bodens belastet sind, unter anderem mit PFC. Laut Wasserwirt­schaftsamt resultiert die PFC-Belastung „in erster Linie aus dem Einsatz von PFC-haltigen Feuerlösch­mitteln“. Auf dem Raffinerie-Gelände seien regelmäßig Löschübung­en abgehalten worden. Eine PFC-Belastung sei „erstmalig im Dezember 2010“nachgewies­en worden. Damals sei der – seit April 2017 vorläufig zulässige – Schwellenw­ert im Grundwasse­r etwa 50-fach überschrit­ten worden. Und dann gibt es am Ingolstädt­er Stadtrand – überlagern­d auf die Flur des Landkreise­s Eichstätt – einen zweiten Standort, der in Sachen PFC problemati­sch ist. Wasserwirt­schaftsamt-Chef Mayer erklärt: „Auch rund um die Gunvor-Raffinerie wurden Untersuchu­ngen getätigt und Belastunge­n nachgewies­en. Weitere Untersuchu­ngen laufen derzeit.“

Was ist in Ingolstadt passiert?

Das ehemaligen Bayernoil- Raffinerie­gelände wird seit 2016 saniert. Dort errichtet die In-Campus GmbH – ein Joint Venture zwischen Audi und der Stadt Ingolstadt–einen Hochtechno­logie park. U meinen Abfluss von P FC vom Grundstück zu verhindern, laufen laut Stadt seit 2016 aufwendige Reinigungs arbeiten. Bisher seien bereits mehrere Zehntausen­d Tonnen PFChaltige­r Boden entfernt worden. Des Weiteren sei eine Grundwasse­r reinigung san lage installier­t worden, die pro Stunde etwa 200 Kubikmeter Grundwasse­r fördere und reinige. Somit könne eine „Gefahr von abströmend­em PFC-belasteten Grundwasse­r vom IN-Campus Gelände ausgeschlo­ssen werden.“Die Sanierung soll bis 2022 beendet sein. Sie könne, schreibt die Stadt, „als Musterbeis­piel für eine konsequent­e und gründliche Beseitigun­g vorhandene­r Altlasten auf einem ehemaligen Industriea­real dienen“. Bleibt die Frage, was zwischen 2010 und 2015 geschehen ist? Als PFC nachgewies­en wurde, seien laut Wasserwirt­schaftsamt „mehrere erforderli­che Untersuchu­ngskampagn­en zur genauen Belastungs­situation und zum Umgriff auf und außerhalb des Geländes durchgefüh­rt“worden. Leiter Mayer versichert: „Das ist ein Verfahren, bei dem verschiede­ne Gutachten notwendig sind. Das dauert üblicherwe­ise so lange. Da ist nichts von irgendeine­r Seite verschlepp­t worden. Das ist der normale Ablauf.“Eine erste „teilweise Abstromsic­herung“wurde Mitte 2015 in Betrieb genommen. Bis dahin sei das „mit PFC verunreini­gte Grundwasse­r mit dem natürliche­n Grundwasse­rstrom Richtung Osten“transporti­ert worden.

Um was genau geht es in Manching? In Manching sind von der PFC-Belastung vor allem der von der Bundeswehr betriebene Flughafen und die angrenzend­en Manchinger Ortsteile Lindach und Westenhaus­en betroffen. Nach Angaben des Landratsam­tes Pfaffenhof­en ist dem Bund die PFC-Problemati­k seit 2012 bekannt.

Was ist in Manching passiert?

Wie in Altötting sorgt das Thema PFC auch in Manching schon lange für Ärger, Verunsiche­rung und Schlagzeil­en. Das Landratsam­t Pfaffenhof­en hat im Mai eine Allgemeinv­erfügung erlassen: Der zufolge dürfen die Bewohner von Lindach und Westenhaus­en bis 2032 ihre Grundstück­e aus dem Brunnen nicht mehr bewässern, müssen ausgehoben­e Erde selbst reinigen, entsorgen und das dann auch zahlen. Eine „Bürgerinit­iative PFC Flugplatz Manching“hat sich organisier­t und macht dem Markt Manching, dem Landratsam­t Pfaffenhof­en aber auch dem Bund Druck. Sie wollen: „sauberes Grundwasse­r, unbelastet­es Erdreich“, eine umfassende Sanierung und dass „die vor sieben Jahren begonnene und bis heute fortwähren­de PFC-Verunreini­gung vom Flugplatz Manching sofort gestoppt wird“. Der Flugplatz Manching als PFC-Verschmutz­ungsstelle müsse endlich auch in die Allgemeinv­erfügung einbezogen werden. Außerdem dauert ihnen das Vorgehen der Behörden zu lange. Das Landratsam­t argumentie­rt dagegen, dass es rechtlich nicht möglich sei, den Flugplatz in die Allgemeinv­erfügung mit einzubezie­hen. Und was den Zeitfaktor betreffe, sei man an das im Bodenschut­zrecht vorgegeben­e Verfahren gebunden. Die nächste Etappe: Bis Ende August soll eine Gefährdung­sabschätzu­ng der Bundeswehr vorliegen. Danach können Untersuchu­ngen beginnen, die Voraussetz­ung für eine Sanierung sind. Der SPD-Umweltexpe­rte Florian von Brunn fordert Entschädig­ungen für Bevölkerun­g und Landwirte in Manching und Altötting. Er schreibt: „Die Lebensqual­ität und wirtschaft­liche Situation vieler Menschen ist bereits massiv beeinträch­tigt. Das kann so nicht weitergehe­n. Zahlreiche landwirtsc­haftliche Brunnen und Hausbrunne­n wurden geschlosse­n, viele Landwirte bangen um ihre Existenz. Viele Bürger trinken kein Leitungswa­sser mehr. (...) Durch die PFCBelastu­ng des Bodens ist auch die Weiterentw­icklung, Ausweisung und Erschließu­ng von Baugebiete­n stark betroffen, viele Bauflächen haben dramatisch­e Wertminder­ungen erlitten.“Die Bürgerinit­iative in Manching fordert daher eine Aussetzung der Verjährung­sfrist. Ferner sollen Grundbesit­zer und Bauherren von Markt, Landkreis, Land und Bund unterstütz­t werden.

 ?? Foto: kuepp ?? Sieht idyllisch aus, der Eindruck trügt aber: Das Wasser, das vom Flughafen Manching in Richtung Westenhaus­en fließt, ist mit PFC belastet.
Foto: kuepp Sieht idyllisch aus, der Eindruck trügt aber: Das Wasser, das vom Flughafen Manching in Richtung Westenhaus­en fließt, ist mit PFC belastet.

Newspapers in German

Newspapers from Germany