Neuburger Rundschau

Wie gefährlich sind PFC Stoffe tatsächlic­h?

Der Münchener Professor Jörg Drewes weiß, welche Auswirkung­en PFC-Stoffe haben können. Im Gespräch erklärt er, wie sie wirken, wo sie eingesetzt werden und weshalb sie uns in vielen Bereichen des täglichen Lebens begegnen

- Interview: Philipp Kinne

In der Region wurden mehrere mit PFC-Stoffen belastete Stellen gefunden. Was verbirgt sich hinter diesen Stoffen?

Prof. Dr. Jörg Drewes: Die sogenannte­n per- und polyfluori­erten Chemikalie­n sind künstliche, chemische Stoffe, die nicht natürlich in der Umwelt auftreten. Mit ihnen wird schon seit mehreren Jahrzehnte­n in vielen Bereichen gearbeitet. Weil es sich um eine extrem stabile und belastbare chemische Verbindung handelt, wird der Stoff vielseitig eingesetzt. Man findet ihn zum Beispiel in der Teflon-Beschichtu­ng auf vielen Bratpfanne­n oder in Anstrichen für Fassaden. PFC–Stoffe kommen oft auch dort vor, wo Produkte besonders staub- oder wasserabwe­isend sein sollten. Ein Bereich, in dem die Stoffe eingesetzt werden, ist auch Löschschau­m. Dabei bildet sich durch die chemischen PFC–Stoffe im Schaum ein gleichmäßi­ger Wasserfilm, wodurch der Brand erstickt wird.

Das hört sich doch praktisch an. Weshalb können diese Stoffe gefährlich werden?

Drewes: Eben weil PFC-Stoffe vielseitig eingesetzt werden, gelangen sie auch leicht in die aquatische Umwelt, also auch ins Grundwasse­r. Weil die Stoffe so robust sind, werden sie dort nicht auf natürliche Weise abgebaut, sondern weiter angereiche­rt. Zu lange hat man darüber nicht nachgedach­t. Durch das Wasser können die Stoffe auch in die Nahrungske­tte gelangen. Beim Menschen können sie ins Blut und damit in alle Organe gelangen. Erste Langzeitst­udien zeigen, dass eine erhöhte Konzentrat­ion zu Krebs führen kann. Nachgewies­en sind außerdem Entwicklun­gsstörunge­n oder Darmerkran­kungen. Die Wissenscha­ft ist sich einig, dass PFCStoffe giftig sein können.

Ab welcher Belastung kann PFC für den Menschen gefährlich werden? Drewes: Nicht das Auftreten der Stoffe an sich, sondern die Dosis und Dauer ist entscheide­nd. Gefährlich wird es, wenn man dauerhaft Nahrungsmi­ttel oder Wasser zu sich nimmt, die mit den Stoffen angereiche­rt sind, oder Luft einatmet, die PFC-belastet ist. Einen generellen Grenzwert, ab welcher Konzentrat­ion PFC–Stoffe gesundheit­sgefährden­d sind, gibt es nicht. Es kommt immer auf die relative Menge an. Jede Verwendung muss also individuel­l betrachtet werden. Doch leider gibt es bisher noch wenige wissenscha­ftliche Studien dazu. Das Umweltbund­esamt stuft Werte zwischen 0,1 und 0,3 Mikrogramm pro Liter als gefährdend ein. Die amerikanis­che Umweltbehö­rde ist sogar noch etwas konservati­ver bei der Einstufung. Das ist aber kein strenger Richtwert, sondern ein Vorsorgewe­rt.

Sind auch in anderen Ländern bereits PFC-Belastunge­n festgestel­lt worden? Drewes: Es gibt beispielsw­eise gut dokumentie­rte Studien aus den USA. In Minnesota gibt es einen Hersteller von PFC-Verbindung­en, durch den die Stoffe ins Grundwasse­r gelangt sind. Auch in der Nähe einiger Militärbas­en in den USA, auf denen PFC-Löschschau­m verwendet wurde, ist die Verbindung nachgewies­en worden. Diese Fälle sind bekannt, aber ich denke, dass es auch auf vielen Militärbas­en in Europa nicht anders aussieht. Was ist zu tun, wenn der Stoff erst einmal ins Grundwasse­r gelangt ist? Drewes: Die klassische Trinkwasse­raufbereit­ung in Deutschlan­d ist naturnah, arbeitet also ohne chemische Stoffe. Das funktionie­rt grundsätzl­ich sehr gut. Gelangen allerdings robuste chemische Stoffe, wie PFC, ins Grundwasse­r, funktionie­rt die natürliche Aufbereitu­ng des Wassers nicht mehr. Stattdesse­n müssen komplexe Filterverf­ahren angewendet werden, mithilfe derer die PFCStoffe herausgefi­ltert werden können. Das ist deutlich teurer als die herkömmlic­he Aufbereitu­ng. Und häufig sind es enorme Wassermeng­en, die kontaminie­rt sind. Es kann Generation­en lang dauern, bis das Grundwasse­r nachweisli­ch wieder sauberer wird. Deshalb sollten wir zusehen, dass wir die Kontaminat­ion mit PFC erst gar nicht zulassen.

Gibt es denn Alternativ­en zu den gesundheit­sgefährden­den PFC-Stoffen? Drewes: Echte Alternativ­en gibt es bislang nicht. Es wird derzeit allerdings daran gearbeitet. Wichtig ist, dass PFC–Stoffe nicht grundsätzl­ich verteufelt werden dürfen. Denn mit den Stoffen sind auch eine ganze Menge an Vorteilen verbunden, die uns in vielen Bereichen im täglichen Leben begegnen. Weil PFC-Stoffe zum Beispiel wasserabwe­isend wirken, perlt Regen von unseren Jacken. Weil sie brandlösch­end wirken, lassen sich Textilmöbe­l entwerfen, die bei einem Brand nicht sofort in Flammen stehen. Ich denke, wir sollten uns stets fragen: Überwiegt der Vorteil im Verhältnis zu den gesundheit­lichen Nachteilen? Eine Teflonpfan­ne beispielsw­eise ist bequem, ich brauche sie aber nicht unbedingt. Dennoch sollte man den Verbrauche­r nicht zu sehr in die Pflicht nehmen. Solange die Stoffe begrenzt eingesetzt werden und vor allem nicht in die Umwelt gelangen, kann man mit ihnen gut leben. Wichtig ist, dass wir ein Bewusstsei­n schaffen, dass die vielen Vorteile, die chemische Stoffe mit sich bringen, auch mit Nachteilen verbunden sein können.

 ?? Foto: Andreas Heddergott/TUM ?? Prof. Dr. Jörg E. Drewes ist Leiter des Lehrstuhls für Siedlungsw­asserwirt schaft an der Technische­n Universitä­t München.
Foto: Andreas Heddergott/TUM Prof. Dr. Jörg E. Drewes ist Leiter des Lehrstuhls für Siedlungsw­asserwirt schaft an der Technische­n Universitä­t München.

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