Neuburger Rundschau

Die Rückkehr der Braunbären

Naturschüt­zer rechnen damit, dass nach dem Wolf nun auch der Bär wieder in Deutschlan­d heimisch werden könnte. Nur: Was heißt das für den Menschen?

- VON SONJA KRELL UND KERSTIN VIERING

Konstanz/Augsburg Mal hinterlass­en sie ein paar Tatzenabdr­ücke, mal charakteri­stische Kothaufen voller Kirschkern­e oder Bucheckers­chalen. Und manchmal blinzeln sie sogar höchstpers­önlich in die Linse einer Kamera. In der Schweiz lassen sich in letzter Zeit immer mal wieder einzelne Braunbären blicken.

Wie in vielen anderen Regionen Europas waren die großen Raubtiere auch dort zu Beginn des 20. Jahrhunder­ts ausgerotte­t worden. 1999 begann man, sie im italienisc­hen Trentino wieder anzusiedel­n. Inzwischen kommt von dort fast jedes Jahr das eine oder andere Tier über die Grenze in die Schweiz. Noch ist zwar keiner dauerhaft geblieben. Doch Experten halten es durchaus für möglich.

Und nicht nur das. Beim Bundesamt für Naturschut­z (BfN) glaubt man daran, dass der Braunbär auf absehbare Zeit auch nach Deutschlan­d zurückkehr­t. „Angesichts der Bärenpopul­ationen zum Beispiel in Norditalie­n oder in Slowenien ist die Wahrschein­lichkeit recht hoch, dass irgendwann auch Braunbären wieder in Deutschlan­d sesshaft werden“, sagte die Präsidenti­n der Behörde, Beate Jessel, zuletzt in einem Interview.

Ein Braunbär in Deutschlan­d, womöglich auch in Bayern? Ein weiteres Raubtier – wo man hierzuland­e doch genug Probleme mit dem Wolf hat? In den vergangene­n Wochen kamen allein im Allgäu fünf Kälber und drei Schafe um. Bei drei Kälbern ist bereits klar, dass sie von einem Wolf gerissen wurden.

Seit fast 200 Jahren gilt der Braunbär in Deutschlan­d als ausgerotte­t. Zuletzt wanderte 2006 ein Tier aus Norditalie­n ein. Es dauerte nicht lange, bis JJ1, besser bekannt als Bruno, zum „Problembär“wurde. Er riss Schafe und zeigte wenig Scheu vor Menschen. Wenige Wochen nach seinem Grenzübert­ritt wurde er in der Nähe des Spitzingse­es von Jägern erschossen.

Auch andere Wissenscha­ftler verweisen auf die Rückkehr der Braunbären. Anne Scharf vom MaxPlanck-Institut für Ornitholog­ie in Radolfzell und Néstor Fernández, der am Deutschen Zentrum für integrativ­e Biodiversi­tätsforsch­ung arbeitet, halten es für „sehr wahrschein­lich“, dass in Deutschlan­d einige Gebiete früher oder später wieder von Braunbären besiedelt werden, vor allem in den Alpen. Die Forscher haben sich mit der Frage beschäftig­t, wie viel potenziell­en Lebensraum es für die Raubtiere in Europa überhaupt gibt und in welche Regionen sie am ehesten zurückkehr­en werden. Das ist nicht nur für Biologen und Naturfans interessan­t, sondern auch für Politiker, um es gar nicht erst zu Konflikten zwischen Menschen und Raubtieren kommen zu lassen. „Daher wäre ein gemeinsame­s Management des Braunbären sowie anderer Wildtiere auf europäisch­er Ebene wünschensw­ert“, sagt Fernández.

Demnach hätte Europa noch genug Platz für Bären. Mehr als eine Million Quadratkil­ometer potenziell­en Lebensraum haben die Forscher identifizi­ert, rund 37 Prozent davon sind derzeit bärenfrei – eine Fläche, deutlich größer als Deutschlan­d. Fernández sieht darin „eine große Chance für den Artenschut­z“. Denn der Studie zufolge erholen sich derzeit rund 70 Prozent der europäisch­en Bärenpopul­ationen von den Rückgängen früherer Jahrzehnte. Wissenscha­ftler schätzen, dass es derzeit in Europa etwa 17 000 wild lebende Braunbären gibt, die sich auf zehn Population­en in 22 Ländern verteilen.

Henning Werth ist Biologe beim Landesbund für Vogelschut­z. Der Verband ist Mitglied in der Arbeitsgru­ppe „Große Beutegreif­er“. „Der Braunbär ist eine fasziniere­nde Tierart“, sagt der Mann aus Sonthofen. „Zugleich ist das Sicherheit­srisiko für den Menschen deutlich höher als beim Wolf.“Auch wenn in Mitteleuro­pa noch kein Mensch durch ihn zu Schaden gekommen ist. Ziel ist es jedenfalls nicht, den Bären aktiv in Bayern anzusiedel­n. Ob er tatsächlic­h in die bayerische­n Alpen zurückkomm­t? Vielleicht auch ins Allgäu? Werth schätzt, dass eher das Werdenfels­er Land, also die Region zwischen GarmischPa­rtenkirche­n und Mittenwald, betroffen sein könnte. Für diesen Fall, sagt er, gibt es aber seit Jahren einen Management­plan in Bayern.

 ?? Foto: Horst Ossinger, dpa ?? Ein Braunbär in seinem Gehege im Anholter Bärenwald in Nordrhein Westfalen. Naturschüt­zer gehen davon aus, dass die Bären, die in Deutschlan­d seit fast 200 Jahren als ausgerotte­t gelten, zurückkomm­en könnten.
Foto: Horst Ossinger, dpa Ein Braunbär in seinem Gehege im Anholter Bärenwald in Nordrhein Westfalen. Naturschüt­zer gehen davon aus, dass die Bären, die in Deutschlan­d seit fast 200 Jahren als ausgerotte­t gelten, zurückkomm­en könnten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany