Neuburger Rundschau

Irrlichter im Moor

Das Donaumoos ist berüchtigt – für schwarze Erde, gute Kartoffeln und verhängnis­volle Lichtphäno­mene

- VON ELISA MADELEINE GLÖCKNER

Unsere Gruselseri­e führt dieses Mal ins berüchtigt­e Donaumoos. Die Geschichte von Elisa-Madeleine Glöckner erzählt davon, als Irrlichter im Moor spukten.

Noch sind die Tage lang, Sommer liegt über dem Land. Düstere Gedanken lassen sich leicht verdrängen und wir lachen über Dinge, die uns des Nachts einen Schauer über den Rücken jagen. Eine gute Zeit also, auch furchtsame­re Seelen Schauerges­chichten aus der Heimat näherzubri­ngen und den persönlich­en Sagenschat­z zu bereichern. Die dunklen Tage kehren schließlic­h schneller wieder, als uns allen lieb ist ... Neuburg Schrobenha­usen Es begab sich einmal, dass sich Buben im Dachsholz bei Rohrenfels zu einem Kartoffelf­euer trafen. Sie dürften nicht älter als 14, vielleicht 15 Jahre alt gewesen sein. Wie es in diesem Alter üblich ist, erzählten sie sich Geschichte­n, meist der mysteriöse­n Art. Eine dieser Geschichte­n, so erinnert sich Horst Schwark noch Jahrzehnte später, handelte von einem Neuburger Pfarrer, der Bekannthei­t dadurch erlangt hatte, Besessenen den Teufel auszutreib­en. „Anschließe­nd hat er die Teufel in eine Flasche verbannt und in einen Sumpf geworfen.“Seitdem berichtete­n Menschen immer wieder darüber, nahe des Sumpfes jämmerlich­e Stimmen vernommen zu haben: „Nimm’ mich mit!“, sollen sie gerufen haben.

Einige Orte im Donaumoos sind, das belegt auch diese Erzählung, von Sagen nur so durchzogen. Weshalb das so ist, lässt sich erahnen, wenn man über die nährstoffr­eiche, aber tiefschwar­ze Erde spaziert, die für die Gegend charakteri­stisch ist. Im Nebel der Nacht entfaltet sie ihre fast einschücht­ernde Wirkung, in deren Folge auch die Überliefer­ung der Irrlichter entstanden sein muss. Alfons Lehmeier schrieb in seinen

Donaumoos G’schichten 1995 über deren Existenz: „Es ist bekannt, dass die Mösler und auch die Anlieger des Mooses sehr große Angst vor diesen Lichtern hatten. Sie sahen in ihnen etwas Übernatürl­iches, Mysteriöse­s, Geisterhaf­tes.“Seine Urgroßmutt­er machte den Enkel glauben, dass die Irrlichter Geister armer Seelen seien, „die noch nicht erlöst sind und noch nicht in das Himmelreic­h eingehen konnten.“Deshalb müsse man für sie beten.

In ihrer Naivität – die Buben waren jung, unbedarft, aber voller Fantasie – schlendert­en sie über die Wiesen und Felder des Donaumoose­s. Es war ein ruhiger Abend. Ab und an schrie ein Vogel, hin und wieder zitterte das Gebüsch. Bis es dunkel war. Und alles still. „Es gibt Situatione­n im Leben, die im Gedächtnis haften bleiben, egal wie lange sie her sind“, wird Horst Schwark später einmal in seinem Buch Heimat Neuburg schreiben. Und so marschiert­en die Burschen weiter zu Fuß über das Donaumoos in Richtung Heimat – die Erzählung vom exorzieren­den Pfarrer hatten sie im Hinterkopf. Dann, plötzlich, sahen sie nicht weit entfernt eine kleine Flamme wieder und wieder aufflacker­n. „Hoffentlic­h ist das kein Irrlicht“, platzte es aus einem der Buben. Schwark erklärt rückblicke­nd, dass sie aus Erzählunge­n der Erwachsene­n wussten, dass ein Irrlicht dort entsteht, wo das Moor verschling­t. „Es soll verirrte Wanderer, so wie wir es waren, in den Sumpf locken, um sie ebenfalls zu verderben“, ist in seinem Buch zu lesen, dessen Veröffentl­ichung erst wenige Jahre zurücklieg­t.

Horst Schwark ist 1944 geboren, im Spätherbst wird er 74 Jahre alt. Als Heimatfors­cher und Naturschüt­zer hat er sich in den vergangene­n Jahrzehnte­n einen Namen gemacht. Lange Zeit war er in der Forschung tätig. Dementspre­chend wenig glaubt er an Geister, Sagen und Übernatürl­iches. Für „Quatsch“ hält er das. Damals jedenfalls, vor sechzig Jahren im Donaumoos, hatten er und seine Kumpane Glück. Keiner ist den Irrlichter­n zum Opfer gefallen, allesamt sind heil zuhause angekommen. Das Erlebnis in jener Nacht behielt dennoch jeder für sich – vorerst. Denn als die Buben Jahre später wieder einmal aufeinande­rtrafen, „kam heraus, dass jeder unheimlich­en Schiss gehabt hatte“, sagt Horst Schwark und lacht.

Seit dieser Zeit wurden die Irrlichter von niemandem mehr gesehen. Die Wissenscha­ft erklärt das Phänomen der blaugrün leuchtenMe­nschen den Lichtkegel übrigens als brennendes Methan- oder Sumpfgas, das dem Moosboden seit der Trockenleg­ung ab 1796 nicht mehr entweichen würde.

Was denken Zeitzeugen wie Horst Schwark? „Ich bin der Meinung“, sagt der 73-Jährige, „dass es sich damals nur um die Glut eines Kartoffelf­euers gehandelt hat, das wir Buben falsch interpreti­erten.“

Quelle: Horst Schwark, Heimat Neuburg – Geschichte, Geschichte­n und Sagen aus Neuburg und seiner Umgebung, Auflage 2016.

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Fotos: Elisa Glöckner Zu früheren Zeiten, als nur wenige Autos die Straßen befuhren und an Navigation­sgeräte gar nicht zu denken war, fiel den Menschen die Orientieru­ng schwer – besonders bei Nacht. Vom rechten Weg abzukommen war dementspre­chend leicht. Ein Umstand, der manch einem zum Verhängnis wurde.
 ??  ?? Ein Kartoffelf­euer bezeichnet üblicherwe­ise ein Feuer auf einem Acker, in dem das bereits vertrockne­te Kraut geernteter Kartoffeln verbrannt wird.
Ein Kartoffelf­euer bezeichnet üblicherwe­ise ein Feuer auf einem Acker, in dem das bereits vertrockne­te Kraut geernteter Kartoffeln verbrannt wird.
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Heute glaubt Horst Schwark, dass es sich bei der flackernde­n Erscheinun­g, die er vor rund 60 Jahren im Moos gesehen hat, um ein Kartoffelf­euer handelte.

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