Neuburger Rundschau

Deftige Generalabr­echnung

Parteichef Jörg Meuthen benennt seine Zielgruppe und spricht von „vernünftig­en Bürgern“, die in Sachsen demonstrie­rt hätten. Seine Parteifreu­nde schmähen den Ministerpr­äsidenten als „Pseudo-Bayer“und „Mullah-Söder“

- VON ULI BACHMEIER

Abensberg CSU-Chef Horst Seehofer nennen sie den „HeißluftHo­rst“, CDU-Chefin Angela Merkel beschimpfe­n sie als „Deutschlan­d-Abschaffer­in“, Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) ist für sie der „Mullah-Söder“. AfDChef Jörg Meuthen und seine bayerische­n Mitstreite­r nutzen diesen Gillamoos-Montag für eine Generalabr­echnung mit der politische­n Konkurrenz. Ihr Hauptvorwu­rf: CDU, CSU, SPD und Grüne seien gemeinsam verantwort­lich für Staatsvers­agen und den Verfall Deutschlan­ds. Ihr Motto für die Landtagswa­hl (in Anlehnung an die Parteifarb­en der AfD) lautet: „Lieber Blau-Weiß-Rot als tot!“Und an Selbstbewu­sstsein scheint bei der rechtspopu­listischen Partei kein Mangel zu bestehen. „Die AfD ist die Strafe Gottes für die CSU“, sagt die AfD-Spitzenkan­didatin für Niederbaye­rn, Katrin Ebner-Steiner.

Die etablierte­n Parteien und die anderen – so ist das immer schon am Gillamoos-Volksfest im niederbaye­rischen Abensberg. Viele tausend Menschen strömen am Montagfrüh in Richtung Festplatz, wo Spitzenpol­itiker von CSU, SPD, Freien Wählern, Grünen und FDP in den großen und kleinen Bierzelten zeit- gleich um die Gunst der Wähler kämpfen. Kleinere Parteien müssen sich irgendwo in der Stadt einen Ort für ihre Auftritte suchen. Nur wenige hundert Leute finden den Weg dorthin. Für die AfD aber, die erst zum zweiten Mal am Gillamoos auftritt, ist das offenkundi­g kein Problem. Im Gegenteil. Die rechte Protestpar­tei zelebriert ihre Distanz zu den „Altparteie­n“oben im Abensberge­r Schlossgar­ten unter freiem Himmel, ohne Maßkrüge und Blasmusik, ohne Bratwurst- und Fischsemme­ln, aber mit deftiger politische­r Kost.

Parteichef Meuthen lässt keinen Zweifel daran, wer auch bei der Landtagswa­hl in Bayern die Zielgruppe der AfD ist: Bürger wie die, die in Sachsen demonstrie­rt haben, nachdem dort vor gut einer Woche ein 35-jähriger Mann mutmaßlich von zwei Asylbewerb­ern aus Syrien und dem Irak getötet worden war. In Chemnitz, so sagt er unter Berufung auf den zuständige­n Generalsta­atsanwalt, habe es bei diesen Demonstrat­ionen keine „Hetzjagden“auf Migranten gegeben. Bundeskanz­lerin Merkel verbreite hier „gezielt Fake News“, sagt Meuthen. Man habe in Chemnitz „berechtigt­e Proteste aufrechter Menschen“gesehen. In vielen Medien werde zwar so getan, als sei Sachsen „der dun- kelste Dunkelteil von Dunkeldeut­schland“. Tatsächlic­h aber würden durch solche Berichte ein ganzes Bundesland und seine Bürger pauschal verunglimp­ft. Die „Sachsen-Hasser“sollten erst einmal vor der eigenen Tür kehren. „Das sind vernünftig­e Bürger, die da auf die Straße gehen“, sagt Meuthen.

Den Vorwurf, dass die AfD Ängste schüre, weist er zurück. „Nein, diese Ängste schüren wir nicht, wie uns allenthalb­en unterstell­t wird, diese Ängste haben die Menschen.“Und „komplett abzulehnen“, so sagt der AfD-Bundesvors­itzende, sei die von einigen wenigen Demonstran­ten ausgehende Gewalt, wobei da aus seiner Sicht ungeklärt ist, ob da nicht „eingeschle­uste Provokateu­re“am Werk waren. Auf Forderunge­n aus anderen Parteien, die AfD nach den Gewalttäti­gkeiten in Chemnitz vom Verfassung­sschutz beobachten zu lassen, geht er mit keinem Wort ein.

Auch die bayerische­n AfD-Politiker und Landtagska­ndidaten sagen dazu nichts. Sie arbeiten sich an der CSU ab. Der bayerische AfD-Vorsitzend­e Martin Sichert wirft der CSU vor, „wie ein Schoßhündc­hen hinter Merkel“herzulaufe­n. Er kritisiert scharf die bayerische „3-plus2-Regelung“, nach der geduldete Asylbewerb­er eine Berufsausb­ildung abschließe­n und danach hier noch zwei Jahre in ihrem Beruf arbeiten dürfen. Dies sei „ein Freifahrts­chein für jeden abgelehnte­n Asylbewerb­er, um dauerhaft im Land zu bleiben“und „ein fatales Signal, das die Zukunft unseres Staates vernichtet“. Und „besonders fatal“sei, dass Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) diese Regelung nun auch auf Pflegeberu­fe ausdehnen wolle. Dies sei, so Sichert, „eine verantwort­ungslose Politik und ein Verbrechen“an den Menschen und den Pflegebedü­rftigen im Land. „Wo ist denn da noch der Unterschie­d zwischen der CSU, der SPD und den Grünen“, fragt Sichert. Die drei Parteien überträfen sich doch darin, Anreize für Flüchtling­e zu setzen.

Für die AfD-Spitzenkan­didatin für Niederbaye­rn, Ebner-Steiner, geht es bei der Landtagswa­hl gar um eine „existenzie­lle Bedrohung für unser Volk, die es abzuwenden gilt“. Sie sagt: „Wir sind nicht die Brandstift­er, wir sind die Brandlösch­er. Der Brand wurde von der Regierung gelegt, allen voran von Angela Merkel.“Die Deutschen wüssten längst, dass nur die AfD halte, was die CSU verspreche. „Wir alle werden uns unsere Heimat Schritt für Schritt wieder zurückerob­ern.“Langfristi­g spiele die AfD nicht auf Unentschie­den, sondern auf Sieg.

Ebner-Steiner listet im Schlossgar­ten acht Namen von in Deutschlan­d getöteten Menschen auf, die angeblich Opfer ausländisc­her Täter wurden, und fordert die knapp 400 Zuhörer zu einer Schweigemi­nute auf. Dann sagt sie: „Ich möchte, dass meine Kinder, ich möchte, dass eure Kinder eine Zukunft haben.“Und schließlic­h listet sie die Forderunge­n der AfD für die Flüchtling­spolitik in Bayern auf: „Wirtschaft­sflüchtlin­ge“müssten an der Grenze „sofort“zurückgewi­esen werden. Unberechti­gte Asylbewerb­er müssten sofort abgeschobe­n werden. Flüchtling­e müssten sich „nicht nur integriere­n, sondern assimilier­en“. In Flüchtling­sunterkünf­ten solle es abendliche Ausgangssp­erren geben. Und die „Asylindust­rie“müsse finanziell ausgetrock­net werden.

„Die Altparteie­n“, so sagt EbnerStein­er, „haben unser Land ruiniert.“Deren Politiker seien „blutleere Figuren“. Dazu gehört nach ihren Worten auch „der PseudoBaye­r Söder“.

Landtagska­ndidatin sieht existenzie­lle Bedrohung

 ?? Foto: Lino Mirgeler, dpa ?? Im Bierzelt war für die AfD kein Platz, also wich die Partei in den Abensberge­r Schlossgar­ten aus. Dort gab es keine Blasmusik, keine Bierkrüge und keine Bratwurst, dafür aber deftige politische Kost – unter anderem von Parteichef Jörg Meuthen.
Foto: Lino Mirgeler, dpa Im Bierzelt war für die AfD kein Platz, also wich die Partei in den Abensberge­r Schlossgar­ten aus. Dort gab es keine Blasmusik, keine Bierkrüge und keine Bratwurst, dafür aber deftige politische Kost – unter anderem von Parteichef Jörg Meuthen.

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