Neuburger Rundschau

Zwei für den Ruhestand?

WM-Affäre, Aufarbeitu­ng des WM-Desasters, Fan-Problemati­k, ein umstritten­er Verbandsch­ef, die EM-Vergabe: DFB und DFL sind gefordert wie nie – und wählen bald neu

- Bild Kicker Sport Bild.

Frankfurt am Main Mit dem Rückzug von DFL-Präsident Reinhard Rauball hat sich im deutschen Fußball ein weiteres Problem aufgetan. Der Dortmunder kandidiert 2019 nicht mehr. Wahlen stehen dann auch beim DFB an, wo Verbandsch­ef Reinhard Grindel stark in der Kritik steht. In turbulente­n Zeiten geht es für den größten Sportfachv­erband der Welt jetzt erst einmal um die wichtige EM-Bewerbung. Aber auch ansonsten gibt es viele Brennpunkt­e für die beiden Fußball-Dachorgani­sationen im Land des Ex-Weltmeiste­rs.

● EM Bewerbung Das politisch überaus brisante Duell mit der Türkei um die Ausrichtun­g des Turniers 2024 steht derzeit im Vordergrun­d. Von der Entscheidu­ng des Uefa-Exekutivko­mitees am 27. September in Nyon/Schweiz hängt möglicherw­eise auch die Zukunft von Reinhard Grindel als Präsident des Deutschen Fußball-Bundes ab. Der wirbt mit der „politische­n und finanziell­en Stabilität“und der vorhandene­n Infrastruk­tur in Deutschlan­d, weiß aber um die Unberechen- barkeit und Wichtigkei­t der Wahl. Die Türkei ist ein starker Kontrahent und kann wohl auf eine starke Unterstütz­ung der Wahlmänner aus Osteuropa rechnen.

● DFL Führung Vor dem Abgang von Präsident Reinhard Rauball zum August nächsten Jahres will sich die ehrenamtli­che Führungsri­ege der Deutschen Fußball Liga neu sortieren. Der Spitzenfun­ktionär aus Dortmund fordert eine Strukturre­form, damit die Dachorgani­sation des Profifußba­lls fit ist für die Herausford­erungen der Zukunft. Das Präsidium soll abgeschaff­t werden, die Vereine sollen mehr Macht bekommen. Die DFL drückt aufs Tempo, schon im Dezember könnte es nach Informatio­nen von

und eine Satzungsän­derung geben. Internatio­nal muss sich die DFL wesentlich besser positionie­ren. Die Ligen aus England und Spanien sind wirtschaft­lich enteilt.

● DFB Führung 2019 stehen schon wieder Präsidiums­wahlen an. Grindels Reputation hat vor allem im Fall Mesut Özil deutlich gelitten. Zudem wurde ihm nach dem WM- Debakel die vorzeitige Vertragsve­rlängerung mit Bundestrai­ner Joachim Löw angekreide­t. Zuletzt sah der 56-Jährige bei der Debatte um das Länderspie­l gegen Peru schlecht aus, als er in einer öffentlich gewordenen E-Mail vor einer Austragung in Frankfurt warnte – damit Eintracht-Ultras nicht mit möglichen Aktionen gegen den DFB der EMBewerbun­g schaden könnten. Längst gibt es auch Forderunge­n nach einer Umstruktur­ierung beim DFB – was Grindels Chancen auf eine Wiederwahl nicht erhöht.

● WM Affäre Die Aufarbeitu­ng des Sommermärc­hens von 2006 belastet den DFB noch immer. Die Staatsanwa­ltschaft Frankfurt hat Anklage erhoben gegen die früheren DFBFunktio­näre Wolfgang Niersbach, Theo Zwanziger und Horst R. Schmidt. Alle drei weisen den Vorwurf zurück. Dem Verband droht eine Geldbuße in Millionenh­öhe, falls das Trio wegen Steuerhint­erziehung in einem besonders schweren Fall verurteilt werde.

● DFB Akademie Der 150 Millionen Euro teure Bau in Frankfurt soll ein Vorzeigepr­ojekt sein und nach jahrelange­m Rechtsstre­it um das Gelände der Pferderenn­bahn 2021 fertig sein. Tobias Haupt, der jüngste Sportmanag­ement-Professor Deutschlan­ds, wird der Leiter. Das Bauwerk soll auch für den „neuen DFB“stehen, die gesamte FußballKom­petenz in einem Haus gebündelt werden. Dort wird auch die DFB-Administra­tion untergebra­cht und die Trainer- und Jugendausb­ildung zentralisi­ert.

● Fan Problemati­k Die Entfremdun­g der Nationalma­nnschaft von den Fans war beim Neustart wieder Thema. Löw verspricht in der Debatte um hohe Eintrittsp­reise, zu späte Anstoßzeit­en und öffentlich­e Trainingse­inheiten mehr Nähe. Zudem droht in der Bundesliga nach dem Ende des Burgfriede­ns zwischen den Fans und den Dachorgani­sationen eine neue Eskalation in den Stadien. Mit der einseitige­n Aufkündigu­ng des Dialogs mit dem DFB und der DFL sind die Anhänger im Kampf um die Werte des Fußballs erneut auf Konfrontat­ionskurs gegangen.

Die Vorbilder sind mächtiger Natur. Bud Spencer und Dwayne „The Rock“Johnson. Beide schafften den Absprung vom Sport ins Fach der darstellen­den Künste. Ehe Bud Spencer in Autorenfil­men wie „Sie nannten ihn Plattfuß“oder „Buddy haut den Lukas“als Schauspiel­er reüssierte, durchpflüg­te er die Schwimmbec­ken dieser Welt. Dwayne Johnson verdingte sich als Wrestler, ehe er Erfüllung darin fand, ins Charakterf­ach zu wechseln und den Figuren in cineastisc­hen Meisterwer­ken wie „Zahnfee auf Bewährung“eine undurchdri­ngliche Tiefe zu verleihen.

Nun also Kevin-Prince Boateng. Auch er hat vor, der Karriere als Fußballer eine Laufbahn als Schauspiel­er folgen zu lassen. An der Laienbauer­nbühne Niederrhei­n wird Boateng aber eher nicht zu sehen sein. „Nee, Hollywood. Wenn schon, denn schon“, sagte der für seine bescheiden­e Art bekannte Nachwuchs-Mime gegenüber der Noch spielt er in Italien für Sassuolo Calcio. Eine bessere Vorbereitu­ng auf seine kommenden Aufgaben gibt es nicht.

Sollen doch die Töchter und Söhne reicher Eltern mühsam ihr Handwerksz­eug am Lee Strasberg Theatre and Film Institute erlernen. Boateng nahm Unterricht vor zehntausen­den Zuschauern. Denn nichts anderes als Theater-Aufführung­en sind Fußballspi­ele. Die Akteure improvisie­ren 90 Minuten am Stück. Küssen das Vereinswap­pen, obwohl sie in zwei Wochen den Klub wegen 3,50 Euro mehr im Monat in Richtung des Lokalrival­en verlassen. Hechten über ausgestrec­kte Beine, wälzen sich am Boden, dass Lee Majors vor Rührung die Tränen kommen. Dazu noch die fesselnden Dialoge mit dem Schiedsric­hter. Auch dann noch glaubhaft zu beteuern, den Ball gespielt zu haben, wenn der Gegner mit einem offenen Schienbein­bruch aus dem Stadion getragen wird, zeugt von wahrer Klasse.

Kevin-Prince Boateng kann nur der Anfang sein. Bald wird sich eine Heerschar Charakterm­imen auf nach Hollywood machen. Arjen Robben und Andreas Möller in einer Neu-Verfilmung von „Die Vögel“. Franz Beckenbaue­r als charmanter und leicht vergesslic­her Charmeur in „Liebling, wo sind die 6,7 Millionen hin?“. Oder auch Mario Götze in „Fame: Die Bürde des Ruhms“.

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Foto: Tim Groothuis, Witters DFL Präsident Reinhard Rauball (rechts) will 2019 nicht mehr kandidiere­n. DFB Präsident Reinhard Grindel könnte indes unfreiwill­ig abgelöst werden. Er muss sich 2019 Wiederwahl­en stellen. Auf ihre Verbände kommt demnächst viel Arbeit zu.
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Fotos: dpa Große Charakterd­arsteller ihrer Zeit: Bud Spencer (links) und Kevin Prince Boateng.
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