Die Rennertshofener Bank Barrikade
Grillen, Grenzzaun, Gartenzwerge: Nachbarn streiten sich oft über absurde Dinge. In Rennertshofen wurde vor etlichen Jahren eine Sitzbank zum Zankapfel. Ist der Abbau der Bank die Lösung für das Problem?
Rennertshofen Vier Rentner sitzen auf einer Bank. Über ihnen hängt eine ausladende Baumkrone, vor ihnen liegt der Ortskern von Rennertshofen und im Hintergrund, da plätschert ein Bach. Eine idyllische Szene? Von wegen! Denn die Bank, auf der die vier Senioren sitzen, ist seit mehr als 30 Jahren Streitobjekt. Nun soll der Bürgermeister der Marktgemeinde sogar damit gedroht haben, die Sitzgelegenheit nahe der Ussel abbauen zu lassen. Ungerecht, sagen die Senioren und machen ihrem Ärger jetzt Luft.
Pauline Fischer ist eine der beteiligten Rentner. Sie ist 69 Jahre alt, seit Mai verwitwet und seit 1990 frustriert. Der Grund liegt etwa 100 Meter von ihrem Haus entfernt: eine Bank, gut zwei Meter lang, einen halben breit. Seit etwa 50 Jahren kommt die Seniorin mit ihren Freunden aus der Nachbarschaft an diesen Ort, um zu reden und sich auszutauschen, Sitzkissen im Schlepptau. „Wir sind nicht viele“, sagt Pauline Fischer über die Größe der Gruppe, die sich hier trifft. „Vier bis fünf Frauen, ab und an ein paar Männer.“Das sei früher anders gewesen, betont sie. „Wir waren viele, die hier zusammengekommen sind. Seit es den Konflikt gibt, kommen einige Nachbar aber nicht mehr. Nur der hartnäckige Kern, also wir, sind geblieben.“
Seinen Ursprung hat der Zwist irgendwann in den späten 1980ern. Damals, sagt Fischer, sei eine neue Familie in das Haus gezogen, das gegenüber der Bank steht. „Seit sie hier ist, gibt es Probleme“, bestätigt Hedwig Lix, die mit 66 Jahren die Jüngste der Clique ist. Die Vorwürfe, die die Familie gegen sie erhebt, sind für die Rentner nicht nachvollziehbar: Lärmbelästigung, Ruhestörung, Alkoholismus. Freilich, sagt Pauline Fischer, rede man auf der Bank miteinander und lache. Hin und wieder gebe es auch ein Glas Rotwein oder eine Halbe Bier. „Aber nie übermäßig viel“, bekräftigt die 69-Jährige und hebt den Finger.
Und was sagt die Familie dazu, die direkt neben der Bank wohnt? „Wir wollen doch bloß unsere Ruh.“Der 56-jährige Sohn des Hauses schüttelt leicht den Kopf. Der Zwist geht mittlerweile so weit, dass die Familie protokolliert, wann die Bank besetzt ist: An 29 von 31 Tagen seien die Rentner im August da gewesen, 96 Stunden und länger würden sie pro Monat auf der Bank sitzen. „Das ist Mobbing“, sagt der Sohn. Und seine 76-jährige Mutter fügt hinzu: „Sogar als die Bauern geodelt haben und jeder die Fenster zu gemacht hat, saßen sie draußen.“In ihren Augen pure Schikane: Die Rentner wüssten, dass sie der Familie psychisch zusetzen würden. Nur eine schmale Straße trennt die Bank vom Grundstück der Familie, 2006 sahen sie sich sogar genötigt, zwei Fenster zur Straße zuzumauern, um wenigstens etwas Distanz zur Bank zu schaffen. Denn bei geöffnetem Fenster seien die Rentner gut zu verstehen, an lauen Sommerabenden würden die Gesprächsfetzen bis durch das Schlafzimmerfenster im ersten Stock getragen. Und das Getratsche und Geläster, das wollen sie wirklich nicht hören, betonen Mutter und Sohn. „Wir wollen sie ja nicht vertreiben, die Bank gehört ja nicht uns“, sagt der Sohn. „Aber muss es jeden Tag sein?“
Dabei fing alles ganz harmlos an, erzählen wiederum die Rentner: An einem Tag im Jahr 1990 sei die Clique wieder einmal an der Bank zusammengekommen. Die Familie, noch nicht lange in der Straße, kam dazu. „Schee war’s am Ende“, erinnert sich Pauline Fischer. Erst gegen halb 12 Uhr nachts seien alle nach Hause gegangen. Alle seien sich einig gewesen, sie wollen wieder kommen – auch die Familie. Doch sie kam nicht wieder. Stattdessen flatterte drei Tage später ein Anwaltsschreiben ins Haus der Fischers – darin dokumentiert waren Überschreitungen von Ruhezeiten an einzelnen Tagen und die Forderung danach, dies künftig zu unterlassen. Die Rentner waren verwirrt, hielten sich von nun an aber an vorgegebene Zeiten.
Seither floss viel Wasser die Ussel hinunter. Vor vier Jahren übergab Ernst Gebert das Bürgermeisterbüro an seinen Nachfolger Georg Hirschbeck – inklusive einem Extra-Ordner, der nur den Bank-Streit dokumentiert. Vergilbte Briefe zeugen von gegenseitigen Anschuldigungen, Zeitungsartikel klären über die Gesetzeslage bei Nachbarschaftsstreitigkeiten auf, Gemeinde, Landratsamt und Justiz war schon involviert. „Die Fronten sind verhärtet“, stellt Hirschbeck fest. Anfangs dachte er, man müsse nur mit den Bürgern reden, um das Problem zu lösen. Zwischendrin hatte er die Rentner sogar so weit, dass sie sich nicht mehr so oft trafen. Doch dann war das Wetter eine Zeit lang schlecht und die Rentner wollten die verpassten Stunden nachholen. Der Bürgermeister zuckt hilflos mit den Achseln.
Die Vorwürfe, er habe gedroht, die Bank einfach abzubauen, will er so aber nicht stehen lassen. Als vor einigen Monaten ein Antrag auf „sofortigen Stopp der Lärmbelästigung“ins Rathaus flatterte, habe er mit den Rentnern gesprochen – und einen Abbau der Bank als möglichen Ausgang einer Gemeinderatssitzung zu dem Thema in den Raum gestellt. Eine Drohung sei das aber nicht gewesen. Vor allem, da er nicht glaubt, dass das Verschwinden der Bank den Zwist beilegen würden. „Ich mische mich doch nicht in einen 30 Jahre alten Streit ein“, betont der Bürgermeister. „Da geht der Ärger ja erst richtig los.“Er habe nur immer wieder versucht, zu vermitteln. Vergeblich.
Der Gemeinderat hatte im Sommer hinter verschlossenen Türen zu dem Bank-Antrag beraten. Und sei zu dem Schluss gekommen, an die Beteiligten zu appellieren: In einem Brief wurde um gegenseitige Toleranz und Rücksichtnahme für ein friedliches Miteinander geworben. Fischer, Wastl und Lix haben den Brief erhalten. Sie sitzen auf der Bank, als sie von ihm erzählen – sie fühlen sich gegängelt. „Wir wollen uns jeden Tag treffen“, sagt Lix. Einen Kompromiss mit den Nachbarn schließen die Rentner aus. „Wir wollen die Bank behalten,“betont auch Fischer. Schließlich seien sie zuerst da gewesen.