Gewerkschaft: Zugpersonal ohne Reserven
Funktionär erläutert Hintergründe
Neuburg/Donauwörth Viele Fahrgäste auf der Donautalbahn müssen in diesen Tagen und Wochen auf Busse oder gar das Auto umsteigen. Durch krankheitsbedingte Ausfälle hat das Unternehmen Agilis, das für den Personenverkehr auf der Strecke Ulm-Donauwörth-Ingolstadt verantwortlich ist, aktuell gleich sieben Züge auf dem täglichen Fahrplan gestrichen. Dieser Zustand wird voraussichtlich bis 28. September andauern (wir berichteten). Für Uwe Böhm kommt das nicht überraschend. Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL) beobachtet seit Längerem mit Sorge, dass bei Agilis und anderen Eisenbahngesellschaften das Personal knapp ist – zu knapp, wie sich nun zeige.
„Das ist nicht nur ein Problem von Agilis“, betont Böhm. Natürlich leide die Branche unter Fachkräftemangel. Das Problem sei aber zum Teil auch hausgemacht. Die Tatsache, dass der jeweils günstigste Anbieter den Zuschlag für ein bestimmtes Schienennetz bekommt, habe in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass die Firmen hart kalkulierten. Bereitschaftskräfte, die im Notfall kurzfristig einspringen können, seien im Nahverkehr immer weiter reduziert worden: „Da kommt am Ende so etwas heraus.“
Ebenso scheuten viele Unternehmen, darunter auch Agilis, die Kosten für eine Ausbildung ihrer Lokführer beziehungsweise Triebfahrzeugführer im Rahmen einer dreijährigen Lehre. Vielmehr setze die Firma auf eine Qualifizierung von Erwachsenen. Die können – sofern sie eine (andere) abgeschlossene Berufsausbildung haben – innerhalb von neun Monaten die Lizenz zum Führen eines Triebwagens erwerben. Die GDL kritisiere immer wieder, dass der Lehrberuf ins Abseits geraten ist, erklärt der Gewerkschafter. Die politisch gewollte Kleinteiligkeit des Schienennetzes in Bayern – im Freistaat gibt es laut Böhm über 40 Teilnetze – mache das ganze System anfälliger. Bei Agilis sei die personelle Lage schon seit Monaten äußerst angespannt. Zum Teil hätten Triebfahrzeugführer 200 und mehr Überstunden. Es komme nicht selten vor, dass eine Schicht zehn Stunden dauere. Derweil hofft man bei Agilis, dass keine weiteren Mitarbeiter erkranken. Mit der Streichung von Zügen und dem bis 28. September anberaumten Ersatzverkehr mit Bussen wolle man die Situation stabilisieren und für die Fahrgäste überschaubar halten, heißt es aus der Pressestelle der Agilis-Zentrale in Regensburg.