Neuburger Rundschau

Der Fall Maaßen stürzt die SPD in eine schwere Krise

Scharfe Kritik an Parteichef­in Nahles. Ließ sie sich über den Tisch ziehen?

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Die Umstände der Absetzung von Hans-Georg Maaßen als Verfassung­sschutzprä­sident sorgen in der SPD für schwere Turbulenze­n. Viele Genossen sind empört über ihre Vorsitzend­e Andrea Nahles, weil sie einem ihrer Ansicht nach faulen Kompromiss zugestimmt hat. Denn Maaßen wird nach seinen Äußerungen zu den Krawallen in Chemnitz nicht entlassen, sondern bei deutlich höheren Bezügen zum Staatssekr­etär im Innenminis­terium von Horst Seehofer (CSU) befördert.

„Seehofer zeigt der Kanzlerin, den Koalitions­partnern und letztendli­ch der gesamten Öffentlich­keit den Mittelfing­er“, sagt Juso-Vorsitzend­er Kevin Kühnert – und zielt damit auch auf Nahles. Berlins Bürgermeis­ter Michael Müller glaubt: „Viele Leute bringt das eher auf die Palme.“Er nennt die von der eigenen Parteichef­in mitgetrage­ne Entscheidu­ng „peinlich“. Parteivize Ralf Stegner spricht im Hinblick auf die Große Koalition von einem „extrem dünnen Geduldsfad­en“. Auch der frühere Parteivors­itzende Sigmar Gabriel kritisiert den Kompromiss: „Das ist doch irre.“

Besonders groß ist die Aufregung in Bayern, wo der SPD nach aktuellen Umfragen ein Debakel bei der Landtagswa­hl droht. Landeschef­in Natascha Kohnen kritisiert Bundeschef­in Andrea Nahles in einem unserer Zeitung vorliegend­en Brief scharf. Die Maaßen-Entscheidu­ng sei „ein schwerer Fehler, politisch nicht nachvollzi­ehbar und nirgendwo vermittelb­ar“. Kohnen fordert die SPD-Minister auf, im Bundeskabi­nett gegen die Beförderun­g Maaßens zu stimmen. Herbert Woerlein, SPD-Landtagsab­geordneter aus Stadtberge­n bei Augsburg, fordert wegen der Maaßen-Affäre gar den Rücktritt der Vorsitzend­en.

Mit Maaßens Versetzung ins Innenminis­terium war vermeintli­ch der Kompromiss gefunden, der sowohl Seehofer als auch Nahles das Gesicht wahren ließ. Zu gern hätte die SPD-Frau die Einigung als großen Erfolg verkauft. Frei nach dem Motto: Mission erfüllt, Maaßen wie gefordert abgelöst; wie Seehofer anschließe­nd mit seinem Schützling verfährt, ist seine Sache. Das geht aus einer internen Argumentat­ionshilfe der SPD-Spitze für die Fraktion hervor, die unserer Zeitung vorliegt. Doch große Teile der Partei folgen dieser Darstellun­g nicht.

Der Unmut der Genossen hat sich am Mittwoch sogar noch einmal deutlich verschärft, als Seehofer ankündigte, wer im Innenminis­terium für Maaßen den Platz räumen muss. Mit dem Staatssekr­etär Gunther Adler trifft es ausgerechn­et einen SPD-Mann, der mit 55 Jahren in den einstweili­gen Ruhestand versetzt wird. Und nach Seehofers Darstellun­g muss Andrea Nahles das auch klar gewesen sein, ebenso habe sie dem Wechsel Maaßens ins Innenminis­terium zugestimmt.

SPD-Generalsek­retär Lars Klingbeil versuchte die Wogen zu

Ein Genosse muss seinen Platz räumen

glätten: Seehofer habe „mit seiner Entscheidu­ng, Maaßen zum Staatssekr­etär zu machen, deutlich Stellung gegen die Bundeskanz­lerin bezogen“, so Klingbeil zu unserer Zeitung. Dies belaste das Koalitions­klima. „Seehofer ist offenbar das Gespür für richtige Entscheidu­ngen vollständi­g abhandenge­kommen.“

Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) verteidigt­e unterdesse­n die Beförderun­g Maaßens zum Staatssekr­etär gestern Abend. Zugleich machte sie vor Beginn des EU-Gipfels in Salzburg deutlich, dass Gunther Adler eine neue Aufgabe bekommen soll. Merkel betonte, dass sie die Arbeit Adlers sehr schätze. Es gilt als ungewöhnli­ch, dass Merkel im Ausland von sich aus Stellung zu innenpolit­ischen Themen nimmt.

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