Neuburger Rundschau

Das Gesicht des Atom-Widerstand­s

Als Landrat wehrte sich Hans Schuierer in Wackersdor­f gegen eine Kernkrafta­nlage und handelte sich großen Ärger ein. Jetzt wird er zum Kinohelden

- Michael Böhm

Könnte man Franz Josef Strauß noch zu seiner Meinung über Hans Schuierer befragen, man würde vermutlich einiges zu hören bekommen. Wenig Gutes. Schon in den 80er Jahren hatte Strauß für den Oberpfälze­r nicht viel übrig. Schließlic­h war er einer dieser „apokalypti­schen Narren“, die das „Werk des Teufels“betrieben und „besser das Maul halten“sollten – so beschimpft­e Bayerns Ministerpr­äsident damals die Gegner einer atomaren Wiederaufb­ereitungsa­nlage im Landkreis Schwandorf. Hans Schuierer stand an deren Spitze. Als Landrat.

Noch heute ist der mittlerwei­le 87 Jahre alte Sozialdemo­krat das Gesicht des Wackersdor­fer Widerstand­s, bei dem sich Zigtausend­e gegen die Atomkraft, die Polizei und die Staatsregi­erung auflehnten. Dabei war der SPD-Politiker anfangs noch ein Freund der Idee, in „seinem“Landkreis – mit einer der deutschlan­dweit höchsten Arbeitslos­enquoten – eine Fabrik mit 3600 Arbeitsplä­tzen zu errichten. „Ich hatte doch keine Ahnung, was abgebrannt­e Brenneleme­nte sind“, erzählt Schuierer heute gerne und entwaffnen­d ehrlich. Als ihm die Betreiber aber von einem 200 Meter hohen Kamin berichtete­n, der „die radioaktiv­en Schadstoff­e besser verteilen“sollte, gingen auch bei ihm die Alarmglock­en an.

Gemeinsam mit seiner Frau Lilo schloss er sich dem Widerstand an. Er mischte sich unter die Demonstran­ten, lehnte Genehmigun­gen für den Bau der umstritten­en Anlage ab und erntete dafür vor allem zweierlei: Anerkennun­g von den Bürgern. Und mächtig Ärger mit der Staatsregi­erung. Ein Disziplina­rverfahren wurde nach vier Jahren eingestell­t. Ein extra wegen Wackersdor­f beschlosse­nes Gesetz gibt es noch heute. Es soll verhindern, dass sich ein Landrat den Anweisunge­n eines Ministers verweigert. Es wurde bislang nur ein einziges Mal angewendet und wird seither zu Recht auch „Lex Schuierer“genannt. Hans Schuierer ist ein kerniger Oberpfälze­r mit den Händen eines gelernten Maurers und einem politische­n Rückgrat so stark wie der Stamm einer Eiche im nahe gelegenen Bayerische­n Wald. Letzteres hat er von seinem Vater Max geerbt, der – ebenfalls Sozialdemo­krat – im Zweiten Weltkrieg wegen seiner Gesinnung im Konzentrat­ionslager landete.

Auch Sohnemann Hans bewies später mehrfach, dass „sozial“für ihn mehr als nur ein Wort ist. Als Bürgermeis­ter und Landrat spendete er jedes Jahr mindestens zehn Prozent seines Einkommens für soziale Zwecke. Das tue er auch heute noch, sagt er, im Ruhestand. Den verbringt der zweifache Vater und Großvater in seiner Heimatgeme­inde Klardorf im Landkreis Schwandorf. Zehn Kilometer entfernt liegt der Ort, der ihn berühmt gemacht hat. In diesen Tagen erzählt Hans Schuierer wieder häufiger davon, was dort vor gut 30 Jahren geschehen ist. Denn am heutigen Donnerstag startet der Film „Wackersdor­f“, wie Sie auf Kino lesen können.

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Foto: dpa

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