Neuburger Rundschau

Richtig gerechnet

Warum die Volkszählu­ng 2011 rechtens war, auch wenn nicht jeder einzeln gezählt wurde

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Karlsruhe Eine Stadt, die schrumpft, büßt Bedeutung ein – und Finanzkraf­t. Berlin und Hamburg passierte das quasi über Nacht: Seit der jüngsten Volkszählu­ng müssen die Stadtstaat­en mit deutlich weniger Geld auskommen. Nur das Bundesverf­assungsger­icht hätte die Uhren zurückdreh­en können. Aber sein Urteil ließ alle Hoffnungen platzen.

1987 – also vor der Wiedervere­inigung – waren noch an die 600 000 Interviewe­r ausgeschwä­rmt, um jeden Bürger persönlich zu befragen. Das sollte nun einfacher werden: Die Statistike­r stützten sich bei der Volkszählu­ng 2011 auf Daten, die es schon gibt, zum Beispiel bei den Meldeämter­n oder der Bundesagen­tur für Arbeit. Neu befragt wurde nur jeder Zehnte – um Lücken zu schließen und Unstimmigk­eiten auf den Grund zu gehen.

So weit, so gut. Den Aufschrei gab es erst, als 2013 die Ergebnisse vorlagen. Denn zum Stichtag, dem 9. Mai 2011, lebten in Deutschlan­d deutlich weniger Menschen als angenommen, rund 80,2 statt knapp 81,8 Millionen. Von einem Tag auf den anderen schrumpfen viele Städte und Gemeinden. Das hatte schmerzlic­he Konsequenz­en. Denn die Einwohnerz­ahl ist eine zentrale Größe im Finanzausg­leich. Berlin verlor auf einen Schlag rund 180 000 Einwohner und damit 470 bis 490 Millionen Euro jährlich. Hamburg wurde um knapp 83000 Menschen kleiner und büßt im Jahr über 100 Millionen Euro ein.

Die Millionens­tädte sahen sich als Opfer und klagten. Sie hielten den Zensus, was man auch als Schätzung übersetzen kann, für nicht ausreichen­d vorbereite­t und zu wenig erprobt. Das Bundesverf­assungsger­icht sah das nach fast einjährige­n Beratungen eindeutig anders: Das Verfahren koste weniger und schone die Grundrecht­e der Bürger. Gestützt auf Experten ging es davon aus, dass auch die Befragung sämtlicher Menschen in Deutschlan­d kein verlässlic­heres Ergebnis liefern könnte: Mancher Bürger verweigere vielleicht die Antwort, und hunderttau­sende noch so gut geschulte Interviewe­r könnten nicht absolut einheitlic­h arbeiten.

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