Neuburger Rundschau

„Sponsoren rennen nicht die Türe ein“

Im Sommer wurde der Ulmer Arthur Abele Europameis­ter. Ein Gespräch über das Leben danach. Oder: über fehlende Geldgeber, einen verkorkste­n Urlaub und einen Fabel-Weltrekord

- Interview: Andreas Kornes

Herr Abele, am vergangene­n Wochenende haben Sie Ihren dritten Zehnkampf in dieser Saison absolviert und noch einmal starke 8310 Punkte gesammelt. Wie voll sind die Akkus jetzt noch?

Abele: Die sind leer. Nach einem Zehnkampf ist sowieso alles schwer. Dazu kommt, dass wir am Montag 1200 Kilometer aus Frankreich zurückgefa­hren sind mit dem Auto. Gestern konnte ich kaum laufen.

Der Höhepunkt Ihrer Saison war die EM in Berlin im August, als Sie dort den Titel gewannen. Wie lange hat es gedauert, bis Sie danach der Alltag wieder eingeholt hatte?

Abele: Wir waren direkt nach Berlin zehn Tage in der Türkei im Urlaub. Das war allerdings nicht ganz so toll. Erst ist mein zweijährig­er Sohn auf dem Hinflug krank geworden. Zwei Tage später hatte ich mich angesteckt und meine Frau hat es dann auch noch erwischt. Deshalb war das eher eine Katastroph­e. Zu Hause musste ich dann einigen Medienterm­inen nachkommen, ein paar Ehrungen waren auch dabei. Und klar, Training war angesagt. Das hat alles super funktionie­rt, ich habe die World Challenge gewonnen. Damit bin ich sehr zufrieden.

Wie geht es jetzt weiter?

Abele: Ich fliege mit meiner Familie jetzt noch einmal eine Woche nach Spanien in den „Club der Besten“der Deutschen Sporthilfe. Da ist dann hoffentlic­h tatsächlic­h Urlaub angesagt. Dann gibt’s ein paar Fernsehter­mine und im November geht’s mit dem Grundlagen­training los. Bis dahin ist es erst einmal ein bisschen ruhiger. Ich werde für mich selbst ein bisschen trainieren. Zum Laufen gehen, Krafttrain­ing, Klettern, Golfen. Und natürlich möglichst viel Zeit mit meiner Familie verbringen.

Was hat sich durch den EM-Titel in Ihrem Leben verändert? Rennen Ihnen die Sponsoren die Türe ein?

Abele: Es stehen ein paar Fernsehsho­ws an, das ist schon cool, und ich freue mich riesig darauf. Aber Sponsoren rennen mir nicht die Türe ein. Dürften sie gerne – also wenn jemand Interesse hat (lacht). Ich bin aber auch noch nicht dazu gekommen, irgendwo anzufragen und mich darum zu kümmern. Das kommt jetzt alles Schritt für Schritt.

Das bedeutet, dass sich darum kein Manager kümmert, sondern Sie erledigen das alles selbst?

Abele: Genau, das muss ich schon selbst machen.

Den Zehnkampf am Wochenende im französisc­hen Talence haben Sie auf Platz zwei beendet. Der Sieger Kevin Mayer hat mit 9126 Punkten einen Fabel-Weltrekord aufgestell­t. Wie war es für Sie, diese Leistung unmittelba­r mitzuerleb­en?

Abele: Wahnsinn, was Kevin da abgezogen hat. Brutal. Du versuchst, irgendwie mitzuziehe­n, aber bekommst gefühlt in jeder Disziplin auf die Fresse. Er hat überall performt. Und zwar nicht nur so ein bisschen, sondern immer unglaublic­h. Es gab keine Disziplin, in der er eine Schwäche hatte. Über 400 Meter, 110 Hürden und 1500 Meter konnte ich einigermaß­en mithalten, aber in allen anderen Diszipline­n hat er mich ziemlich alt aussehen lassen. Unglaublic­h, wie er mental und körperlich Leistung abgerufen hat. Er hat den Weltrekord zerstört. Diese Bestmarke wird wohl einige Zeit Bestand haben ...

Abele: Definitiv. Ich bin gespannt, ob er da selbst noch mal rankommt. Denn das war schon ein nahezu perfekter Zehnkampf.

Warum ist er so gut?

Abele: Er ist technisch super ausgereift. Und er hat ein anderes Trainingsk­onzept als wir alle. Er macht viel exzentrisc­hes Krafttrain­ing, also das langsame Ablassen zum Beispiel beim Klimmzug. Das hat er super entwickelt.

Können Sie sich da was abschauen? Abele: Wir machen schon einige Übungen so. Aber wenn du komplett auf die Art und Weise umsteigst, dauert es ein bis zwei Jahre, ehe das überhaupt anschlägt. Dafür bin ich aber schon anderweiti­g viel zu sehr austrainie­rt, als dass das noch sinnvoll wäre bei mir.

Bei der EM war der Zehnkampf für Mayer nach drei ungültigen Versuchen im Weitsprung beendet. Sie zogen durch und wurden Europameis­ter. Welcher Moment dieser beiden Wettkampft­age hat sich bei Ihnen besonders eingeprägt?

Abele: Die 1500 Meter zum Abschluss natürlich. Ich konnte die letzte Runde richtig genießen. Wie die Zuschauer gejubelt haben, das war einfach nur Gänsehautf­eeling. Das gibt bis heute jedes Mal wieder einen Adrenalins­chub, wenn ich daran denke.

 ?? Foto: Iris Hensel ?? Arthur Abele war am vergangene­n Wochenende hautnah dabei, als der Franzose Kevin Mayer in Talence den Zehnkampf Weltre kord förmlich pulverisie­rte.
Foto: Iris Hensel Arthur Abele war am vergangene­n Wochenende hautnah dabei, als der Franzose Kevin Mayer in Talence den Zehnkampf Weltre kord förmlich pulverisie­rte.

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