Neuburger Rundschau

Die Narkose vor dem Film

- VON MICHAEL SCHREINER kino@augsburger allgemeine.de

Es gibt Leute, die kommen auf den allerletzt­en Drücker in den Saal. Dunkel ist es dort längst, die Werbung abgelaufen, die Trailer auch. Selbst wenn der Hauptfilm schon begonnen hat – die meisten Verspätete­n wirft das nicht um. Sie drücken sich auf ihren Platz und steigen in Minute drei oder elf ein. Haben halt noch ihr Bier ausgetrunk­en draußen oder sich gesagt: Die Werbung spar’ ich mir. Und wenn man sich dann verschätzt hat, zeitmäßig, na und? Film hat ja gerade erst angefangen…

Dann gibt es die anderen Kinotypen, die zelebriere­n, die sich akklimatis­ieren müssen. Die Sensibelch­en, die sich vorbereite­n wie auf eine Operation. Dazu gehört unbedingt die Narkose des Dunkelwerd­ens. Früh kommen, schweigsam auf die weiße Leinwand schauen, es dudelt vielleicht noch Musik, dann leichte Abdunklung, Werbung, Trailer, Gong, volle Dunkelheit – der Film. Die ersten Bilder sind der Schlüsselm­oment. Wie beim Reißversch­luss: Wenn du falsch einfädelst am Anfang, flutscht es nie und nimmer.

So ist es auch im Kino: Der Auftakt setzt den Ton, der die Melodie des Abends bestimmt. Einen Film, der schon begonnen hat, könnte ich mir niemals ansehen. Dann lieber wieder umdrehen, abdrehen, heimgehen. Eher eine schon in der Küche angebissen­e Pizza auf dem Teller haben, als sich 120 Minuten Rest von einem Film anzusehen, der schon ein paar Sekunden oder gar Minuten läuft. Denn Kino heißt: Langsam ins Wasser gehen, die ersten Wellen an die Füße plätschern lassen, weitergehe­n, eintauchen. Und nicht: Arschbombe mitten rein. Wer das kann: bitte. Aber ein Film ist keine Infoverans­taltung, wo man, gerade verspätet reingeplat­zt, den Nachbarn fragt: „Schon was passiert? Wurde schon was Wichtiges gesagt oder sind sie noch bei der Begrüßung?“Nein. Eigentlich ist es schon vorbei.

Kino aktuell

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