Neuburger Rundschau

Wie ein alter Diesel

Starvertei­diger Ville Koistinen ist ein Komplettpa­ket auf Kufen. Doch zum Saisonstar­t zeigt der Finne ungewohnte Schwächen. Warum er gelassen damit umgeht und welcher seiner Spitznamen ihm am besten gefällt

- VON FABIAN HUBER

Ingolstadt Sonntagabe­nd, Saturn Arena, Überzahl Ingolstadt: Nach einem vermeidbar­en Fehlpass kontern die Krefeld Pinguine. Der Verursache­r läuft nur halbherzig hinterher, kurz vor dem eigenen Kasten bekommt er die Scheibe per Zufall trotzdem wieder auf den Schläger, verliert sie aber sofort. Anschlusst­reffer Krefeld. ERCI-Verteidige­r Ville Koistinen legt den Kopf in den Nacken und starrt Richtung Hallendeck­e – die Geste eines Sportlers, der genau weiß: das Ding geht auf seine Kappe, eigentlich sieht man sie sehr selten von Koistinen.

Der Finne ist ein Komplettpa­ket auf Kufen: ausgestatt­et mit der spielerisc­hen Übersicht eines Quarterbac­ks, der schlittsch­uhläuferis­chen Eleganz eines Eistänzers und einem Schuss – so hart, treffsiche­r und ansatzlos wie der Kick eines Thaiboxers. Damit hat er es zu einer beachtlich­en Karriere in den besten Ligen der Welt und insgesamt 103 Partien in der NHL, der absoluten Eishockey-Königsklas­se, gebracht. Barry Trotz, Koistinens einstiger Trainer in Nashville und letztjähri­ger Stanley-Cup-Sieger mit den Washington Capitals, nannte ihn bereits in seiner Debütsaiso­n den „talentiert­esten Verteidige­r im Team“.

Zwar ist das mittlerwei­le elf Jahre her, aber Koistinens Spielanlag­e und Scoring-Qualitäten sind noch immer begnadet. Nicht umsonst ging Panther-Sportdirek­tor Larry Mitchell bei seiner Weiterverp­flichtung im Sommer an die absolute finanziell­e Schmerzgre­nze. „Ich erwarte von ihm, dass er der beste Offensivve­rteidiger der Liga ist“, sagt Trainer Doug Shedden.

In den ersten beiden Ligaspiele­n konnte Koistinen diese Erwartungs­haltung kaum einlösen. Er produziert­e ungewöhnli­ch viele individuel­le Fehler, schoss erst einmal aufs Tor. Der „alte Dieselmoto­r“, wie der 36-Jährige seinen Körper ironisch nennt, stottert zum Saisonstar­t noch merklich. „Er kann viel besser sein, in allen Belangen“, sagt Coach Shedden. Der Kanadier muss es wissen, schließlic­h holte er als finnischer Nationaltr­ainer bereits 2008 WM-Bronze mit dem Abwehrass. Als die Panther vergangene­n Sonntag gegen schwache Krefelder nach einer 6:0-Führung lediglich mit einem 7:4-Sieg aus der Partie ging, sei Koistinen einer derjenigen gewesen, „die nicht die nötige Konzentrat­ion hatten“. Der Überzahlge­gnerische Bock seines Spielmache­rs schwirrt Shedden noch immer durch den Kopf.

Koistinen ist da ein wenig gelassener, der alte Diesel brauche eben etwas Zeit, um sich aufzuheize­n, sagt er. „Mir ist in den vergangene­n Jahren aufgefalle­n, dass es immer ein wenig dauert, bis ich in die Saison komme. Aber ich pushe mich und gebe jeden Tag mein Bestes, um wieder mein eigentlich­es Level zu erreichen.“Die Messlatte liegt hoch: nach seinem Wechsel aus der Schweiz sorgte Koistinen in seinen 23 DEL-Einsätzen für über einen Punkt pro Partie.

Auch in der Kabine ist der Abwehrmann eine tragende Säule im Mannschaft­sgebilde. „Seine Erfahrung hilft uns. Er ist lange im Geschäft, auch wenn er aussieht, als wäre er 20 Jahre alt“, feixt Shedden. Und Koistinen, glattrasie­rt, tatsächlic­h mit einem sehr jungenhaft­en Gesicht, meint: „Ich bin der Zweitältes­te hier und muss mit gutem Beispiel vorangehen.“Ob nun als Quarterbac­k oder Verteidigu­ngsministe­r? Frage zum Abschluss: welcher der beiden mediengema­chten Spitznamen ist ihm eigentlich lieber? Koistinen wartet, schmunzelt und sagt dann: „Ich lese keine Zeitung und kann ohnehin kein Deutsch, also keiner von beiden. Einfach nur: der Blödel aus Finnland.“Ruhig, abgeklärt, um dann im richtigen Moment einen einzuschen­ken – zumindest abseits des Eises ist Koistinen bereits ganz „der Alte“.

● ERC Ingolstadt in Kürze: Neben Ryan Garbutt (Handgelenk­sbruch) müssen die Panther mit Laurin Braun (Unterkörpe­rverletzun­g) bis Mitte Oktober auf einen weiteren Stürmer verzichten. Für die heutige Auswärtspa­rtie bei den Kölner Haien (19.30 Uhr) rückt dadurch der zuletzt überzählig­e Petr Taticek in den Kader. Jungvertei­diger Simon Schütz wird beim Kooperatio­nspartner Kaufbeuren auflaufen. Wer das Tor hüten wird, hat Shedden nach dem Abschlusst­raining noch nicht entschiede­n. Am Sonntag tritt der ERC Ingolstadt dann zum bayerische­n Derby in Nürnberg an (17 Uhr).

 ?? Foto: Xaver Habermeier ?? Quarterbac­k und Verteidigu­ngsministe­r: Ville Koistinen ist heute Abend mit dem ERC Ingolstadt bei den Kölner Haien zu Gast. Am Sonntag steht das Derby in Nürnberg auf dem Programm.
Foto: Xaver Habermeier Quarterbac­k und Verteidigu­ngsministe­r: Ville Koistinen ist heute Abend mit dem ERC Ingolstadt bei den Kölner Haien zu Gast. Am Sonntag steht das Derby in Nürnberg auf dem Programm.

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