Wie ein alter Diesel
Starverteidiger Ville Koistinen ist ein Komplettpaket auf Kufen. Doch zum Saisonstart zeigt der Finne ungewohnte Schwächen. Warum er gelassen damit umgeht und welcher seiner Spitznamen ihm am besten gefällt
Ingolstadt Sonntagabend, Saturn Arena, Überzahl Ingolstadt: Nach einem vermeidbaren Fehlpass kontern die Krefeld Pinguine. Der Verursacher läuft nur halbherzig hinterher, kurz vor dem eigenen Kasten bekommt er die Scheibe per Zufall trotzdem wieder auf den Schläger, verliert sie aber sofort. Anschlusstreffer Krefeld. ERCI-Verteidiger Ville Koistinen legt den Kopf in den Nacken und starrt Richtung Hallendecke – die Geste eines Sportlers, der genau weiß: das Ding geht auf seine Kappe, eigentlich sieht man sie sehr selten von Koistinen.
Der Finne ist ein Komplettpaket auf Kufen: ausgestattet mit der spielerischen Übersicht eines Quarterbacks, der schlittschuhläuferischen Eleganz eines Eistänzers und einem Schuss – so hart, treffsicher und ansatzlos wie der Kick eines Thaiboxers. Damit hat er es zu einer beachtlichen Karriere in den besten Ligen der Welt und insgesamt 103 Partien in der NHL, der absoluten Eishockey-Königsklasse, gebracht. Barry Trotz, Koistinens einstiger Trainer in Nashville und letztjähriger Stanley-Cup-Sieger mit den Washington Capitals, nannte ihn bereits in seiner Debütsaison den „talentiertesten Verteidiger im Team“.
Zwar ist das mittlerweile elf Jahre her, aber Koistinens Spielanlage und Scoring-Qualitäten sind noch immer begnadet. Nicht umsonst ging Panther-Sportdirektor Larry Mitchell bei seiner Weiterverpflichtung im Sommer an die absolute finanzielle Schmerzgrenze. „Ich erwarte von ihm, dass er der beste Offensivverteidiger der Liga ist“, sagt Trainer Doug Shedden.
In den ersten beiden Ligaspielen konnte Koistinen diese Erwartungshaltung kaum einlösen. Er produzierte ungewöhnlich viele individuelle Fehler, schoss erst einmal aufs Tor. Der „alte Dieselmotor“, wie der 36-Jährige seinen Körper ironisch nennt, stottert zum Saisonstart noch merklich. „Er kann viel besser sein, in allen Belangen“, sagt Coach Shedden. Der Kanadier muss es wissen, schließlich holte er als finnischer Nationaltrainer bereits 2008 WM-Bronze mit dem Abwehrass. Als die Panther vergangenen Sonntag gegen schwache Krefelder nach einer 6:0-Führung lediglich mit einem 7:4-Sieg aus der Partie ging, sei Koistinen einer derjenigen gewesen, „die nicht die nötige Konzentration hatten“. Der Überzahlgegnerische Bock seines Spielmachers schwirrt Shedden noch immer durch den Kopf.
Koistinen ist da ein wenig gelassener, der alte Diesel brauche eben etwas Zeit, um sich aufzuheizen, sagt er. „Mir ist in den vergangenen Jahren aufgefallen, dass es immer ein wenig dauert, bis ich in die Saison komme. Aber ich pushe mich und gebe jeden Tag mein Bestes, um wieder mein eigentliches Level zu erreichen.“Die Messlatte liegt hoch: nach seinem Wechsel aus der Schweiz sorgte Koistinen in seinen 23 DEL-Einsätzen für über einen Punkt pro Partie.
Auch in der Kabine ist der Abwehrmann eine tragende Säule im Mannschaftsgebilde. „Seine Erfahrung hilft uns. Er ist lange im Geschäft, auch wenn er aussieht, als wäre er 20 Jahre alt“, feixt Shedden. Und Koistinen, glattrasiert, tatsächlich mit einem sehr jungenhaften Gesicht, meint: „Ich bin der Zweitälteste hier und muss mit gutem Beispiel vorangehen.“Ob nun als Quarterback oder Verteidigungsminister? Frage zum Abschluss: welcher der beiden mediengemachten Spitznamen ist ihm eigentlich lieber? Koistinen wartet, schmunzelt und sagt dann: „Ich lese keine Zeitung und kann ohnehin kein Deutsch, also keiner von beiden. Einfach nur: der Blödel aus Finnland.“Ruhig, abgeklärt, um dann im richtigen Moment einen einzuschenken – zumindest abseits des Eises ist Koistinen bereits ganz „der Alte“.
● ERC Ingolstadt in Kürze: Neben Ryan Garbutt (Handgelenksbruch) müssen die Panther mit Laurin Braun (Unterkörperverletzung) bis Mitte Oktober auf einen weiteren Stürmer verzichten. Für die heutige Auswärtspartie bei den Kölner Haien (19.30 Uhr) rückt dadurch der zuletzt überzählige Petr Taticek in den Kader. Jungverteidiger Simon Schütz wird beim Kooperationspartner Kaufbeuren auflaufen. Wer das Tor hüten wird, hat Shedden nach dem Abschlusstraining noch nicht entschieden. Am Sonntag tritt der ERC Ingolstadt dann zum bayerischen Derby in Nürnberg an (17 Uhr).