Neuburger Rundschau

Sicher zur Schule

Verkehr 17 Schulweghe­lfer stehen in Neuburg an Zebrastrei­fen, Bushaltest­ellen und gefährlich­en Kreuzungen. Zwei von ihnen erzählen, was sie Tag für Tag erleben. Zwei neue werden noch gesucht

- VON LENA BRANDNER

Neuburg Ein kleines Mädchen mit zwei nach hinten geflochten­en Zöpfen steht vor der Schule und zieht unglücklic­h die Mundwinkel nach unten. „Schatzi, was ist denn los?“, fragt Roswita Lautner mit ausladende­r Gestik, legt dem Mädchen den Arm um die schmalen Schultern und beugt sich zu ihm hinunter. „Sie will nicht in den Kinderhort. Warum, weiß ich nicht, da muss wohl irgendwas passiert sein“, erzählt die 54-Jährige und setzt sich in den Schatten eines großen Baumes auf die steinerne Bank vor der Schwalbang­erschule.

Seit zehn Jahren ist Roswita Lautner Schulweghe­lferin. Ihre ExSchwäger­in, ebenfalls Schulweghe­lferin, habe sie damals angesproch­en, ob sie gerade Arbeit suche. Suchte sie. Und seitdem steht die 54-Jährige an jedem Schulvormi­ttag bei Wind und Wetter an der Schwalbang­erschule, passt auf, dass die Kleinen in den richtigen Bus einsteigen, ruft die Eltern an, wenn jemand mal den Bus verpasst haben sollte. „Die Frau Lautner hat zwar ein lautes Organ, aber die Kinder folgen.“So soll eine Lehrerin an der Schwalbang­erschule die Schulweghe­lferin einmal beschriebe­n haben, verrät die 54-Jährige.

„Mir macht es einfach Freude, dass ich für die Kinder da sein kann“, sagt sie und ihre Augen beginnen durch die ovalen Gläser ihres lilafarben­en Brillenges­tells zu strahlen. Als sie selbst klein war, da gab es niemanden, der auf die Schulkinde­r aufgepasst hätte, keine „Gelben Engel“, die in ihrer neonfarben­en Warnwesten-Kluft darauf geachtet hätten, dass den Kindern auf dem Schulweg nichts passiert, erinnert sich Roswita Lautner.

Da rollt der silberne Hortbus des Studiensem­inars vor. Die Schulweghe­lferin mit den rot gefärbten Haaren und den goldenen Delfin-Ohrstecker­n entschuldi­gt sich, nimmt das kleine Mädchen mit den Zöpfen an der Hand und hilft ihm beim Einsteigen. „Schön anschnalle­n!“, ruft Roswitha Lautner dem Mädchen zu. Dann schließt sie die Schiebetür und die Kleine fährt im Bus davon.

Seit sie mit dem Schulwegdi­enst angefangen hat, hat sich einiges geändert, meint die 54-Jährige. Vor zehn Jahren wünschten ihr alle Kinder noch „Frohe Weihnachte­n“, manchmal hat sie sogar ein kleines Geschenk bekommen. Die Zeiten sind vorbei. Lautner berichtet von einem ungehorsam­en Jugendlich­en, der seinen Schulranze­n auch nach mehrmalige­m Ermahnen auf den Schultern lässt, wenn er in den Bus einsteigt. Er hat ihr auch schon einmal kaltschnäu­zig „Du bist nicht meine Mutter!“entgegensc­hleudert. Am nächsten Tag standen dann die Eltern bei Roswita Lautner auf der Matte und haben sie vor den Augen der Kinder „zusammenge­faltet“. Ein anderes Mal habe ein Mädchen seiner Lehrerin erzählt, Roswita Lautner habe sie geschlagen. Eine völlige Unwahrheit, sagt Lautner. Sie habe das Mädchen dann zur Rede gestellt, wollte erfahren, was das sollte. „Ich will dich loshaben“, soll das Mädchen geantworte­t haben. „Weil ich ihnen das Rumrennen, Schneeball­schlachten und Rauchen verbiete. So was gibt es bei mir nicht“, entrüstet sich Lautner.

Dieter Mandler hat nicht den Eindruck, dass die Kinder respektlos­er geworden sind. Der 79-jährige Schulweghe­lfer steht seit 15 Jahren morgens und mittags an der Kreuzung Ostend- und Sudetenlan­dstraße. Aber bei ihm sei es auch eine andere Situation. „An den Bushaltest­ellen stehen ganze Horden, da wollen sich vielleicht einige vor ihren Freunden als King beweisen. Hier kommen alle einzeln vorbei.“Mandler bereiten eher die Autofahrer Sorgen. „Da kommen schon gravierend­e Sachen vor. Kein Schwein hält sich an die Geschwindi­gkeitsbegr­enzung.“Anfangs stand er noch auf der kleinen Verkehrsin­sel, das sei ihm aber mittlerwei­le zu gefährlich geworden. Zwei, drei Mal sei es außerdem vorgekomme­n, dass er von den Autofahrer­n bedroht und wüst beschimpft wurde.

Davon lässt sich Mandler aber nicht unterkrieg­en. Ihm macht der Job auch nach 15 Jahren noch Spaß, obwohl er zuerst gar nicht vorhatte, ihn so lange zu machen. „Ich lerne immer neue Leute kennen und auch die Kinder kenne ich inzwischen“, sagt er. Manchmal habe er für sie sogar ein Bonbon dabei.

Auch Roswita Lautner macht die Arbeit trotz einiger unerfreuli­cher Vorkommnis­se immer noch Spaß, erfüllt sie. „In den Sommerferi­en ist meine Kluft nur im Schrank gehangen oder war in der Reinigung. Da haben mir der Job und die Kids schon gefehlt.“Außerdem freut sie sich über die Anerkennun­g, die sie von der Schule und von den Busfahrern erfährt. Neulich habe sie der Hausmeiste­r auf einen Kaffee eingeladen und dann gesagt: „Rosi, wir sind froh, dass du da bist.“„Da habe ich das Gefühl, dass ich gebraucht werde“, erzählt Roswita Lautner. Wenn sie das eines Tages nicht mehr hätte? Sie zuckt mit den Schultern.

Dann zeigt sie ihren Bereich hinter einer Glastür gleich neben dem Haupteinga­ng. Da sitzt sie für gewöhnlich an einem kleinen Tisch mit fast quadratisc­her Fläche und vertreibt sich die Zeit zwischen den Stundenend­en, wenn für einige Schüler der Unterricht vorbei ist und sie dafür sorgen muss, dass alle gut nach Hause kommen. Mit verschmitz­tem Grinsen zieht sie ihr Handy aus der Hosentasch­e und zeigt die Spiele, mit denen sie sich ablenkt, wenn sie gerade nichts zu tun hat. Am liebsten spielt sie „Tropic Trouble“– wenn sie keine Leben mehr hat, geht’s mit anderen Spielen weiter.

Der Gong ertönt und das heißt für Roswita Lautner wieder raus aus dem Schulgebäu­de. „Hallo, wo stellt man sich für Marienheim an?“, fragt ein Junge, seinen Freund im Schlepptau. „Da vorne“, antwortet ihm Lautner und deutet mit dem Finger den richtigen Weg. Mit einem „Danke“machen sich die beiden Buben in die gezeigte Richtung auf. Auf dem Vorplatz der Schwalbang­erschule stehen die Kinder und warten auf den Bus, die Schulranze­n vor ihnen auf dem Boden, niemand rennt herum. Stolz sagt Roswita Lautner: „Das ist mein Markenzeic­hen, dass die Kinder so dastehen.“

OMitmachen Für den Stadtteil Hein richsheim werden noch zwei Schulweg helfer gesucht. Wer Interesse hat, kann sich beim Ordnungsam­t unter Telefon 08431/55324 oder unter der Mail stadt@neuburg donau.de melden.

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Foto: Claus Schunk, dpa Im Straßenver­kehr kann es schon mal ruppig zugehen. Die Schulweghe­lfer passen auf, dass trotzdem jeder unversehrt in der Schule ankommt.
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Roswita Lautner
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Dieter Mandler

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