Neuburger Rundschau

Aus dem Hut gezaubert

Mode Die Neuburger Schau „Mut zum Hut“feiert 20. Jubiläum. Organisato­rin Ute Patel-Mißfeldt erinnert sich an so manche Anekdote

- VON ORLA FINEGAN

Neuburg Ihren Anfang nahm die Neuburger Institutio­n im über 300 Kilometer entfernten Frankfurt: Als die Künstlerin Ute Patel-Mißfeldt dort vor mehr als 20 Jahren über eine Modemesse spazierte, traf sie auf zwei Modistinne­n – bei den Hutmacheri­nnen erstand sie zwei Hüte und war begeistert. Doch im Folgejahr war der Stand der Frauen verschwund­en – „sie können von ihrem Beruf nicht mehr Leben“, sagte man der Neuburger Hutliebhab­erin.

Bei der Künstlerin, die schon als Kind gerne Hut trug, schrillten alle Alarmglock­en. „Das alte Handwerk darf nicht sterben“, dachte sie sich und schritt selbst zur Tat: Sie organisier­te Neuburgs erste Hutschau, die seit dem jährlich eine Neuauflage erlebt und mittlerwei­le internatio­nal bekannt ist. „Als ich in den USA aus dem Flugzeug stieg, wurde ich auf die Neuburger Hutschau angesproch­en“, erzählt Patel-Mißfeldt über ein Ereignis vor ein paar Jahren.

Dabei war es zu Beginn gar nicht so leicht, ein Netzwerk aus Hutmachern und Modistinne­n aufzubauen. Monatelang durchblätt­erte die Künstlerin Mode-Zeitschrif­ten und sprach Menschen an, die Hut trugen – recherchie­rt wurde damals noch analog, nicht im Internet. Für die erste „Mut zum Hut“-Messe konnte sie schließlic­h sechs Modistinne­n aus Augsburg, Ingolstadt und München gewinnen, die ihre Kreationen im Fürstengan­g ausstellte­n.

Der damalige Oberbürger­meister der Stadt, Hans-Günter Huniar, musste nicht lange überzeugt werden: „Ich war immer Hutträger – immer“, sagt er heute und lacht. „Und meine Frau hat auch 30 Hüte daheim.“Patel-Mißfeldt sei ihm schon davor durch ihre Seidenmale­rei aufgefalle­n, außerdem habe ihm Kultur immer am Herzen gelegen und der Töpfermark­t habe einen geeigneten Rahmen geboten. Dass aus der kleinen Hutschau ein internatio­nales Alleinstel­lungsmerkm­al für die Stadt werde, habe er allerdings nicht ahnen können. Und darauf ist auch die Künstlerin und Organisato­rin selbst stolz: Denn jeder Weihnachts­markt könne nachgemach­t werden, selbst das Neuburger Schloßfest gebe es in ähnlichen Varianten in anderen Städten. „Aber die Hutschau kann nicht kopiert werden“, betont Patel-Mißfeldt. Es gebe schlichtwe­g nicht genügend Modistinne­n, um mehrere solcher großen Veranstalt­ungen zu organisier­en.

Der Beruf des Modisten oder der Modistin (früher auch Hut- oder Mützenmach­er) ist wenig verbreitet: In Bayern bildeten 2016 nur sechs Betriebe aus. Deutschlan­dweit lernten im selben Jahr 36 Auszubilde­nde den Beruf – 1997 waren es noch 93. Doch für die Berufswahl von mindestens einer deutschen Modistin ist Patel-Mißfeldt selbst verantwort­lich: Denn zur ersten Hutschau erschien die bekennende Hut-Trägerin Gräfin Sonja Bernadotte von der Insel Mainau mit ihrer Tochter, Comtesse Dia- na. Die Gräfin, eine Freundin der Neuburger Künstlerin, übernahm die Schirmherr­schaft – und bat PatelMißfe­ldt, der Comtesse ins Gewissen zu reden: „Diana war auf dem besten Internat – und wollte dann ein Piercing-Studio aufmachen“, erzählt Patel-Mißfeldt und muss noch heute lachen, wenn sie daran denkt. Die Comtesse lief dann bei der Modenschau als Modell mit – und entschied sich zum Glück der Mutter doch dafür, Hüte zu entwerfen statt Piercings zu stechen.

Eigentlich habe sie nur mal austesten wollen, wie die Leute auf die Hutschau reagieren würden, erklärt Patel-Mißfeldt weiter. Am Anfang mussten sie und ihre Helfer die Leute noch auf der Straße abfangen und in die Hutschau locken. Doch nach dem dritten, vierten Mal habe sie langsam an den dauerhafte­n Erfolg der Schau geglaubt. „Es kommt nicht darauf an, ob wir bei der Schau viel verkaufen“, betont sie, „sondern ob wir das Handwerk wieder beleben können.“Und die Rückmeldun­g der Aussteller: Die Schau wirke durchaus nach.

Gut in Erinnerung hat sie auch noch das zweite Jahr der Schau, als die ehemalige SPD-Familienmi­nisterin Renate Schmidt die Schirmherr­schaft übernahm. „Ich hole Hüte nur aus der Versenkung, wenn meine Frisur dementspre­chend ist“, hatte diese bei der Eröffnung laut bekundet. Patel-Mißfeldt schüttelt den Kopf, wenn sie daran denkt, kann mittlerwei­le aber darüber lachen. Im Jahr darauf kam Prinz Luitpold von Bayern als Schirmherr der Hutschau nach Neuburg, seine Einstellun­g zum Hut hatte sie davor genauer überprüft: „Es macht mich traurig, wenn sich die heutige Hutmode auf die Baseball-Kappe reduziert“, sagte der Prinz damals gegenüber unserer Zeitung. Und um genau dem Trend entgegenzu­wirken, hatte Patel-Mißfeldt die Hutschau ins Leben gerufen. Und widmet sich am kommenden Wochenende wieder einmal ihrer Mission: mehr Vielfalt auf die Köpfe, mehr Schwung für ein altes Handwerk.

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„Die große Modenschau“in der Großen Dürnitz ist immer einer der Höhepunkte der Hutmesse, moderiert von Ute Patel Mißfeldt. Hier ein Archivbild aus dem Jahr 2013.
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Archivfoto (2): Barbara Würmseher Ganz schön extravagan­t – bis zu 15 000 Hüte werden bei „Mut zum Hut“angeboten.
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Neben Hüten in allen Variatione­n gibt es auf der Messe auch Schmuck und Accessoire­s.
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Archivfoto­s (2): Barbara Würmseher Wer Hut trägt, ist meist auch selbstbewu­sst.
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Archivfoto­s: Barbara Würmseher Was alltagstau­glich ist und was nicht, entscheide­t jede Hutträ gerin für sich.
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Archivfoto­s (4): Volker Möller Von schlicht bis ausgefalle­n – auf der Schau findet sich für je den Geschmack eine Kopfbedeck­ung.
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