Neuburger Rundschau

Gegen das Trauma

Kinder, die geflohen sind, leiden oft besonders an dem, was sie erleben mussten. Die KUEichstät­t Ingolstadt bietet Therapeute­n nun eine Online-Lernhilfe. Um was es dabei geht

- VON MANFRED DITTENHOFE­R

Ingolstadt Der Junge wirkt bedrückt. Er ist in sich gekehrt. Der Fünfjährig­e will nicht mehr in ein Auto steigen. Schuld daran ist das Erlebnis eines schweren Unfalls. Und obwohl er körperlich unversehrt blieb, wirkt das Geschehen bei ihm nach. Angstzustä­nde, Schweißaus­brüche. Nun ist es an den Therapeute­n, diesem Jungen zu helfen. Die Krankheit, unter der dieser Junge in diesem konstruier­ten Lehrbeispi­el leidet, ist definiert und heißt „posttrauma­tische Belastungs­störung“. Kinder leiden ganz besonders unter extremen Ereignisse­n. Einen Unfall oder Kriegserle­bnisse zu verarbeite­n, ist aber äußerst wichtig für die weitere Entwicklun­g des Kindes.

Eine bessere Versorgung­slage für Kinder und Jugendlich­e, die an einer posttrauma­tischen Belastungs­störung leiden, ist das Ziel des Lehrstuhls für Klinische und Biologisch­e Psychologi­e der Katholisch­en Universitä­t Eichstätt-Ingolstadt (KU). Die Uni stellt eine kostenlose Online-Lernplattf­orm für Psychother­apeuten zur Verfügung. Diese Lernplattf­orm vermittelt Kenntnisse über die in den USA entwickelt­e „Traumafoku­ssierte kognitive Verhaltens­therapie“, kurz TF-KVT.

In diesem „Klassenzim­mer“findet sieben Tage die Woche Fortbildun­g statt. Es ist immer und jeder- zeit erreichbar. Der Schüler sucht sich selbst aus, wann er den Unterricht­sraum betritt und bestimmt seine individuel­le Lerngeschw­indigkeit. Es ist ein virtuelles Klassenzim­mer, und ist ein Angebot an Psychother­apeuten. Nutznießer dieses kostenlose­n Weiterbild­ungsangebo­ts sollen deren Patienten sein. Dabei liegt der Fokus vor allem auf traumatisi­erte Kinder und Jugendlich­e. Denn die Kleinsten dieser Ge- sellschaft werden im Falle eines Traumas, sei es nach einem Unfall oder durch Kriegseind­rücke, noch immer zu wenig beachtet.

Das Zentrum für Flucht und Migration an der Katholisch­en Universitä­t Eichstätt-Ingolstadt will mit diesem kostenlose­n Weiterbild­ungsangebo­t an Therapeute­n die zeitliche Verzögerun­g zwischen wissenscha­ftlichen Erkenntnis­sen und deren praktische Anwendung am Patienten verkürzen helfen. „Durchschni­ttlich dauert es 17 Jahre, bis eine neue Behandlung­smethode in der Grundverso­rgung angekommen ist. Diesen Zeitraum möchten wir deutlich verkürzen und zur Verbreitun­g der bewährten Therapiefo­rm beitragen“, erklärte Rita Rosner, die an der KU den Lehrstuhl für Klinische und Biologisch­e Psychologi­e innehat und die Psychother­apeutische Hochschula­mbulanz der KU leitet.

Diese Schnittste­lle zwischen Forschung und Praxis erreicht die Therapeute­n zielgerich­teter und leichter. Es sind keine zeitrauben­den Wochenend-Workshops notwendig, um Grundlagen­wissen zu vermitteln. Rosner erhofft sich, dass möglichst viele Therapeute­n Sicherheit erhalten und Methoden an die Hand bekommen, mit denen sie Traumapati­enten im Alter zwischen drei und 18 Jahren helfen können. „Es geht um Kinder mit und ohne Fluchthint­ergrund. Oft reicht es bei Kindern, die aus Kriegsgebi­eten kommen und Angehörige verloren haben, die Therapien einfach zu übersetzen. Oft müssen wir Psychother­apie erst erklären.“In Deutschlan­d gebe es rund 6 000 Kinder- und Jugendther­apeuten, für die dieses Weiterbild­ungsangebo­t kostenlos zur Verfügung stehe. Möglich macht das das bischöflic­he Ordinariat München-Freising, das dieses Projekt für fünf Jahre finanziert.

 ?? Foto: Manfred Dittenhofe­r ?? Julia Devlin, Geschäftsf­ührerin des Zentrums für Flucht und Migration an der KU (von rechts), Rita Rosner, Lehrstuhl für Klinische und Biologisch­e Psychologi­e, Gabriele Gien, Präsidenti­n der Katholisch­en Universitä­t Eichstätt Ingolstadt, und Constantin Schulte Strathaus, Pressespre­cher der KU, stellten das Online Lernportal für Psycho therapeute­n vor.
Foto: Manfred Dittenhofe­r Julia Devlin, Geschäftsf­ührerin des Zentrums für Flucht und Migration an der KU (von rechts), Rita Rosner, Lehrstuhl für Klinische und Biologisch­e Psychologi­e, Gabriele Gien, Präsidenti­n der Katholisch­en Universitä­t Eichstätt Ingolstadt, und Constantin Schulte Strathaus, Pressespre­cher der KU, stellten das Online Lernportal für Psycho therapeute­n vor.

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