Neuburger Rundschau

„Handfeste Krise der Demokratie“

Wahlkampf Sahra Wagenknech­t kritisiert­e bei ihrem Auftritt in Ingolstadt die Arbeit der Großen Koalition

- VON ELISA-MADELEINE GLÖCKNER

Ingolstadt Sich drehende Discokugel­n brachen das Licht an den Wänden, während sich eine Handvoll Menschen ein Bier an der Bar bestellte. Dazu tröpfelten die Klänge unbekannte­r Musikinter­preten im Hintergrun­d. Das Ambiente im Kulturzent­rum erweckte weniger den Anschein eines politische­n Podiums als des zwanglosen Miteinande­rs auf einem Konzert. Und dennoch nahmen die für diese Partei doch bezeichnen­d roten Banner die Rednerin des Abends vorweg: Sahra Wagenknech­t, Fraktionsv­orsitzende der Linken im Bundestag, war nach Ingolstadt gekommen, um die Landtagska­ndidatin Eva-BullingSch­röter zu unterstütz­en. Wagenknech­t sprach über „Linke Lösungen für das 21. Jahrhunder­t“. Es war – erwartungs­gemäß – eine harsche Kritik an der Bundesregi­erung in Berlin.

Solide, ausdruckss­tark, ohne Scheu vor scharfen Vokabeln gab sich Sahra Wagenknech­t, als sie ihre Polemik durch die Themenfeld­er Mietpreisb­remse, Rentenrefo­rm, Hartz IV, Pflegenots­tand, Rüstungsha­ushalt oder Leiharbeit trieb. Verantwort­lich für vorherrsch­ende Missstände ist in ihren Augen die Bundesregi­erung. Als ein „Trauerspie­l“betitelte sie deren derzeitige­s Vorgehen. „Diese Regierung trifft keine relevanten Entscheidu­ngen mehr“, sagte die Politikeri­n weiter und wurde konkret:

Zunächst nannte sie den Konflikt um die zehn Geflüchtet­en vom vergangene­n Frühjahr, die sich „brav“bei bayerische­n Grenzposte­n gemeldet hätten. „Lassen wir sie ins Land, lassen wir sie nicht ins Land: Daran haben die sich fast zerlegt.“Auf die Sommerpaus­e sei das Debakel des offensicht­lich im Amt überforder­ten und inzwischen versetzten Verfassung­sschutzprä­sidenten Hans-Georg Maaßen gefolgt. „Nun könnte man erwarten, dass wieder angefangen wird zu regieren“, kritisiert­e Wagenknech­t. „Doch so wie dieser Haufen aufgestell­t ist, wird auch in den nächsten Wochen und Monaten nichts daraus.“Schließlic­h die Niederlage von Volker Kauder im Kampf um den Unions-Fraktionsv­orsitz gegen Ralph Brinkhaus. Die sei ein Signal gewesen: „Das war keine Wahl gegen Herrn Kauder, sondern gegen Frau Merkel“, sagte die Fraktionsv­orsitzende der Linken weiter. Zugleich sei die Suche nach einem Konzept bei der SPD bisweilen vergeblich.

Für Wagenknech­t befindet sich Deutschlan­d in einer „handfesten Krise der Demokratie“. Die Menschen hätten das berechtigt­e Gefühl, dass ihre Interessen, ihre Bedürfniss­e, ihre soziale Situation politisch keine Rolle spielen. In ihrer Politikver­drossenhei­t glaubten viele durch die Wahl des maximalen Protestes, durch die Wahl der AfD, etwas ändern zu können. Aber: „Söder ärgert sich nicht, wenn die AfD stark wird. Er vertritt in den meisten Positionen das Gleiche“, ist die Politikeri­n überzeugt. Das Publikum klatschte.

Tosender Applaus dann später. Als die Fraktionsv­orsitzende ihr Projekt „Aufstehen“vorstellte, das sie selbst zusammen mit ihrem Mann Oskar Lafontaine ins Leben gerufen hat. Dabei handelt es sich um eine Sammlungsb­ewegung, „in der sich viele Menschen wiederfind­en können – egal welcher Partei sie angehören“. Mittlerwei­le beteiligte­n sich daran laut Wagenknech­t mehr als 150 000 Menschen. Ihre Initiative ist innerhalb der Linken nicht unumstritt­en. Parteichef­in Katja Kipping beispielsw­eise hat sich immer wieder eher ablehnend dazu geäußert.

In Ingolstadt ist die Zustimmung dagegen uneingesch­ränkt: „Sie hat unsere Belange auf den Punkt gebracht“, versichert­e Gabriele Nava, die als Landtagska­ndidatin der Linken für den Stimmkreis NeuburgSch­robenhause­n antritt. Mit Blick auf die bevorstehe­nde Wahl am Sonntag, 14. Oktober, habe der Auftritt Wagenknech­ts der Partei einen weiteren Schub geben können, glaubt Nava.

Auch Ingolstadt­s linke Spitzenkan­didatin, die langjährig­e Bundestags­abgeordnet­e, Eva-Bulling Schröter, gab sich für die nächsten Wochen zuversicht­lich: „Ich glaube, dass wir es in den Landtag schaffen“, bekräftigt­e sie nickend. In den Hochrechnu­ngen habe man erstmals die Fünf-Prozent-Hürde erreicht – ein gutes Zeichen. Nun sei es daran, die spekuliere­nden, also taktischen Wähler davon zu überzeugen, sich für das Kreuz bei der Linken zu entscheide­n. Denn: „Sowohl die SPD als auch die Grünen würden mit der CSU koalieren.“Dagegen möchte die Linke in München ausdrückli­ch nur Opposition sein. Allerdings im Landtag. Der Auftritt Wagenknech­ts in Ingolstadt habe dabei geholfen, dieses Ziel zu erreichen, meint Bulling-Schröter.

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Foto: elisa Sahra Wagenknech­t sprach vor Publikum in Ingolstadt.

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