Eine Krise ohne Auslöser
Der Fußball als Spiegelbild des Lebens: Allzu oft muss die Balltreterei als Metapher für Alltagsproblematiken herhalten. Die Liebe zum Verein sei mit jener zu vergleichen, die einen mit dem Partner verbindet. Dazu schule der Fußball auch für das Leben. Niederlagen verarbeiten, in unteren Ligen den Umgang mit Alkohol. Anhand einiger Details lässt sich aber doch noch eine Trennlinie zwischen Feld und Leben ziehen. So dokumentiert der durchschnittliche Arbeitnehmer nur in seltenen Fällen seine Vorbereitungen auf den Bürotag in den einschlägigen sozialen Netzwerken. Hätte natürlich auch Klasse, wenn Gitti vor dem Gang in ihr Nagelstudio ihren Post mit den Hashtags #faith #power und #nopainnogain veredelt.
Unterschiede gibt es auch im Entstehen einer Krise. Im zwischenmenschlichen Bereich ist der Auslöser oftmals ein akuter Grund („Wer bitte ist Lisa? Und was meint sie mit ,wunderbarer Nacht‘?“). Oder aber die Zeit reißt Wunden, die nicht mehr zu schließen sind. Paare sprechen dann davon, sich auseinandergelebt zu haben. Bei Niko Kovac und dem FC Bayern ist davon nicht auszugehen. Auch fehlt dieser eine offensichtliche Grund, den die Münchner als Auslöser ihrer Mini-Krise ausmachen könnten. Sie spielten wundervollen Fußball, energisch und gewitzt. Beobachter murrten kurz nach Saisonstart, dass diese Spielzeit so langweilig werde, wie die sechs vorherigen. Drei Partien später wirken die Münchner ratlos. Weder gegen Augsburg noch gegen Berlin oder Amsterdam feierten sie einen Sieg. Aus Spritzigkeit wurde Behäbigkeit. Präzision wich Schludern. Die Krise im Fußball kündigt sich nicht an. Das macht ihre Behandlung so schwer. Denn wo soll angesetzt werden, wenn der Auslöser nicht bekannt ist und eine normale Abnutzung auszuschließen ist? Dabei zeigt sich dann wahre Könnerschaft. Niko Kovac ist früher als erwartet in der Rolle des Krisenmanagers gefragt. Das wiederum ist ein weiterer Unterschied zum Büro-Alltag. Dort wird nach einer Woche mit überschaubarem Erfolg nicht sofort die Kompetenz des Abteilungsleiters angezweifelt.