Ernstes Thema und gute Unterhaltung
Ein Benefizkonzert im Stadttheater zeigt die vielen Facetten des sexuellen Missbrauchs und Möglichkeiten, wie sich Betroffene helfen lassen können
Sexueller Missbrauch – ein Tabuthema, über das immer im gleichen Atemzug mit „Dunkelziffer“geredet wird. Wenn überhaupt geredet wird – vorwiegend wird darüber geschwiegen. Karin Steinherr hat als Opfer lange den Mund gehalten, doch vor zwei Jahren hat sie den Schritt gewagt und ist mit ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit gegangen. Sie hat mithilfe von Therapeuten und Freunden angefangen, ihre Geschichte aufzuarbeiten und einen Verein gegründet: „Gemeinsam gegen sexuellen Missbrauch e. V.“. Zusammen mit der Musikschule Neuburg, dem Jugendtheater und Künstlern aus Neuburg hat der Verein ein Benefiz-Konzert organisiert, um auf das Thema aufmerksam zu machen und um Spenden zu sammeln.
„Das Thema gehört öffentlich gemacht, bearbeitet und diskutiert“, forderte auch Landrat Roland Weigert in seinem kurzen Grußwort. Er sei tief betroffen und habe die Hoffnung, dass der Verein es schaffe, in präventive Bereiche zu wirken: „Junge Menschen müssen stark gemacht werden, um nicht Opfer sexueller Gewalt zu werden.“Er sicherte dem Verein auch die Unterstützung des Landkreises zu. Zuvor hatten Sepp und Kerstin Egerer eindrucksvoll dargestellt, wie Täter zunächst als selbstlose Wohltäter auftreten und es immer mehr schaffen, ein Kind in eine emotionale Abhängigkeit zu treiben. Damit der Missbrauch nicht öffentlich wird, gelingt es dem Täter oft, das Opfer so unter Druck zu setzen, dass es am Ende glaubt, der Schuldige zu sein.
Karin Steinherr schilderte, dass in ihrem Fall der zweite „Freund“es schaffte, sie über zwanzig Jahre lang zu stalken – auch, als sie schon verheiratet war und Kinder hatte. Ein befreundeter Polizeibeamter, mehrere Freundinnen und Frank Böhm halfen ihr, mit ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit zu gehen und mit Verein „Gemeinsam gegen sexuellen Missbrauch e. V.“in die Präventionsarbeit einzusteigen. Ihnen und ihrem Mann Peter sagte sie auf der Bühne Danke für „die Hilfe in dunklen Stunden und viel Geduld“. Der Liedermacher Olly Seibold sang passend dazu über den „ganz normalen Tag“, dem man nicht ansieht, was hinter den Fassadem den der Häuser geschieht. Mit Bettina Wegeners Kinderlied „Sind so kleine Hände“warb er für mehr Einfühlung in verwundbare Kinderseelen. Lucie Schafferhans erklärte, warum sowohl der von ihr geleitete Chor der Musikschule wie auch das Improvisationstheater des Neuburger Volkstheaters den Verein unterstützen: „Weil uns das Thema und die Diskussion darüber wichtig sind.“Der Chor sang einen Hit von Snowpatrol und eine Nummer aus dem Musical Mary Poppins, „Feed the birds“. Die Impro-TheaterTruppe ließ das Publikum mit ihren spontanen Aktionen eine kurze Zeit das ernste Thema vergessen. In drei Sequenzen entwickelten sich absurde Geschichten. Am Ende trafen sich eine Pfandflaschensammlerin, eine Chips-Süchtige und eine aggressiv auftretende Frau zu einem Date mit einem Mann. Besonders amüsant: Melanie Bauer, die mit ihrem witzigen Auftritt Lachsalven auslöste. Die Schauspielerin Vicky Müller-Toussa spielte eindrucksvoll eine Passage aus Ariel Dorfmans „Der Tod und das Mädchen“. Eine Frau findet ihren einstigen Peiniger wieder und will ihm ein Geständnis entlocken, bevor sie sich an ihm rächt. Im „Märchen vom perfekten Herzen“erklärt sie, warum eine schöne Oberfläche noch kein schönes Herz ausmacht. Erst Liebe und die damit auch verbundenen Verletzungen machten es interessant – las Vicky Müller-Toussa aus einem Märchenbuch den Text zum Nachdenken. Franziska Steinherr spielte zuvor gefühlvoll ein meditatives Klavierstück von Ludovico Einaudi.
Die 16-köpfige Bigband des Musikhauses rundete unter der Leitung von Trompeter Oliver Wasilesku den Abend mit viel Schwung ab. Unterwegs mit dem „ Blue Train“auf der „Route 66“, ein Hoch auf das Leben, die „Viva la Vida“Hymne von Coldplay und Bruno Mars’ „Uptown funk“entließen sie die zahlreichen Besucher in sichtlich guter Stimmung und Karin Steinherr und Frank Böhm, die beiden Vorsitzenden des Vereins, hoffentlich mit dem Gefühl, einen wertvollen Beitrag zu diesem schwierigen Thema geleistet zu haben.