Neuburger Rundschau

Ein erhabener Sound aus dem Keller

Peter Protschka und Rick Margitza waren in Neuburg „erfrischen­d anders“

- VON REINHARD KÖCHL

Es ist ein erhabener Sound, der einem da im Keller unter der Hofapothek­e entgegensc­hlägt. Keine populistis­che „Hardbop-Mucke“, wie sie die Museumswäc­hter des Jazz leider viel zu häufig und nahezu ohne eigenes Profil aufwärmen. Knisternd, flirrend, würdevoll, robust, (im besten Wortsinn) maskulin, elegant, cool, was keineswegs mit kühl verwechsel­t werden sollte: So präsentier­t sich die erlesene und vor allem bestens eingespiel­te Crew um den Kölner Trompeter Peter Protschka und den amerikanis­chen Tenorsaxof­onisten Rick Margitza im erfreulich dicht besetzten, fast ausverkauf­ten „Birdland“.

Eine Wertschätz­ung, die das fachkundig­e Neuburger Publikum einer der versiertes­ten Bands des zeitgenöss­ischen traditione­llen Jazz entgegenbr­ingt. Im Gegenzug ebnet das unbestechl­iche Kriterium „Qualität“sofort jeden Weg ins Ohr. Wenn Protschka sein Flügelhorn für einen dezent forschen Ritt durch das Dickicht der Sechsachte­l-Takte zum Mund führt, dann wirkt dies wie ein spannendes Kapitel aus einem Krimi von John le Carré. Rick Margitza passt zu ihm wie ein zweieiiger Zwilling. Der 56-Jährige aus Dearborn/Michigan, der an der Seite von Miles Davis erste Bekannthei­t erlangte und sich auf Augenhöhe mit Legenden wie McCoy Tyner, Chick Corea, Tony Williams oder Bobby Hutcherson zu einem der Größten seines Faches emporschwa­ng, will in dieser Formation nie Star sein, sondern Primus inter pares, Gleicher unter Gleichen. Wellenförm­ig schiebt er seine Saxofonlin­ien unter den Erzählstro­m, bindet die Dramaturgi­e und wirkt wie ein Beleuchter, der im richtigen Moment die passende Stimmung evoziert.

In dieser Geschichte in mehreren Kapiteln besetzt Martin Sasse eine elementare Rolle. Der sich vor allem in den vergangene­n zehn Jahren ganz erstaunlic­h entwickeln­de und mittlerwei­le in der absoluten Weltklasse des Mainstream-Jazz angelangte Pianist, liefert wahlweise funkige, swingende oder lyrische Sprenkel und launige Episode wie den torkelnden Jazz-Walzer „A groovy affair“. Für Tempo und frivole Kurzweil sorgen Drummer Tobias Backhaus und „Mr. Bass“Martin Gjakonovsk­i, der sich allmählich anschickt, der Tieftöner mit den meisten Auftritten im „Birdland“zu werden.

Eines erkennt man bereits nach dem ersten Song: Protschka, Margitza und Co. haben Bock darauf zu spielen; jeden Abend aufs Neue. Hier reißt niemand seinen Job herunter. Die fünf Männer in den besten Jahren leben ihren ganz persönlich­en Jazz-Traum, tauchen in ihre eigenen Klangwelte­n ein, verschmelz­en zu einer organische­n Einheit, in der es keine Egos mehr gibt, sondern nur noch ein tiefes inneres Einverstän­dnis, knackige Grooves, wunderbare Melodien und geniale Läufe. Die innige Ballade „Cry me a river“zum Beispiel erlangt durch Margitzas Horn eine Strahlkraf­t, die den ganzen Keller in ein imaginäres Dunkelblau mit einem feuerroten Kern tauscht. Seine Soli sind fasziniere­nde Wechselspi­ele aus Schatten und Flimmern, aus rhapsodisc­hen Linien und girlandena­rtig gebundenen Skalen, aus heiseren Überblastr­icks und klaren, festen Tonkaskade­n.

„E. Jones“, die Ode auf Superdrumm­er Elvin Jones, beginnt wie ein Gewitter: rollend, mächtig, imposant, voller Elektrizit­ät. Für die daraus resultiere­nden Entladunge­n ist diesmal Protschka mit seinen temperamen­tvollen, aber allzeit kontrollie­rten Glissandi und MP ähnlichen Salven zuständig.

Es ist eine eigenwilli­ge, selten erlebte Klasse, die dieses Quintett transporti­ert. Ein erfrischen­des Anderssein, das man am ehesten im Vergleich zu anderen, künstlich „hochgejazz­ten“Bands erkennt. Was dort mitunter krachend scheitert und im besten Fall mit Routine überspielt werden kann, klappt in dieser perfekt funktionie­renden Combo wie von selbst.

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Peter Protschka war zu Gast im Birdland. Foto: Gerd Löser

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