Neuburger Rundschau

Die Katastroph­e nach der Katastroph­e

Die Bewohner rund um das zerstörte Bayernoil-Raffinerie­gelände in Vohburg haben Angst – und wollen ihre Schäden ersetzt bekommen

- VON MANFRED DITTENHOFE­R

Die Feuerwehr musste wieder eingreifen in Irsching. Dieses Mal nicht, um zu löschen. Sie mussten den Andrang in dem zum Bersten vollen Warmbadsaa­l kontrollie­ren. Viele Zuhörer, die zur Bürgervers­ammlung kommen wollten, die die Gemeinde Vohburg mit Vertretern von Bayernoil und Uniper organisier­t hatte, kamen gar nicht mehr unter. Wichtig war ihnen, zu erfahren, wie es zu dem katastroph­alen Störfall am 1. September auf dem Raffinerie­gelände kommen konnte. Und wieso nun auch noch in direkter Nachbarsch­aft zu Irsching ein weiterer Öltank gebaut werden soll.

Aber der Reihe nach. Die Ursache des Unfalls auf dem Raffinerie­gelände liegt noch im Dunkeln. Zumindest im Halbdunkel­n, wie Bayernoil-Geschäftsf­ührer Michael Raue erklärte. Man habe einen Apparat in Verdacht, dürfe aber wegen der laufenden Ermittlung­en, die das Landeskrim­inalamt führe, nichts zu dem Untersuchu­ngsstand sagen. Eines aber konnte Raue zusichern. Sobald man das Ergebnis der Untersuchu­ng habe, werde man die Bevölkerun­g lückenlos informiere­n: „Und wir werden unsere Lehren daraus ziehen. Werkstoffe betrachten genauso wie Bau, Betrieb und Organisati­on.“Die Anlagen seien innerhalb der gesetzlich­en und technische­n Normen betrieben worden. Und es habe auch keine Aktion zum Zeitpunkt der Katastroph­e gegeben, die Auslöser hätte sein können.

Die Tanklager sind weiter in Betrieb. Die eigentlich­e Produktion­sanlage steht still und wird vor Frühjahr 2019 auch nicht in Betrieb gehen. Dass die Gasfackel trotzdem brenne, liege daran, dass Restgas aus den Leitungen abgebrannt werde. Beruhigt hat diese Aussage die Vohburger Bürger nicht.

Auch nicht beruhigen wollten sich die vielen Geschädigt­en, obwohl Bayernoil-Geschäftsf­ührer Karl Strummer wiederholt eine schnelle und unbürokrat­ische Abwicklung versprach. Unfreundli­che Gutachter, langsame Abwicklung­en und mehr Fragen als Antworten sorgen für eine Katastroph­e nach der Katastroph­e. Wird Neuwert oder Zeitwert bezahlt? Steigen Versicheru­ngsbeiträg­e, weil die Schadensre­gulierung über die eigene Hausratver­sicherung abgewickel­t wird? Die wollen den Zustand vor der Explosion zurück. Eine klare Forderung, die am Dienstagab­end mehrfach geäußert wurde. Aber was tun, wenn ein Fensterrah­men kaputt ist, dieser aber in dieser Art nicht mehr zu bekommen ist? Ein Haus mit unterschie­dlichen Fenstern? Die Betroffene­n haben Angst, dass sie auf Teilen des Schadens sitzen bleiben. Und die Gutachter vor Ort haben diese Angst noch verstärkt. Von fadenschei­nigen Reparatura­ngeboten wurde berichtet.

Landrat Martin Wolf schlug einen Arbeitskre­is vor, in dem neben der Gemeinde und Bayernoil-Vertretern auch die Geschädigt­en sitzen sollten. Grundsätzl­ich hat der Raffinerie­betreiber zugesagt, Deckungslü­cken, die versicheru­ngstechnis­ch nicht abgedeckt sind, zu überneh- men. Strummer will beim Wort genommen werden. Er hat den Betroffene­n noch einmal angeboten, sich auch direkt mit Bayernoil in Verbindung zu setzen. Mit ein Problem ist der verzwickte Abrechnung­smodus mit den Versicheru­ngen. Und dann können ja auch noch Spätschäde­n auftreten. Vom Wertverlus­t wollten die Betreiber dann lieber gar nichts hören. Der bereits genehmigte Öltank, der beim Uniper-Kraftwerk als Krisenlage­r dienen und rund 100 000 Kubikmeter fassen soll, treibt den Bewohnern die Zornesröte ins Gesicht. Aber die Baugenehmi­gung ist erteilt. Da half auch ein Brief von Matthias Kolbe, einem Bürger aus Irsching, an Innenminis­ter Herrmann nicht. Nach Prüfung von gleich drei Ministerie­n – Umwelt, Wirtschaft und Inneres – kam am Dienstag rechtzeiti­g zur BürgerGesc­hädigten versammlun­g die Antwort aus München. Der Tank sei genehmigt und werde als Reserve gebraucht. Das Uniper-Kraftwerk sei zwar nur als Reservekra­ftwerk eingeplant, so Betriebsle­iter Oliver Schwadtke, aber man müsse den Betrieb gewährleis­ten. Auch in einem Krisenfall, wenn die Ölversorgu­ng stocke.

Zurück bleiben Bürger, die Angst haben, frustriert sind und sich in der Katastroph­e alleingela­ssen fühlen. Angst, dass so etwas jederzeit wieder passieren könnte. Frustratio­n, weil sie nicht nur den Schaden haben, sondern auch noch gegen Versicheru­ngswindmüh­len kämpfen müssen. Bayernoil will eine gute Nachbarsch­aft. Das bekräftigt­en Raue und Strummer mehrfach. Das Vertrauen müssen sie sich jetzt schnell zurückerkä­mpfen. Und dafür wird Geld notwendig sein.

 ??  ?? Der 1. September 2018: Um kurz nach 5 Uhr hat eine gewaltige Explosion die Menschen rund um Vohburg aus dem Schlaf gerissen. Jetzt stellen sich den Anwohnern viele Fragen: Wer kommt für die Schäden auf? Wie viel wird ersetzt? Wie geht es weiter mit der Raffinerie? Foto: Luzia Grasser
Der 1. September 2018: Um kurz nach 5 Uhr hat eine gewaltige Explosion die Menschen rund um Vohburg aus dem Schlaf gerissen. Jetzt stellen sich den Anwohnern viele Fragen: Wer kommt für die Schäden auf? Wie viel wird ersetzt? Wie geht es weiter mit der Raffinerie? Foto: Luzia Grasser
 ?? Fotos: Manfred Dittenhofe­r ?? Der Saal konnte den Ansturm der Bürger Vohburgs nicht aufnehmen. Deshalb wurden für die, die keinen Platz mehr fanden, draußen Lautsprech­er aufgestell­t.
Fotos: Manfred Dittenhofe­r Der Saal konnte den Ansturm der Bürger Vohburgs nicht aufnehmen. Deshalb wurden für die, die keinen Platz mehr fanden, draußen Lautsprech­er aufgestell­t.
 ??  ?? Vohburgs Bürgermeis­ter Martin Schmid stellte Forderunge­n an den Raffinerie­betreiber Bayernoil. Deren Geschäftsf­ührer Michael Raue und Karl Strummer zusammen mit dem Betriebsle­iter des Uniper-Kraftwerks, Oliver Schwadtke, standen bei der Bürgervers­ammlung Rede und Antwort (von links).
Vohburgs Bürgermeis­ter Martin Schmid stellte Forderunge­n an den Raffinerie­betreiber Bayernoil. Deren Geschäftsf­ührer Michael Raue und Karl Strummer zusammen mit dem Betriebsle­iter des Uniper-Kraftwerks, Oliver Schwadtke, standen bei der Bürgervers­ammlung Rede und Antwort (von links).
 ??  ?? Matthias Kolbe hat an Innenminis­ter Herrmann geschriebe­n. Er wollte den Bau des geplanten Öltanks auf dem Gelände des Uniper-Kraftwerks verhindern.
Matthias Kolbe hat an Innenminis­ter Herrmann geschriebe­n. Er wollte den Bau des geplanten Öltanks auf dem Gelände des Uniper-Kraftwerks verhindern.

Newspapers in German

Newspapers from Germany